Das Internet wird sich schon bald jenseits der klassischen Zugangstechnologien über den PC oder über mobile Geräte bewegen, schreiben die Gartner-Analysten John Mahoney und Hung LeHong. Beide fordern Unternehmen in einem Kurzreport auf, ihre IT operativ und strategisch auf diese Zukunft einzustellen und sich mit den Möglichkeiten des Internet der Dinge auseinanderzusetzen.
Mehr Internet-Adressen als Sterne im All
Die durch das Internet-Protokoll IPv4 vorgebene Anzahl möglicher Internetadressen beträgt etwas über vier Milliarden. Diese Zahl ist Meldungen aus den vergangenen Wochen zufolge beinahe ausgeschöpft. In der neuen Version IPv6 gibt es diese Grenze nicht mehr. Im Gegenteil: Die rund 340 Sextillionen (eine Zahl mit 36 Nullen) reicht aus, um jedem elektronischen Gerät auf diesem Planeten eine eigene Internet-Adresse zu geben. Zum Vergleich: Das sind mehr Internet-Adressen als es nach Schätzungen von Astronomen Sterne im Universum gibt.
Mit dieser immensen Zahl an festen Internet-Adressen wird es möglich sein, einzelne Geräte (oder beliebige Gegenstände, also auch organische Substanzen) miteinander zu verbinden, so dass sie kommunzieren, Daten austauschen oder Befehle entgegennehmen können. So kann etwa die Post heute schon ein Paket über ein Barcode oder RFID-Tag genau verfolgen, eine Parkuhr könnte über das Internet mitteilen, ob und bis wann sie belegt ist.
Oder, etwas visionärer: Eine Pflanze könnte einem Messfühler mitteilen, dass sie Wasser braucht. Der Fühler wiederum gibt diese Information über das Internet an eine Berieselungsanlage weiter. Schon an diesen, teils prosaischen, teils utopischen Beispielen wird die theroetische Bandbreite der Technologie deutlich: Es gibt kaum etwas, das es nicht gibt. Vieles davon ist bereits aus herkömmlichen Mess- und Regeltechniken bekannt. Neu ist die, in der Regel drahlose, Kommunikation mit der Außenwelt über das Internet.
Merkmale des Internets der Dinge
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Gegenstände können wie PCs und mobile Geräte entweder permanent oder zeitweilig mit dem Internet verbunden sein.
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Anders als jene, können Dinge eine feste Internet-Adresse haben, müssen es aber nicht. Mitunter verweisen sie auch einfach, zum Beispiel über einen Barcode, auf Dienste oder Inhalte im Internet. Das ist ein wichtiger Punkt, meinen die Gartner-Analysten, denn so kann fast jedes identifizierbare Objekt Teil des Internet werden, auch ohne eigene IT oder Stromversorgung.
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PCs und mobile Geräte sind prinzipiell in der Lage, sich mit allen Arten von Geräten zu verbinden. Dinge werden oft wohl nur für einzelne Aufgaben und dann auch nur für eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung ausgelegt sein.
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Ein lokal begrenztes Internet der Dinge kann auch dazu dienen, Zugänge und Sicherheit zu kontrollieren - vergleichbar mit einem herkömmlichen Intranet, das verwendet wird, um den Zugang zu bestimmten Ressourcen und Informationen zu beschränken.
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Das Internet der Dinge besteht aus einer Topologie von Services, Anwendungen und einer Verbindungs-Infrastruktur, die meistens drahtlos ist.
Wenn Dinge miteinander kommunizieren, wird das zu einer regelrechten Explosion an Daten führen, schätzen die Gartner-Autoren Mahoney und LeHong, und das klingt logisch, denn die Zahl der internet-fähigen Geräte wird sich dramatisch erhöhen. All diese Geräte werden miteinander Daten austauschen oder einseitig aussenden. Bis 2020, wenn das Internet der Dinge nach Einschätzung der Analysten der Normalfall sein wird, werden Gegenstände mehr Transaktionsdaten erzeugen als herkömmliche PCs oder mobile Kommunikationsgeräte.
Menge der Daten wird explodieren
Dinge können in unterschiedlicher Art und Weise interagieren, benötigen dafür aber nicht unbedingt eigene Intelligenz in Form von integrierten Schaltkreisen. Die Autoren ziehen als Beispiel die Parkuhr heran: Für die "Besetzt"-Meldung reicht ein einfacher Sensor. Schon das Hinzufügen kleiner Funktionen, etwa der Fähigkeit, das Ende der Parkzeit zu melden, steigert den Wert der dinglichen Kommunikation.
Um in diesem Sinne einen echten Mehrwert zu liefern, benötigt die Parkuhr also weder Intelligenz noch die Fähigkeit, Daten oder Befehle zu empfangen und zu verarbeiten. Vielmehr reichen einfache Sensoren, um aus einer dummen eine wirklich nützliche Parkuhr zu machen.
Wer als CIO für sein Unternehmen solche Beispiele einfacher Interaktion zwischen Dingen studiert, kann, so hofft Gartner, leicht eigene Projektideen daraus entwickeln. Auch für die Realisierung solcher Pilotprojekte reichen möglicherweise schon einfache Sensoren aus, die keine eigene Prozessorleistung benötigen, sondern allenfalls einen Empfänger im Rechenzentrum, der die einlaufende Daten verarbeiten kann. Der Unterschied zu herkömmlicher Mess- und Regeltechnik ist der, dass keine direkte Verbindung zwischen Sender und Empfänger mehr nötig ist, um zu interagieren.
Dabei ist es wichtig, zwei Charaktermerkmale des Internet der Dinge zu berücksichtigen: Zum einen geht es darum, welche Informationen über das Internet gesendet werden. Das können Informationen über den Gegenstand selbst sein ("Parkuhr besetzt"), aber auch Informationen über die Umgebung (etwa den Standort), oder über eine Veränderung des Standorts. Dann gibt es aber auch Dinge, die gar nichts von sich preisgeben, was über einen statischen Barcode hinausgeht.
Andererseits muss man wissen, wie Dinge interagieren können. Manche Gegenstände können als autonome Objekte miteinander in Kontakt treten, als antwortende Objekte oder als passive Gegenstände ohne eigene Intelligenz.
Eine Maschine mit computerähnlicher Intelligenz und Sensorik verfügt prinzipiell über eine große Bandbreite an möglichen Aktionen. Eine Lichtanlage mit Internetverbindung dagegen wird nicht viel mehr tun, als sich ein- oder auszuschalten oder bestimmte Beleuchtungsprogramme aufzurufen.
Eine Reaktion auf die Lichtverhältnisse der Umgebung ist vielleicht nicht möglich. Rein passive Objekte, eine Packung Nudeln beispielsweise, haben überhaupt keine Aktionsmöglichkeiten, können aber über Barcodes bestimmte Statusmeldungen über das Internet senden.
Wert der Information hängt nicht an der Intelligenz
Der Wert der Information, die durch Dinge ausgesendet werden, hängt übrigens nicht daran, wie autonom dieses Ding agiert. Tatsächlich brauchen viele Gegenstände überhaupt keine eigene Intelligenz, denn die könnte auch direkt aus dem Internet kommen. So bräuchte etwa ein Lichtsystem keinen Sensor, der meldet, ob es dunkel ist; das Internet weiß das auch so.
Mit diesem Wissen können CIOs nun Business-Modelle für ihren eigenen Beitrag zum Internet der Dinge entwickeln. Dabei wird es natürlich zunächst um Ideen gehen, in fortgeschrittenem Stadium aber auch etwa um die Fragen, welche Intelligenz die einzelnen Bestandteile wirklich benötigen und ob diese Intelligenz eventuell zentral vorgehalten werden kann. Letzeres würde die Komplexität und damit die Kosten solcher Projekte deutlich verringern helfen. Auch die Bandbreite, die für den Austausch von Daten oder Befehlen nötig ist, lässt sich verringern, wenn die meiste Intelligenz auf Steuerseite vorgehalten wird.
Empfehlungen für CIOs
Heute sind CIOs für fast alle Internet-relevanten Technologien im Unternehmen verantwortlich, egal, ob Intranet, E-Commerce-Schnittstellen oder die Infrastruktur für Mobility-Lösungen. Das wird sich durch das Internet der Dinge nicht ändern. Aber CIOs und ihre Teams müssen sich an die Spitze der Bewegung setzen, um aufgrund ihrer technischen Expertise Impulse geben zu können, meint Gartner.
Gerade weil das Internet der Dinge noch so unterentwickelt ist, empfehlen die Analysten IT-Leitern, sich für den Moment auf die Entwicklung von Konzepten und Pilotprojekten zu konzentrieren. Dabei könnte es um die Verbesserung oder Transformation bestehender Produktlinien gehen, aber auch um neue Angebote, Services oder Geschäftsmodelle.
Dafür sollten CIOs bis Mitte 2012 mindestens einmal zwei Manntage investieren. Die sollten in einen Rahmenplan für den Umgang mit dem Internet der Dinge gehen. Zudem bräuchten CIOs einen Kommunikationsplan, der dazu dient, andere Mitarbeiter mit ins Boot zu holen. Schließlich sollten sie sich bemühen, auch mit den Geschäftsverantwortlichen über die Möglichkeiten des Internet der Dinge zu kommunizieren und ihnen Appetit auf das zu machen, was möglich ist. Das mittelfristige Ziel sollte sein, mindestens drei Pilotprojekte zu initiieren, um das Internet der Dinge tatsächlich auszuprobieren und Erfahrungen für den weiteren Umgang zu finden.