Belastbare ROI-Szenarien fehlen noch

Cloud Computing sucht CFOs

14.07.2010 von Werner Kurzlechner
Rentiert sich Cloud Computing? Auf den ersten Blick auf jeden Fall, aber tiefer gehende Kalkulationen fehlen bislang. Analysten von Capgemini entwickeln dafür einen ersten Rahmen, während Anbieter das Business vom Modell überzeugen wollen.

Für CIOs ist Cloud Computing schon lange ein heißes Thema. Mittlerweile versuchen die Anbieter jedoch, speziell CFOs in den Mittelpunkt ihrer Werbung zu stellen. „Lieber CFO, Ihre IT-Infrastruktur steht am Beginn einer wichtigen Veränderung“, umgarnt beispielsweise enStratus die Finanzchefs. Gespräche mit dem CIO über das Auslagern in die Wolke sollten so schnell wie möglich geführt werden.

Das Problem dabei: Die Kampagne zielt bislang mit Wucht auf die Intuition der Zahlenstrategen. Im Groben ist die Überzeugungskraft der Auslagerung in die Cloud ja unbestritten: die Möglichkeit drastischer Kostensenkungen durch signifikante Reduzierung der Ausgaben für Server, unbenötigten Speicherplatz und sogar Strom bei sogar höherer Effizienz der in Anspruch genommenen IT-Dienstleistungen aus Business-Sicht. Leider können die Hersteller ihre These bislang nicht mit validen Berechnungen unterfüttern.

„Die Hersteller und Dienstleister arbeiten mit Hochdruck an tragfähigen Lösungen und belastbaren ROI-Szenarien“, stellte IDC-Analyst Rüdiger Spies in einer Prognose zu Jahresbeginn fest. Cloud Computing habe das Potenzial, den IT-Markt in seinen Grundfesten zu erschüttern. „Gleichzeitig stehen die Anbieter unter Druck, das richtige Lizenzmodell zu finden und die Sicherheitsbedenken auszuräumen“, so Spies weiter. Eine weitere Bringschuld sei die Anpassung der Cloud-Angebote an die Bedürfnisse von Großunternehmen.

Viel Licht also und auch ein bisschen Schatten. Nach Wunsch der Anbieter sollen die CFOs wenigstens die Sonnenseite in all ihrer Pracht erkennen. Yan Ness, CEO des Service-Anbieters Online Tech, wendet sich mit einem bildhaften Text an die Zielgruppe in den Finanzabteilungen, um den Nutzen eines Private Cloud Service zu veranschaulichen. Der CFO möge sich vorstellen, für den öffentlichen Nahverkehr in einer Metropole zuständig zu sein. Die Aufgabe: Eine Busflotte einkaufen, die den Anforderungen für die kommenden sieben Jahre genügt. Insgesamt würden voraussichtlich 1000 Sitzplätze benötigt, verfügbar seien Fahrzeuge mit 20, 30 oder 50 Plätzen. Viel Spaß beim Ertüfteln des optimalen und nachhaltigen Einkaufszettels, wünscht Ness.

Im Gegensatz dazu möge man sich 1000 virtuelle Bussitze vorstellen, die man jederzeit beliebig arrangieren könne. Zur Messezeit pendeln dann vier 200-Sitzer zwischen Hotels und Veranstaltungsort; während der Sommerferien sind problemlos nur Busse mit halber Kapazität unterwegs. Genau so wie dieses ultraflexible Transportsystem funktioniere Cloud Computing, schreibt Ness: „Der Traum eines jeden IT-Finanz-Managers wird wahr.“

Metriken für Business erarbeiten

An Strahlkraft und Gehalt solcher Szenarien zweifelt auch Mark Skilton, Global Director bei Capgemini Global Applications Outsourcing, in einem auf unserer amerikanischen Schwesterpublikation CIO.com veröffentlichen Beitrag nicht. Der etwa von Amazon Web Services propagierte absolute Einklang von Kapazitäten und ihrer Nutzung werde sich bald zu einem stilbildenden Modell entwickeln, vermutet Skilton. Der Haken: Die Sicht auf IT-Kapazitäten, gemessen etwa durch Indikatoren wie Speicherplatz oder CPU-Zyklen, und IT-Nutzung, gemessen etwa anhand von Uptime-Zugänglichkeit, sei allzu sehr durch die Brille von Technologie-Anbietern geprägt.

Für Business-Vertreter wie den CFO müsse die Kurve aus Kapazität und Gebrauch in Metriken für den Geschäftsnutzen übersetzt werden. Skilton nennt dafür acht Ansatzpunkte:

1. Change-Rate und –Geschwindigkeit: Kostensenkungen lassen sich in der Wolke besonders schnell realisieren. Darüber hinaus können zusätzliche Transformationsgewinne eingestrichen werden, indem Entscheidungen durch Nutzung vorgefertigter Services und einer schnellen Transitions-Rate ohne Verzögerung getroffen werden können. Attraktiv ist dies inbesondere dann, wenn trotz Mangel an Ressourcen und Zeit Business Improvement-Programme greifen sollen.

2. Optimierung des Total Cost of Ownership: Ist möglich, weil die Anwender nach den jeweiligen Business-Anforderungen Infrastruktur und Anwendungen auswählen und anpassen können.

3. Schnelle Beschaffung: Die Ressourcen können nach Bedarf hoch und herunter gefahren werden – und zwar innerhalb von Stunden.

Heikler Punkt Compliance

4. Größere Gewinnspannen und bessere Kostenkontrolle: Gelingt das, entstehen Freiräume für strategische Weiterentwicklungen wie die Jagd nach neuen Kunden, die Eroberung von Marktanteilen und Service-Optimierung.

5. Dynamische Nutzung: Elastische Beschaffung und Service-Management-Ziele sorgen dafür, dass neue Lösungen bei verändertem Bedarf der User schnell entwickelt werden.

6. Risk und Compliance: Skilton hält hier ein Verbesserung durch Shared Service für Möglichkeit. Grundsätzlich darf dieser Punkt als eine verwundbare Stelle in der Cloud Computing-Euphorie gelten, der gerade CFOs vorsichtig stimmen dürfte. Die Angst vor dem Verlust sensibler Daten in der Cloud ist ebenso vorhanden wie viele rechtliche Fragen ungeklärt. Experten raten deshalb, im Zweifel auf juristischen Rat zu vertrauen.

7. Gesteigerte Ausnutzung der IT-Kapazitäten: IT-Services werden so gut wie möglich auf Business-Anforderungen abgestimmt.

8. Zugang zu verbesserten Funktionalitäten: Neue Lösungen sind bei Bedarf in der Wolke stets verfügbar.

Gefahr einer "Schatten-IT"

Für den Capgemini-Analysten Skilton könnten die genannten Indikatoren Basis einer „Scorecard“ sein, mit deren Hilfe Unternehmen den Nutzen von Cloud Computing für sich bewerten können. Ein Hilfsrahmen also, bis elaboriertere Verfahren verfügbar sind.

Im Moment haben die Schatten der Wolke zum Teil noch unscharfe Konturen. So bestehen weithin Sicherheitsbedenken, während etwa Andrew Milroy, ICT Director bei Frost & Sullivan in Australien und Neuseeland, das Gegenteil erkennt. Seine These: Cloud Computing könne die Security-Kosten senken, weil Daten in der Wolke sicherer aufgehoben seien als etwas auf tragbaren Geräten wie Laptops und Smartphones.

Die viel beschworene neue Flexibilität zeigt sich bereits dadurch, dass einzelne Abteilungen schon jetzt speziellen Service-Bedarf an der IT-Abteilung vorbei decken. Das ärgert CIOs, die sich um die Konsistenz ihrer IT-Infrastruktur sorgen, und so mancher CFO teilt die Bedenken über eine wildwuchernde „Schatten-IT“.

Die Analysten von Deloitte warnen speziell CFOs vor zwei Gefahren neben dem Sicherheitsrisiko: Weil verschiedene Cloud-Anbieter zum Teil nicht kompatible Betriebssysteme und Prozesse nutzen, kann die Migration von der einen zur anderen Wolke schwierig und teuer werden. Das sollte immer mitbedacht werden, denn die Notwendigkeit eines Anbieterwechsels kann sich jederzeit ergeben. Außerdem kann die Zuverlässigkeit der Angebote in der Cloud zum Problem werden. Deshalb sollten sich Kunden vor Vertragsabschlüssen genau über vorgesehene Abläufe im Fall eines Absturzes erkundigen.