CIOs haben verlorenes Terrain zurückerobert respektive neues Gelände gewonnen. Gemeint ist die "Ownership" der Digitalisierung in den Unternehmen. Bislang befand sich diese weithin im Beritt der Marketingabteilungen, doch in jüngster Zeit wanderte sie immer mehr in den Verantwortungsbereich der IT. Das geht aus der Studie "CIO Survey 2015" von Harvey Nash und KPMG hervor.
Demnach gehörte noch 2014 in zwei Fünftel der Firmen weltweit die Digitalisierung ausschließlich dem Marketing; der Anteil sank binnen eines Jahres um 16 Prozentpunkte auf 24 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Unternehmen mit IT-Ownership von 10 auf 18 Prozent. Immer häufiger ist die Digitalisierung auch eine gemeinsame Angelegenheit. Die sich bislang eher fremden Abteilungen für IT und Marketing lernen, als Partner auf Augenhöhe gemeinsam zu agieren.
"Frappierend ist das Tempo des Wandels"
Das ist eine der vielen Erkenntnisse, die die Studie liefert. Befragt wurden rund 3700 IT-Führungskräfte aus mehr als dreißig Ländern. Und die Ergebnisse der Befragung spiegeln einerseits durchaus Bedeutungsgewinne für den CIO wider, andererseits auch hochgradig dynamische Veränderungen, die mit Unsicherheit einhergehen. "Frappierend ist das Tempo des Wandels", kommentiert die Resultate Albert Ellis, CEO der Harvey Nash Group. "Seit 17 Jahren erheben wir unsere Studie - und noch nie hat eine neue Rolle so schnell an Gewicht gewonnen wie die des Chief Digital Officers."
Und noch nie habe der Bedarf an einem speziellen Skill-Profil so rasant zugelegt wie derzeit bei Big Data & Analytics. Manchmal führe das zu Reibungen, Unsicherheit und Fachkräftemangel. "Aber für einen CIO mit Einfluss, Verbindungen und der technischen Fähigkeit, alles zusammenzuführen, sind das spannende Zeiten", so Ellis.
Digitalisierung führt zu starken Veränderungen
Einige Schlaglichter dieser Entwicklung: Zwei Drittel der befragten IT-Chefs sagen, dass "digital disruption" auf signifikante Weise zu Veränderungen führe. Neue Geschäftsmodelle müssen schneller entwickelt werden, neue Produkte und Services fixer auf den Markt gebracht werden. Nur 17 Prozent der Großunternehmen glauben, bei der Bewältigung des Störfaktors Digitalisierung viel besser als ihre Wettbewerber zu agieren. Ausgeprägter ist die Zuversicht bei kleinen Firmen. 35 Prozent von ihnen denken, von Wettbewerbsvorteilen profitieren zu können.
Mehr CDOs als im Vorjahr
Einen Chief Digital Officer (CDO) gibt es laut Studie momentan in 17 Prozent der Unternehmen. Vor einem Jahr waren es lediglich 7 Prozent; 5 Prozent der Firmen wollen in den kommenden Monaten die CDO-Rolle neu einführen. Die volle Digitalisierungs-Leadership hat der CDO aber nur in 47 Prozent der Unternehmen, in denen es ihn gibt.
An dieser Stelle offenbart sich ein aufschlussreicher Zusammenhang: In Unternehmen ohne CDO gibt zu 34 Prozent der CMO die digitale Geschäftsstrategie aus, zu 26 Prozent der COO und zu 14 Prozent der CIO. In 35 Prozent der Firmen mit CDO aber ist der CIO der digitale Stratege, nur in 30 Prozent der CMO. Die Existenz der Rolle eines CDO scheint also die Hausmacht des CIOs tendenziell zu stärken - das Gegenteil also dessen, was oft angenommen wurde. Inwieweit sich das bei nachhaltiger Etablierung der CDO-Rolle ändert, bleibt naturgemäß ungewiss.
Digitalisierungsstrategie ausbaufähig
Eine unternehmensweite Digitalisierungsstrategie gibt es mittlerweile in ausbaufähigen 27 Prozent der Unternehmen. Weitere 26 Prozent haben in einzelnen Business Units eine derartige Strategie implementiert, 19 Prozent arbeiten daran. 9 Prozent sagen, dass sie sich mit diesem Thema nicht beschäftigen.
Vision und Geld fehlen
Die größten Herausforderungen in diesem Feld sind das Fehlen einer Vision und Geldmangel - von 34 beziehungsweise 30 Prozent genannt. Im Ranking folgen Unterschätzung der Wichtigkeit, Mangel an benötigten Skills und kulturelle Widerstände. Limitierte IT-Systeme stellen nur in 23 Prozent der Unternehmen das Problem dar. Harvey Nash folgert, dass es eher kulturelle als IT-technische Hürden zu überspringen gelte.
Großer Fachkräftemangel bei Big Data & Analytics
Der Fachkräftemangel hat sich insbesondere im Segment Big Data & Analytics verschärft - um fast 12 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Bei keinem anderen Skill-Profil gab es im vergangenen Jahr einen derartigen Nachfragesprung. 36 Prozent der Firmen klagen über einen Mangel an Big Data- und Analyse-Experten. Ähnlich rar gesät und von 34 Prozent der Unternehmen händeringend gesucht sind ansonsten nur Projektmanager. Dieser Skill-Mangel liegt aber schon seit Jahren auf hohem Niveau.
29 Prozent der Befragten beobachten einen Fachkräftemangel bei Business-Analysten, jeweils über 25 Prozent auch bei Entwicklern, Enterprise-Architekten und Change-Managern. Zum Teil hat sich die Lage aber gegenüber der Vergangenheit entspannt. Der Mangel an Business-Analysten und Enterprise-Architekten etwa lag vor zwei Jahren noch bei 39 Prozent.
Veränderungen auf der CIO-Agenda
Business Intelligence & Analytics rückte auf der Prioritätenliste der CIOs am weitesten nach vorne. Das Thema steht bei 47 Prozent der Befragten auf der dringlichen Agenda, vor einem Jahr war das nur bei 41 Prozent der Fall. In der Prioritätenrangliste der IT-Chefs ist das lediglich der sechste Platz, in etwa gleichauf mit der Ermöglichung von Change.
Ganz oben steht die Verbesserung der operativen Effizienz (61 Prozent), gefolgt von der Verbesserung der Geschäftsprozesse (58 Prozent) und der Bereitstellung einer konsistenten und stabilen IT-Performance. Kostensenkung ist noch für 54 Prozent der Befragten eine Priorität, vor zwei Jahren war das noch in knapp 71 Prozent der Firmen so.
Security angeblich immer weniger ein Problem
Mit größeren Security-Problemen hatte im vergangenen Jahr laut Studie jeder vierte CIO zu kämpfen. Sehr gut gewappnet gegen Cyber-Angriffe sehen sich aktuell 23 Prozent der Befragten. Diese Baustelle ist offensichtlich schwieriger geworden, denn vor einem Jahr lag dieser Anteil noch bei 29 Prozent.
Trotz aller Herausforderungen und Unsicherheit ist die Jobzufriedenheit der CIOs laut Harvey Nash auf einem historischen Rekordstand. 80 Prozent der IT-Chefs sind mit ihrem Job sehr oder ziemlich zufrieden. Nur 12 Prozent der IT-Chefs wollen ihre Stelle im kommenden Jahr wechseln - 2014 waren das noch 17 Prozent.
Sicht der CIOs aus Deutschland
Neben der globalen Perspektive arbeitet die Studie auch einige länderspezifische Befunde heraus. An den deutschen Ergebnissen fällt auf, dass nur 13 Prozent der Firmen einen CDO haben - weltweit sind es 17 Prozent. Nur ein Fünftel der Unternehmen fühlt sich durch die Digitalisierung erschüttert - weltweit sind es mehr als ein Drittel der Firmen. Die Klage über einen Fachkräftemangel ist dafür hierzulande lauter als anderswo: 67 Prozent sehen hier ein Problem, weltweit sind es nur 59 Prozent. 53 Prozent der Unternehmen hierzulande wollen ihr IT-Outsourcing verstärken - das sind 7 Prozentpunkte mehr als der globale Durchschnitt.
Top-Priorität der deutschen CIOs sind mit die 58 Prozent die Geschäftsprozesse, gefolgt von Kostensenkung (56 Prozent), stabiler Performance (53 Prozent) und operativer Effizienz (49 Prozent). Gegenüber 2014 hat sich an diesen Werten nahezu nichts verändert. Dafür nennen jetzt jeweils 39 Prozent der Befragten eine Verbesserung der Time-to-market und die Ermöglichung von Change als Priorität - in beiden Fällen ist die Bedeutung gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen, jeweils um 11 Prozentpunkte.