Dennoch haben die Unternehmen auch hierzulande die grundsätzlichen Cloud-Prinzipien anerkannt, beispielsweise das reine Betriebskosten-Modell von großen Infrastrukturmengen oder das Arbeiten vieler Mandanten mit einer Anwendung.
Die meisten europäischen Unternehmen verfolgen dabei einen hybriden Ansatz, bei dem Teile eines Geschäftsprozesses in öffentlichen Clouds liegen und andere in privater Infrastruktur. Doch was macht uns bei Forrester Research so sicher, dass hybrides Cloud Computing tatsächlich die neue Form des Enterprise Computing ist?
Alle Technologien durchlaufen im Wesentlichen drei Phasen: die Erkundung, die Rationalisierung und letztlich, Jahre später, die Optimierung. Unseren Umfrageergebnissen zufolge ist die Erkundungsphase abgeschlossen. Die meisten Unternehmen sind heute vertraut mit Cloud-Technologien und dem zugrunde liegenden Geschäftsmodell. Wir sehen inzwischen die typischen Charakteristika der zweiten Phase, der Rationalisierung.
So werden Cloud-Lösungen nun in einigen Bereichen bereits produktiv eingesetzt. Die Käufer orientieren sich stark an den Preisen, sehen aber immer noch Mehrwertdienste der Anbieter als hilfreich an. Für das Modell Infrastructure as a Service (IaaS) bedeutet das: Unternehmen wollen nicht mehr diskutieren, welche Virtualisierung, Prozessorarchitektur oder Abrechnungsverfahren ein Cloud-Anbieter bereitstellt. Die Nachfrage hat sich konsolidiert auf x86-Hardware, virtualisiert mit einem der wenigen Standard-Hypervisor und möglichst zeitnah nach Betriebskosten abgerechnet.
Besonders in Europa spielen Mehrwertdienste im Bereich Security und Privacy eine wichtige Rolle. Vereinfacht gesagt: Unternehmen in Deutschland wollen das, was ihnen Amazon, Microsoft oder Google anbieten, allerdings mit ein bisschen mehr Privatsphäre oder Rechtssicherheit. Forrester geht davon aus, dass wir uns noch einige Jahre in dieser Mainstream-Phase des Cloud Computing befinden werden. Das Wachstum ist derzeit explosiv.
Erst danach kommen wir in die Optimierungsphase, in der ein Großteil der Anwendungen und Ressourcen in die Cloud überführt wird. Dann zählt nur noch der Preis. Man wird dann Effekte sehen wie heute beispielsweise im Server-Markt, wo die einstige Vielfalt der RISC-Server verschwunden ist. In heutigen Rechenzentren findet man nahezu nur noch x86-CPUs.
Self-Service ist der Schlüssel zur Mitarbeitermotivation
Im Zeitalter der Public-Cloud-Dienste, die oft eine Alternative zu den teils antiquierten Angeboten der Corporate IT darstellen, werden traditionelle Governance-Mechanismen nicht mehr funktionieren. CIOs, die versuchen, bestimmte Dienste zu verbieten, werden keinen Erfolg mehr haben. Einige Mitarbeiter werden immer danach trachten, diese Regeln zu umgehen, um schneller oder einfacher an ihr Ziel zu gelangen. Mancher CIO musste das mit dem Bring-your-own-Device-Trend bereits schmerzlich erfahren.
Eine sinnvolle Maßnahme, Compliance und Sicherheit zu fördern, kann das pro-aktive Anbieten von hybriden IT-Services in einer modernen Kombination aus einem IT-Service-Katalog und einem App-Store sein. Forrester bezeichnet das als einen Service-App-Store. Hier lässt sich zum Beispiel ein Filesharing-Dienst anbieten, der bei einem deutschen Provider gehostet wird, um die unsichere Nutzung von Dropbox aus den Unternehmen herauszuhalten. Das Gleiche gilt für die meisten IaaS- und SaaS- Angebote.
Neue Anwendungen profitieren zuerst von der Cloud - danach die IT-Legacy
Forrester hat Enterprise-Applikationen in die beiden Klassen "Systems of-Engagement" und "Systems of Records" unterteilt und damit eine neue Begrifflichkeit geprägt. Bei den Letzteren handelt es sich um meist ältere, firmenkritische Transaktionssysteme. Die Systems of Engagement hingegen sind für die Interaktion mit Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern gebaut. Beide ergänzen sich meistens.
Systems of Records, beispielsweise ERP-Systeme, verändern sich allerdings aus Risiko- und Kostengründen sehr langsam. Systems of Engagement dagegen müssen schnell den veränderten Geschäftsmodellen im Consumer- und B2B-Geschäft folgen. Während 2011 noch 79 Prozent der Investitionen in Systems of Records und nur 18 Prozent in Systems of Engagement flossen, erwarten wir bereits für 2016 einen Trendwechsel. Dann dürfte der größere Teil der Ausgaben, etwa 45 Prozent, in Systems of Engagement fließen, während nur noch 41 Prozent in die klassischen Backend-Systeme gehen.
Die meisten Systems of Engagement entstehen heute aufgrund der benötigten Agilität gleich in der Cloud, während - besonders in Deutschland - klassische ERP-Systeme on Premise betrieben oder via Outsourcing genutzt werden. Der komplette Geschäftsprozess ist damit bereits hybride.
Erst Cloud Computing ermöglicht eine Business-Technologie-Agenda
Forrester bezeichnet die Summe der Aktivitäten, die ein moderner CIO zusätzlich zu den traditionellen IT-Verantwortlichkeiten betreibt, als "Business Technology (BT) Agenda". Gemeint sind Technologien, Systeme und Prozesse, die dazu dienen, Kunden zu gewinnen und zu halten. Während die traditionelle IT-Agenda Kostenreduktion und Effizienz im Auge hat, konzentriert sich die BT-Agenda eines CIO auf den Erhalt und die Steigerung der Umsätze.
Daimlers Mobility-Konzepte rund um Car2Go und Moovel sind gute Beispiel für den Erfolg einer solchen BT-Agenda. Natürlich sind die Umsätze dieser innovativen Mobility-Dienste noch nicht mit dem Volumen des Kerngeschäfts vergleichbar. Wie schnell das aber gehen kann, zeigen uns 55 Milliarden Dollar Transaktionsvolumen auf Paypal pro Quartal. Ebay macht damit so mancher Bank zunehmend Konkurrenz.
Cloud Computing ist einerseits nur moderne Technologie kombiniert mit einem neuen Geschäftsmodell der IT-Branche. Diese Industrialisierung der IT-Branche ermöglicht andererseits aber erst die Evolution des Kerngeschäfts in Rahmen einer BT-Agenda. Hier sieht Forrester die Zukunft des modernen CIO.