Eigentlich ist die Lage ja eindeutig: VMware dominiert ziemlich unangefochten den Markt für Virtualisierungsprodukte. Und die Gründergeneration von VMware war es auch, die gegen Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts auf die Idee kam, die Virtualisierungstechnologie aus der Welt der Mainframes und Unix-Server in die Sphäre der damals noch eher schmalbrüstigen x86-Rechner zu übertragen.
Erst danach haben Konkurrenten wie Citrix, Microsoft, Red Hat und andere damit begonnen, dem Pionier nachzueifern. Mit mäßigem Erfolg bis zu diesem Tag.
Citrix hatte sich bis vor kurzem sogar damit zufrieden gegeben, in der Nische von Desktop-Virtualisierung ein Revival des alten Thin Client Computing zu versuchen, neben dem Bereich des Application Streaming. Mehr wolle man gar nicht.
Auf der Anwenderkonferenz Synergy, die im Oktober in Berlin stattfand, holte man dann überraschend zum Paukenschlag aus und erklärte sich zum Architekten einer Cloud-fähigen, voll virtualisierten IT-Infrastruktur vom Client bis zum Server.
Im Marketing bisher nicht so auftrumpfend, ist Citrix jetzt bestrebt, ebenso vollmundig wie die Leute von VMware aufzutreten. So erklärte Wes Wasson, Chief Marketing Officer von Citrix, in einer Telekonferenz: "Virtualisierung besteht nicht nur aus einer virtuellen Maschine. Es geht vielmehr darum, die gesamte Ausrichtung eines Unternehmens zu verändern. Es geht um virtuelle Meetings, virtuelle Desktops, virtuelle Rechenzentren." Man wolle bei Citrix jetzt die besten Seiten von Virtualisierung nehmen und sie für sämtliche Bereiche der Arbeit im Unternehmen fruchtbar machen, fuhr Wasson fort.
Citrix trumpft mit Feature-Ankündigungen auf
Ganz in diesem Sinne kündigte Citrix eine ganze Palette von neuen Features für XenDesktop 5, einschließlich eines Bare-Metal-Hypervisors, mit dem Mitarbeiter ihre eigenen IT-Geräte in das Firmennetz integrieren können.
Ebenfalls vorgestellt wurde eine Technologie namens "XenVault", mit der die Mitarbeiter Datensicherung und Backup auf ihren eigenen Geräten durchführen können. Auch hier im Sinne des "Bring-your-own-Computer" (= BYOC).
Beim Cloud Computing führt Citrix einen eigenen virtuellen Switch ein (VMware und Cisco bieten so etwas schon länger an) sowie Funktionen für die Vergabe von Zugriffsrechten, Security und firmeneigenen Policies. Ziel ist es, den Anwendern ein "Single Sign-on" für alle Ressourcen vom iPad bis hin zur ERP-Software, die in einer Public Cloud läuft, zur Verfügung zu stellen.
Chris Wolf, Analyst bei Gartner, weist darauf hin, dass Citrix jetzt im gleichen Pressekonferenz-Ton auftritt wie VMware. Beide seien in dieser Hinsicht kaum noch zu unterscheiden und beide kündigen Sachen an, die erst Monate später endgültige Produktreife erreichen.
Citrix tritt zudem mit der Aussage auf, Desktop-Virtualisierung erfunden zu haben. Dem widerspricht VMware heftig und reklamiert dies für sich selbst. Laut Vittorio Viarengo, Vice President für Desktop-Produkte bei VMware, sei Citrix nicht nur später dran gewesen, sondern habe auch jede Menge von VMware kopiert.
Wer hat den virtuellen Desktop erfunden?
Für Wolf von Gartner war VMware tatsächlich der erste Hersteller, der einen virtuellen Desktop auf einem Server einrichtete. Citrix sei es aber dann gelungen, seine Erfahrungen bei Terminal-Servern und Application Streaming in die Desktop-Virtualisierung einzubringen. Und auf der Client-Seite sei Citrix heute führend bei der Integration der unterschiedlichsten Endgeräte und Komponenten.
Bei ihrer Marketingschlacht besteht die Gefahr, dass Citrix als auch VMware die Bedürfnisse der Unternehmen etwas aus den Augen verlieren. Wolf erinnert daran, dass es darum gehe, den Anwendern ihre Applikationen auf dem bestmöglichen Weg zugänglich zu machen. Es dürfe sich nicht darum drehen, bloß den IT-Leuten oder den Entwicklern zu gefallen.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.