Der neue Posten des "Senior Vice President of Technology and Operations" schießt in Firmen aller möglichen Branchen aus dem Boden. Das beobachtet Martha Heller vom auf die Vermittlung von Führungskräften spezialisierten Unternehmen ZRG aus Boston. Darin zeige sich ein neuer Grad an organisatorischer Integration von IT und Business, wie Heller in einem Beitrag für unsere amerikanische Schwesterpublikation CIO.com schildert. Die Karrieremöglichkeiten für den CIO verändern sich.
Den Gebrauch der Formulierung "IT und Business" habe sie immer schon eigenartig gefunden, schreibt Heller. Mit dem Wörtchen "und" - eigentlich ein Zeichen für Verbindung und Einheit - bringe man in diesem Fall meist noch eine Trennung zum Ausdruck: hier das Business - dort die IT. Mittlerweile allerdings bemühten sich mehr und mehr Firmen, diese Spaltung zu überwinden.
In manchen Betrieben gibt es bereits Manager, die einer aus IT und Business verschmolzenen Abteilung vorstehen. Andernorts bleiben die Organisationseinheiten getrennt, aber eine Führungskraft trägt Verantwortung für geschäftliche wie auch technische Belange.
Eine solche Doppelrolle füllt zum Beispiel Pat McNamee beim Pharmagroßhändler Express Scripts aus. 2005 wurde er dort zunächst CIO und Senior Vice President - also Mitglied des Spitzenmanagements. Zwei Jahre später wurde er ernannt zum Senior Vice President of operations and technology In dieser Funktion war McNamee gleichermaßen verantwortlich für die IT wie auch Dienstleistungen für Kunden und Patienten. Kurz darauf wurde er befördert zum Executive Vice President of operations and technology. In seiner derzeitigen Rolle steht er einer integrierten Abteilung aus 1.200 IT-Fachleuten und mehr als 5.800 Business-Mitarbeitern vor.
"In der IT hatten wir unsere Zuverlässigkeit und die Fähigkeit, neue Anwendungen zu entwickeln, schon deutlich verbessert - doch die Verbindung zwischen dem, was unsere Systeme leisten konnten, und ihrem Einfluss auf die operative Effektivität war schlecht", erinnert sich der Manager. Vor diesem Hintergrund entschied sich der CEO, die Informationstechnologie mit dem Business zusammenzubringen. Die Idee dahinter: Eine Mannschaft, die gleichzeitig technische und geschäftliche Ziele im Auge behält, soll Veränderungen schneller umsetzen können.
Verpflichtung zu Best Practices
Vorher arbeiteten die örtlichen Niederlassungen des Unternehmens häufig mit jeweils eigenen Prozessen etwa zum Bestellungsmanagement. Im Zuge der Integration überprüfte McNamee alle Standorte und machte dabei eine Handvoll Best Practices ausfindig. Außerdem erstellte er eine für alle Standorte gültige Anwendungs-Roadmap. Beides erklärte McNamee zum verpflichtenden Standard.
Aufgabe eines CIOs ist es dem Manager zufolge, seine Arbeit richtig darzustellen: Als reine Kostenstelle dürfe die IT nicht angesehen werden. Stattdessen gelte es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie das IT-Budget möglichst strategisch und rentabel angelegt werden könne. "Denn dann sprechen die Leute plötzlich nicht mehr über Infrastruktur, sondern sehen den CIO als Pionier beim Vorantreiben operativer Verbesserungen", ist McNamee überzeugt. Wer weniger als Befehlsempfänger sondern als Vorantreiber agiere, komme der neuen, integrierten Rolle des CIO schon ziemlich nahe.
Integrierter Ansatz gegen Probleme im Call Center
Auch Mark Goldin erfuhr beim Finanzdienstleister Greent Dot, wie seine ursprüngliche Rolle als CIO auf geschäftliche Aufgaben erweitert wurde. Ein halbes Jahr nach seinem Eintritt ins Unternehmen wurde ihm zusätzlich die Verantwortung für die Kundenbetreuung, Logistik und die Lieferkette übertragen. Anfang dieses Jahres dann erweiterte der CEO Goldins strategische Rolle abermals und machte ihn zum Chief operations and technology officer.
Green Dot ist ein noch junges Unternehmen, das schnell wächst. Als der 1999 gegründete Finanzdienstleister immer mehr Kunden bekam, geriet irgendwann der Betrieb in den Call Centern ins Schlingern. "Der Geschäftsleitung war anfangs nicht klar, ob es technische Probleme gab, oder ob das Management versagte", berichtet Goldin. Auf Geheiß des CEOs sollte er sich umfassend um die Schwierigkeiten kümmern.
Goldin setzte sich mit dem für die Kundenbetreuung zuständigen Vice President zusammen und entwickelte mit ihm gemeinsam eine neue Strategie für die Call Center.
In der zusammengeführten Abteilung machten die IT-Fachleute 70 Prozent der Belegschaft aus. Einigen der höheren Führungskräfte aus der bisherigen Call Center-Abteilung drängte sich der Verdacht auf: "Jetzt arbeite ich also auch für die IT." Das war nicht die Wahrnehmung, die sich Goldin gewünscht hatte. "Gleichzeitig konnte ich mich aber nur schwer von der Rolle des CIO trennen", bekennt er.
Einen neuen CIO einstellen
Am besten wäre es in dieser Situation gewesen, einen neuen CIO einzustellen, sagt Goldin jetzt. Dann hätte man den Mitarbeitern leichter vermitteln können, dass die IT-Abteilung nicht einfach den Call Center-Bereich absorbiere, sondern dass es sich um einen Integrationsprozess auf gleicher Augenhöhe handle.
Wer neu in die erweiterte Rolle eines CIO schlüpfe, solle anfangs nach einem schnellen Erfolg Ausschau halten, rät Mark Goldin seinen Fachkollegen. "Nachdem die Neuerungen im Call Center schnell Erfolge erbracht hatten, hatte ich Zeit, mich auf andere Bereiche zu konzentrieren, und auf Feldern herumzuprobieren, von denen ich anfangs nur wenig Ahnung hatte", sagt er.
Doppelte Verantwortung in einer Hand
Dass es sinnvoll sein kann, die Verantwortung für IT und operatives Geschäft in die Hände einer einzigen Führungskraft zu legen, betont Rob Autor vom Studienkredit-Anbieter Sallie Mae in Massachusetts. "Sowohl bei der IT als auch bei unserem eigentlichen Geschäft, der Finanzdienstleistung, handelt es sich um Dienstleistungen", begründet er. Beide erforderten ein hohes Maß an Disziplin bei der Gestaltung von Prozessen.
Verantwortung für Gewinn und Verlust
"Und da die meisten Kunden uns ja letztlich über unsere Technologie wahrnehmen, müssen wir genau darauf achten, dass IT und Finanzdienstleistung Hand in Hand funktionieren - der Kunde soll keine Nahtstellen wahrnehmen", meint der Executive Vice President of operations and technology. Autors Zuständigkeit erstreckt sich von der Verantwortung für die IT über den Betrieb der Service und Call Center bis hin zur Beschaffung. Rob Autor trägt auch die volle Verantwortung für Gewinne und Verluste beim Geschäft mit Bürgschaften und beim Verkaufsgeschäft mit Geldinstituten.
In seiner Rolle konnte Autor die gesamten Kosten bei dem Finanzdienstleister um ein Fünftel senken und das Geschäft umfassend umstrukturieren. Um eine Funktion wie er - als CIO auch mit Business-Aufgaben - auszufüllen, müsse man die Funktionsweise von IT und Business verstanden haben, sagt der Manager. "Immer wenn ich hauptsächlich mit IT zu tun hatte, habe ich mich auch um die dazugehörenden geschäftlichen Aspekte gekümmert", sagt Rob Autor. Gleichzeitig Verantwortung für IT und Business zu tragen, sei zwar auch eine große Belastung, aus der man aber viel machen könne. "Sie können zeigen, dass sie die Erwartungen auch bei großen, komplexen und teuren Projekten erfüllen können", meint Autor.