Die Analysten von Gartner überschlagen sich fast vor Superlativen, wenn sie vom Cloud Computing sprechen. Parallelen zur industriellen Revolution wollen sie erkennen. Das Konzept sei ein großer Schritt in der Evolution der Geschäftsprozesse in Unternehmen. Ähnlich großen Einfluss wie einst das Aufkommen von E-Business soll der noch junge Ansatz haben.
Gartner definiert Cloud Computing als neuen Ansatz, bei dem ein Anbieter seinem Kunden in hohem Maße skalierbare Kapazitäten an Rechenleistung oder zur Informationsverarbeitung übers Internet zur Verfügung stellt.
Gartner schlüsselt das Konzept in vier typische Merkmale auf. Zum einen das der Dienstleistung: Der Kunde erhält nicht bestimmte Systemkomponenten, sondern bekommt eine Dienstleistung. Er bezahlt für die Nutzung eines Service, nicht für greifbare Produkte. Charakteristisch für Leistungen aus der Wolke des Cloud Computing ist zweitens deren massive Skalierbarkeit. Ihre massenhafte Bereitstellung macht die Dienste besonders günstig. Das hält die Schwelle für Anwender, eine Leistung zu nutzen, niedrig.
Das dritte Prinzip, das Gartner zufolge im Cloud Computing steckt, ist die Nutzung des Internet. Die Bereitstellung der Dienste übers Web bringe es mit sich, dass Services in überall vorhandenen und weltweit akzeptierten Standards angeboten würden. Zuletzt ist auch die Bereitstellung von Diensten für eine Vielzahl externer Nutzer typisch für den Ansatz des Cloud Computing. Dabei kommen gemeinsame Ressourcen zum Einsatz, was die zuvor genannten Kostenvorteile noch erhöht.
Um die Entstehungsgeschichte des Cloud Computing zu erklären, schaut Gartner auf die jüngste Vergangenheit zurück. Die Industrialisierung habe in den vergangenen 15 Jahren Einzug in die Informationstechnologien gehalten: Technologien werden standardisiert und für den Masseneinsatz angeboten. Weitere Voraussetzungen seien Virtualisierung, das Aufkommen service-orientierter Architekturen und das immense Wachstum der Inernet-Nutzung in der letzten Zeit gewesen.
Orientierung am Endkunden siegt
Nach Ansicht von Gartner wird Cloud Computing den Markt gehörig umwälzen. Die Auswirkungen für die traditionellen Software-Anbieter könnten gewaltig sein. Am reifsten für einen vom Cloud Computing geprägten Markt sind demnach Anbieter, die schon in den vergangenen Jahren ihre Orientierung am Endkunden stark ausgebaut haben. Diese seien am ehesten in der Lage, eine Plattform für das neue Konzept aufzubauen. Ganz anders Firmen, die Gartner als business-orientiert bezeichnet. Diese hinkten häufig hinterher, was den Aufbau von fürs Cloud Computing nötigen Web-Plattformen angehe.
Die Art, wie Anbieter Verträge mit ihren Kunden aushandeln und Dienste bereitstellen, wird sich durch Cloud Computing grundlegend ändern, ist Gartner überzeugt. Software-Lizenzen zu kaufen und ein Programm auf den Rechnern im Unternehmen zu installieren, sei demgegenüber ein überholtes Modell. Stattdessen fällt unter den Begriff Cloud Computing ein Ansatz wie Utility Computing, wobei ein Anbieter seinem Kunden etwa Speicherplatz oder Serverkapazität zur Verfügung stellt. Auch das Konzept Software as a Service ist Gartner zufolge ein Beispiel für ein industrialisiertes Modell der IT-Dienstleistung.
Dienste von Rechenleistung bis Speicherkapazität
Beim Cloud Computing können einem Anwender nach dem Verständnis von Gartner alle möglichen Formen von IT-Diensten angeboten werden: Rechenleistung ebenso wie Speicherkapazität - und zwar ohne, dass der Kunde selbst immer größere Speichernetzwerke oder Rechenzentren einrichten muss.
Was der Verweis auf im Vergleich zu Cloud Computing nicht mehr ganz taufrische Begriffe wie SaaS und Utility Computing nahelegt, räumt Gartner ohne Umschweife ein: Eigentlich seien die Grundlagen, auf denen Cloud Computing aufbaue, gar nicht neu.
Die Experten betonen, dass ein Kunde beim Cloud Computing Ergebnisse geliefert bekomme - und nicht etwa bestimmte Komponenten, um damit Ergebnisse zu erzielen. Deshalb komme es auch nicht zu Problemen rund um die Implementierung neuer Technologien. Bei der Entscheidung für einen bestimmten Dienst gehe es hingegen um Faktoren wie Preis, Leistung, Dienstqualität, Vertrauen, Notfallmaßnahmen oder Sicherheitsgarantien.
Öffentliche Wolke bis 2011
Um Dienste überall anbieten zu können, sollte idealerweise eine große allgemeine "Wolke" entstehen. Diese eine öffentliche Wolke wird es nach Ansicht der Marktforscher im Jahr 2011 geben, neben vielen kleinen privaten Wolken. Letztere könnten beispielsweise innerhalb von Firmen bestehen, die das Konzept Cloud Computing intern nutzen wollen, aber ihre Ressourcen nicht mit Außenstehenden teilen möchten.
IT-Abteilungen, die auf Cloud Computing setzen wollen, rät Gartner zur vorsichtigen Abwägungen vorab. Weil der Ansatz noch neu sei, gebe es bisher keinen reichen Erfahrungsschatz von Anwendern. Wichtig: Vor allem bei geschäftskritischen Anwendungen dürfe man keinesfalls auf Service Level Agreements (SLA) mit dem Anbieter verzichten. Dabei sollte mit dem Anbieter unter anderem ausgehandelt werden, innerhalb welcher Zeit der Support Probleme zu beheben hat oder wie viele Ausfälle innerhalb bestimmter Zeiträume hinnehmbar sind.
Verfügbarkeit wichtig
Vor allem die Verfügbarkeit sollte Gartner zufolge ein wesentliches Kriterium bei der Entscheidung für einen bestimmten Dienst sein. Achten muss ein IT-Manager deshalb darauf, wann ein Dienst nicht zur Verfügung steht. Er sollte vorher abklären, ob es etwa wegen Wartungsarbeiten zu längeren Ausfallzeiten kommen könnte und ob sich diese in Absprache planen lassen. Ein Anbieter der Spitzenklasse müsse eine Verfügbarkeit von 99,95 Prozent oder eine Ausfallzeit von höchstens fünf Stunden im Jahr gewährleisten.
Besonderes Augenmerk verdient auch die Planung der Kapazitäten. Schließlich könne es vorkommen, dass eine Leistung in größerem Umfang benötigt werde als zuvor geplant. Um das festzustellen und Hinweise zu bekommen, wann die verfügbaren Kapazitäten eines Dienstes erhöht werden müssen, könne der Blick auf vorher definierte SLAs helfen.
Ratsam ist es den Marktforschern zufolge zudem, Katastrophenszenarien zu definieren und festzulegen, wie und innerhalb welcher Zeit der Anbieter Abhilfe zu schaffen hat.
SLAs und Sanktionen festlegen
Damit die ausgehandelten Bedingungen auch eingehalten werden, sind wirksame Sanktionen notwendig. Und genau hier mangelt es den Beobachtungen der Gartner-Analysten zufolge häufig. Bei kaum einem Anbieter gebe es im Falle nicht erreichter SLAs wirklich erhebliche Strafzahlungen. Darauf müsse ein Unternehmen bei der Aushandlung von Verträgen aber achten: Die Vertragsstrafe muss so hoch sein, dass der Anbieter sie auf jeden Fall vermeiden will und die verlangte Leistung zu erbringen bereit ist. Auf Klauseln wie "ein Monat kostenlose Bereitstellung für jedes nicht erreichte SLA" sollten sich Firmen jedenfalls nicht einlassen.
Verträge über mehrere Jahre sollte ein IT-Manager nicht unterschreiben. Die Kosten von Cloud-Diensten und deren Wert fürs Unternehmen änderten sich ständig und sollten deshalb alle zwölf Monate neu ausgehandelt werden.
IT-Abteilung einschalten
Ohne Wissen der IT-Abteilung sollten Anwender Cloud-Services nicht nutzen. Sonst könnten unvorhergesehene Kosten und Risiken auf ein Unternehmen zukommen. Gartner führt das soziale Netzwerk Facebook als Beispiel an, über das sich mittlerweile viele Personalabteilungen über Bewerber kundig machen. Die IT-Abteilung sollte davon nicht erst erfahren, wenn sich Nutzer wegen Problemen mit der Anwendung an sie wenden.
Gartner hat die Ausführungen unter dem Titel "Cloud Computing Confusion Leads to Opportunity" veröffentlicht. Der Bericht besteht aus 13 Artikeln zu verschiedenen Aspekten des Cloud Computing.