ERP-Systeme nehmen eine zentrale Aufgabe in der Unternehmenssteuerung ein. Kapital, Personal, Betriebsmittel, Material, Informations- und Kommunikationstechnik sowie IT-Systeme werden über die Ressourcenplanungs-Software verwaltet. Allerdings geraten klassische ERP-Lösungen in der Industrie 4.0 vermehrt an ihre Grenzen, weil sie zu unflexibel sind. Firmen möchten die im Industrial Internet of Things gewonnenen Daten in die ERP-Systeme integrieren.
Dies ist aber aufgrund des geringen Funktionsumfangs klassischer ERP-Lösungen oft nicht vollumfänglich möglich. Die Folge: Es entstehen sogenannte "Silos" innerhalb des Unternehmens, weil nur IT-Systeme auf die IoT-Daten zugreifen, die nicht miteinander verknüpft sind.
Diese Barrieren lassen sich mit neuen ERP-Modellen überwinden: Industrieunternehmen ist es möglich, ihre existierenden ERP-Systeme über die Cloud mit anderen Applikationen zu verknüpfen. Durch diese Verbindung entsteht eine "hybride" ERP-Umgebung. Das vesetzt die Verantwortlichen in die Lage, neue Geschäftsanwendungen im ERP-Bereich zu etablieren. Die Anwendungen brechen die Silos innerhalb der Firmeninfrastruktur auf, indem sie einen verbesserten Austausch der Daten bieten. Mitarbeiter, Partner und Lieferanten können mit den neuen Anwendungen flexibel interagieren, was zu wesentlich effektiveren Arbeitsprozessen führt - ganz im Sinne von Industrie 4.0.
Mietmodell schont Ressourcen
ERP-Anbieter nutzen die hybriden ERP-Lösungen bereits, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Hybride ERP-Modelle werden üblicherweise als Software as a Service (SaaS)-Systeme angeboten, sprich ERP als praktisches Mietmodell. SaaS-Systeme erlauben Unternehmen, aus verschiedenen ERP-Funktionen auszuwählen und nur den Umfang zu zahlen, den sie wirklich nutzen wollen. Daher haben neue, hybride ERP-Lösungen aus monetärer Sicht einen Vorteil gegenüber traditionellen Lösungen. Denn traditionelle ERP-Software wird meist über ein standardisiertes Lizenzmodell vertrieben, das eine Vorausleistung beziehungsweise Investition für die Anwender bedeutet.
Um die Software zu konfigurieren und individuell an die Anforderungen im eigenen Unternehmen anzupassen, wird darüber hinaus zumeist ein mehr oder weniger hoher Dienstleistungsaufwand nötig. Somit investieren Nutzer klassischer Lösungen bereits für Basisfunktionen viel Zeit und Geld. Da ERP-SaaS-Modelle oftmals weniger als die Hälfte an Implementierungsaufwand in Anspruch nehmen, erzielen Firmen eine wesentlich schnellere Wertschöpfung aus der neuen Software. In den USA bemerken manche ERP-Anbieter bereits einen Umschwung: Die Umsätze mit hybriden SaaS-Systemen haben die Umsätze herkömmlicher Lizenz-ERP-Systeme bereits übertroffen.
Diese Entwicklung wird auch von der Tatsache angetrieben, dass die neuen ERP-Lösungen die Prozesse in diversen Geschäftsbereichen eines Unternehmens optimieren können, beispielsweise in Vertrieb und Marketing, im Lieferantenmanagement und im Human Resources (HR)-Sektor.
Online neue Vertriebskanäle öffnen
Viele Industrieunternehmen besitzen Webseiten, die mit einem Online-Shop gekoppelt sind. Die dortige Verarbeitung von Kundendaten und -informationen ist meist mit traditionellen ERP-Systemen verbunden. Moderne SaaS-ERP-Lösungen öffnen Firmen in diesem Bereich neue digitalisierte Vertriebskanäle. Beispielsweise können Anwender über die verknüpften Enterprise-Anwendungen Kundenumfragen in Social Media-Kanälen durchführen.
Im Allgemeinen lassen sich mit den Anwendungen wesentlich umfangreichere Informationen zu den Kunden erfassen, zum Beispiel detaillierte Analysen zu Kundenzielgruppen, ihren Vorlieben und ihrem Surf-Verhalten in allen Kanälen (Online Shop, Facebook, Twitter, Instagram etc.). Diese Analysen helfen Firmen dabei, Marketing und Vertrieb noch gezielter auszurichten.
Lieferketten optimieren
Ein- und Verkäufer in der Industrie nutzen ERP-Systeme, um mit Geschäftspartnern zu kommunizieren und ihre Lieferketten zu steuern und zu überwachen. Sie verfügen meist über ein weit verzweigtes internes Netzwerk, in dem das komplette Auftragswesen von A bis Z digital festgehalten wird. Durch eine Verbindung der ERP-Systeme und des Auftragswesens mit hybriden Applikationen kann man die Kommunikation mit den Lieferanten noch direkter gestalten - entsprechend dem Leitbild von Industrie 4.0.
Die komplette Wertschöpfungskette von der Ausschreibung über den Zukauf bis hin zur Verwaltung von Verbindlichkeiten und Forderungen lässt sich so transparenter darstellen als es mit traditionellen ERP-Systemen möglich ist. Darüber hinaus sind Nutzer in der Lage, mit der neuen ERP-Lösung die eigenen Auftragsbearbeitungsprozesse tiefer und detaillierter zu analysieren. Aus diesen Analysen können Einkäufer anschließend einen konkreten Optimierungsbedarf für einzelne Bereiche ableiten.
Mobile Features erhöhen Produktivität
Kein Unternehmen ist produktiv, wenn die Mitarbeiter nicht bestmöglich eingebunden werden beziehungsweise nicht die Werkzeuge zur Verfügung haben, die sie für produktive Prozesse benötigen. Traditionelle ERP-Systeme stellen Mitarbeitern vielerorts die gleichen, typischen Funktionen bereit, zum Beispiel Portale zum Eintragen von Erfassungszeiten einzelner Aufgaben sowie zum Erstellen von Kostenberichten. Diese Funktionen reichen im Industrie 4.0-Umfeld jedoch nicht mehr aus.
Neue, hybride ERP-Systeme erweitern die Möglichkeiten, indem sie unter anderem HR-Programme in die Ressourcenplanung einbinden und via Applikation eine mobile Ansicht erlauben. Über die Applikation wäre es Personalabteilungen von Industrieunternehmen also möglich, flexibel und ortsunabhängig Zuweisungen zu verteilen, Gutachten anzufertigen oder Vergütungspläne mit Mitarbeitern zu teilen. Im Gegenzug könnten Mitarbeiter komfortabel ihre Stundenzettel einreichen.
Integrationsmöglichkeiten sind ein kritischer Erfolgsfaktor
Um hybride ERP-Lösungen bzw. die daraus resultierenden, neuen Anwendungen in den Geschäftsalltag zu integrieren, müssen die Anwendungen erst einmal mit den bestehenden Back Office ERP-Systemen verbunden werden. Für Firmen ist es wichtig, vorab zu klären, ob das IT-System auch kompatibel zu den ERP-Systemen von Kunden und Lieferanten ist. Die Integrationsmöglichkeiten sind ein kritischer Erfolgsfaktor, um die Vorteile von hybriden ERP-Lösungen wirklich ausschöpfen zu können.
ERP-Anbieter haben bereits reagiert und wollen die Integration von ERP-Systemen mit anderen IT-Systemen vereinfachen. Dazu bieten sie spezielle Integrationssoftware als Teil ihrer ERP-Software Suites an. Alternativ werden immer häufiger auch gute Open-Source-Integrationsservices angeboten. Diese sind komfortabel in Public Clouds verfügbar und können den Integrationsprozess stark beschleunigen.
Nach der erfolgreichen Integration sollte Firmen bewusst sein, dass die höhere Transparenz hybrider ERP-Systeme sowie der erweiterte Datenzugriff auch in puncto Security Herausforderungen mit sich bringen. Es wird zunächst empfohlen, allgemeingültige Datensicherheitsrichtlinien im Unternehmen zu etablieren. Zusätzlich sollten auftretende IT-Schwachstellen noch strenger beurteilt werden. Ergänzende Seminare helfen dabei, Mitarbeiter stärker für das Thema Datensicherheit zu sensibilisieren. Diese sicherheitstechnischen Zusatzaufwände sollten sich aber im Hinblick auf die nachhaltigen Produktivitätsvorteile hybrider ERP-Umgebungen im Industrie 4.0-Umfeld lohnen.
Fazit
Traditionelle ERP-Systeme reichen in der Industrie 4.0 nicht mehr aus: unflexibel, nicht mobil, zu wenig Funktionen - und vor allem sind sie nicht oder nur mit hohem Aufwand mit anderen IT-Systemen verknüpfbar. Neue, hybride ERP-Lösungen schaffen Abhilfe und ermöglichen Unternehmen mittels Anbindung an andere Cloud-Applikationen eine noch engere Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern. Zudem lassen sich auch Geschäftsbereiche wie HR, Lieferantenmanagement, Vertrieb und Marketing mit Hybrid-ERP abdecken und optimieren. Hybride ERP-Lösungen legen somit den Grundstein für zukünftige effiziente Wertschöpfungsprozesse in der Industrie 4.0.