SaaS macht ERP flexibler

Cloud-ERP ebnet Weg in Richtung Industrie 4.0

03.01.2017 von Martin Tantow
Klassische ERP-Suiten können mit den Anforderungen rund um das Internet of Things und Industrie 4.0 nicht mehr mithalten. Unternehmen müssen ihre Systeme also neu justieren. Dabei helfen hybride Landschaften, die ERP aus der Cloud in den Mittelpunkt der Überlegungen stellen.

ERP-Systeme nehmen eine zentrale Aufgabe in der Unternehmenssteuerung ein. Kapital, Personal, Betriebsmittel, Material, Informations- und Kommunikationstechnik sowie IT-Systeme werden über die Ressourcenplanungs-Software verwaltet. Allerdings geraten klassische ERP-Lösungen in der Industrie 4.0 vermehrt an ihre Grenzen, weil sie zu unflexibel sind. Firmen möchten die im Industrial Internet of Things gewonnenen Daten in die ERP-Systeme integrieren.

Dies ist aber aufgrund des geringen Funktionsumfangs klassischer ERP-Lösungen oft nicht vollumfänglich möglich. Die Folge: Es entstehen sogenannte "Silos" innerhalb des Unternehmens, weil nur IT-Systeme auf die IoT-Daten zugreifen, die nicht miteinander verknüpft sind.

Diese Barrieren lassen sich mit neuen ERP-Modellen überwinden: Industrieunternehmen ist es möglich, ihre existierenden ERP-Systeme über die Cloud mit anderen Applikationen zu verknüpfen. Durch diese Verbindung entsteht eine "hybride" ERP-Umgebung. Das vesetzt die Verantwortlichen in die Lage, neue Geschäftsanwendungen im ERP-Bereich zu etablieren. Die Anwendungen brechen die Silos innerhalb der Firmeninfrastruktur auf, indem sie einen verbesserten Austausch der Daten bieten. Mitarbeiter, Partner und Lieferanten können mit den neuen Anwendungen flexibel interagieren, was zu wesentlich effektiveren Arbeitsprozessen führt - ganz im Sinne von Industrie 4.0.

Mietmodell schont Ressourcen

ERP-Anbieter nutzen die hybriden ERP-Lösungen bereits, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Hybride ERP-Modelle werden üblicherweise als Software as a Service (SaaS)-Systeme angeboten, sprich ERP als praktisches Mietmodell. SaaS-Systeme erlauben Unternehmen, aus verschiedenen ERP-Funktionen auszuwählen und nur den Umfang zu zahlen, den sie wirklich nutzen wollen. Daher haben neue, hybride ERP-Lösungen aus monetärer Sicht einen Vorteil gegenüber traditionellen Lösungen. Denn traditionelle ERP-Software wird meist über ein standardisiertes Lizenzmodell vertrieben, das eine Vorausleistung beziehungsweise Investition für die Anwender bedeutet.

Kampf der ERP-Titanen
Marktanteile
SAP sichert sich unter den Top-Anbietern den größten Marktanteil. Allerdings verlieren die drei Führenden ein paar Prozentpunkte. Der große Gewinner im Vergleich zur vorangegangenen Umfrage ist Infor.
Auf der Shortlist
Die hohen Marktanteile spiegeln sich auch in den Shortlists wider. SAP taucht hier am häufigsten auf ...
Auswahl gewonnen
... und in der Folge gewinnt SAP auch am häufigsten die Projekte, in denen es die Walldorfer in die engere Auswahl schaffen.
Einführungsdauer
Im Vergleich zur vorangegangenen Umfrage brauchen die Anwender länger, um ein neues ERP-System einzuführen. Am längsten dauert es mit Microsoft Dynamics - über zwei Jahre. 2014 schnitt der US-Konzern mit 12,5 Monaten noch am besten ab.
Verzögerungsgründe
Nachträgliche Projekterweiterungen sowie Probleme mit Technik, Daten und der Organisation sind die häufigste Ursachen dafür, dass Unternehmen ihre Zeitbudgets für die ERP-Einführung überschreiten.
Return on Invest (RoI)
Meist dauert es Jahre, bis sich ein neues ERP-System aus Perspektive der Anwenderunternehmen bezahlt macht.
Projektkosten
Oracle-Projekte kommen die Unternehmen am teuersten. In den meisten Projekten reicht das Geld nicht. Ausnahme Infor: Hier liegen die tatsächlichen Kosten für die ERP-Einführung im Durchschnitt niedriger als ursprünglich geplant.
ERP-Vorteile
Über ein Drittel der Unternehmen hat es im Zuge der ERP-Einführung geschafft, die Verfügbarkeit von Informationen zu verbessern. Auch die interne Zusammenarbeit und Integration wollen die Unternehmen mit einem neuen ERP-System effizienter machen.
Ziele erreicht?
Insgesamt scheinen die selbstgesteckten ERP-Ziele schwer zu erreichen. Gerade einmal jeder fünfte SAP- und Microsoft-Kunde schafft mehr als 50 Propzent Zielerreichungsgrad. Oracle mit 14 Prozent und Infor mit elf Prozent schneiden noch deutlich schlechter ab.
Funktionalität
Die meisten ERP-Funktionen bleiben ungenutzt. Ein Viertel bis die Hälfte der Anwenderunternehmen gaben an, höchstens 40 Prozent der mit dem ERP-System gelieferten Funktionalität auch zu nutzen.
Projektvorgehen
Der Umstieg in Phasen bleibt das präferierte Umstiegsmodell für die meisten ERP-Anwender.
Customizing
Das Customizing - eine der Hauptursachen für komplexe Anwendungslandschaften - nimmt ab. Gerade im SAP-Umfeld geben sich immer mehr Anwender mit den im Standard gebotenen Funktionen zufrieden.
Umstieg mit Unterbrechung
Die meisten ERP-Einführungen sind nach wie vor mit einer Unterbrechung des operativen Betriebs verbunden.
Unterbrechungsdauer
Und diese Unterbrechungen können dauern - teilweise sogar bis zu einem halben Jahr.
ERP aus der Cloud
Das Cloud-Modell will im ERP-Umfeld nicht so richtig in Schwng kommen. SAP kann zwar etwas zulegen, aber bei Microsoft und Oracle stagniert der Cloud-Anteil im Vergleich zur Umfrage vor zwei Jahren.
Kostenvorteile in der Cloud
Die zögerliche Cloud-Adaption mag auch daran liegen, dass die Kostenersparnisse aus Anwendersicht nur bei 40 Prozent und weniger liegen.
Zusammenfassung
ERP-Projekte dauern lange, kosten viel Geld und überschreiten in aller Regel Zeit- und Kosten-Budgets. Daran scheint sich wenig zu ändern, wie auch die aktuelle Umfrage wieder einmal gezeigt hat.

Um die Software zu konfigurieren und individuell an die Anforderungen im eigenen Unternehmen anzupassen, wird darüber hinaus zumeist ein mehr oder weniger hoher Dienstleistungsaufwand nötig. Somit investieren Nutzer klassischer Lösungen bereits für Basisfunktionen viel Zeit und Geld. Da ERP-SaaS-Modelle oftmals weniger als die Hälfte an Implementierungsaufwand in Anspruch nehmen, erzielen Firmen eine wesentlich schnellere Wertschöpfung aus der neuen Software. In den USA bemerken manche ERP-Anbieter bereits einen Umschwung: Die Umsätze mit hybriden SaaS-Systemen haben die Umsätze herkömmlicher Lizenz-ERP-Systeme bereits übertroffen.

Cloud-ERP: Einsatz und Pläne
Foto: cio.de

Diese Entwicklung wird auch von der Tatsache angetrieben, dass die neuen ERP-Lösungen die Prozesse in diversen Geschäftsbereichen eines Unternehmens optimieren können, beispielsweise in Vertrieb und Marketing, im Lieferantenmanagement und im Human Resources (HR)-Sektor.

Viele Industrieunternehmen besitzen Webseiten, die mit einem Online-Shop gekoppelt sind. Die dortige Verarbeitung von Kundendaten und -informationen ist meist mit traditionellen ERP-Systemen verbunden. Moderne SaaS-ERP-Lösungen öffnen Firmen in diesem Bereich neue digitalisierte Vertriebskanäle. Beispielsweise können Anwender über die verknüpften Enterprise-Anwendungen Kundenumfragen in Social Media-Kanälen durchführen.

Im Allgemeinen lassen sich mit den Anwendungen wesentlich umfangreichere Informationen zu den Kunden erfassen, zum Beispiel detaillierte Analysen zu Kundenzielgruppen, ihren Vorlieben und ihrem Surf-Verhalten in allen Kanälen (Online Shop, Facebook, Twitter, Instagram etc.). Diese Analysen helfen Firmen dabei, Marketing und Vertrieb noch gezielter auszurichten.

Ein- und Verkäufer in der Industrie nutzen ERP-Systeme, um mit Geschäftspartnern zu kommunizieren und ihre Lieferketten zu steuern und zu überwachen. Sie verfügen meist über ein weit verzweigtes internes Netzwerk, in dem das komplette Auftragswesen von A bis Z digital festgehalten wird. Durch eine Verbindung der ERP-Systeme und des Auftragswesens mit hybriden Applikationen kann man die Kommunikation mit den Lieferanten noch direkter gestalten - entsprechend dem Leitbild von Industrie 4.0.

Die komplette Wertschöpfungskette von der Ausschreibung über den Zukauf bis hin zur Verwaltung von Verbindlichkeiten und Forderungen lässt sich so transparenter darstellen als es mit traditionellen ERP-Systemen möglich ist. Darüber hinaus sind Nutzer in der Lage, mit der neuen ERP-Lösung die eigenen Auftragsbearbeitungsprozesse tiefer und detaillierter zu analysieren. Aus diesen Analysen können Einkäufer anschließend einen konkreten Optimierungsbedarf für einzelne Bereiche ableiten.

Kein Unternehmen ist produktiv, wenn die Mitarbeiter nicht bestmöglich eingebunden werden beziehungsweise nicht die Werkzeuge zur Verfügung haben, die sie für produktive Prozesse benötigen. Traditionelle ERP-Systeme stellen Mitarbeitern vielerorts die gleichen, typischen Funktionen bereit, zum Beispiel Portale zum Eintragen von Erfassungszeiten einzelner Aufgaben sowie zum Erstellen von Kostenberichten. Diese Funktionen reichen im Industrie 4.0-Umfeld jedoch nicht mehr aus.

Neue, hybride ERP-Systeme erweitern die Möglichkeiten, indem sie unter anderem HR-Programme in die Ressourcenplanung einbinden und via Applikation eine mobile Ansicht erlauben. Über die Applikation wäre es Personalabteilungen von Industrieunternehmen also möglich, flexibel und ortsunabhängig Zuweisungen zu verteilen, Gutachten anzufertigen oder Vergütungspläne mit Mitarbeitern zu teilen. Im Gegenzug könnten Mitarbeiter komfortabel ihre Stundenzettel einreichen.

Integrationsmöglichkeiten sind ein kritischer Erfolgsfaktor

Um hybride ERP-Lösungen bzw. die daraus resultierenden, neuen Anwendungen in den Geschäftsalltag zu integrieren, müssen die Anwendungen erst einmal mit den bestehenden Back Office ERP-Systemen verbunden werden. Für Firmen ist es wichtig, vorab zu klären, ob das IT-System auch kompatibel zu den ERP-Systemen von Kunden und Lieferanten ist. Die Integrationsmöglichkeiten sind ein kritischer Erfolgsfaktor, um die Vorteile von hybriden ERP-Lösungen wirklich ausschöpfen zu können.

Public Cloud Plattformen im Vergleich
Amazon Web Services
Forrester attestiert AWS ein marktführendes Portfolio an Cloud-Services. Hybrid-Cloud-Szenarien aber deckten die Konkurrenten zum Teil besser ab.
Microsoft Azure
Im Azure-Portfolio loben die Forrester-Experten besonders die Services für Softwareentwickler.
IBM Bluemix
IBM kann die Vorteile seines Cloud-Angebots vor allem in Unternehmen mit etablierten IT-Strukturen ausspielen.
Google Cloud
Googles Cloud-Portfolio punktet vor allem mit Machine-Learning- und Data-Services.
Oracle Cloud
Die Oracle-Cloud ist in erster Linie für Bestandskunden des IT-Konzerns interessant, urteilt Forrester.
Interoute Virtual Data Center
Der britische Anbieter Interoute profitiert im Forrester-Vergleich von seiner starken lokalen Präsenz in Europa.
Salesforce App Cloud
Vor allem die Entwickler-Services der App Cloud von Salesforce finden das Lob der Forrester-Analysten.
CenturyLink
Die Stärken des Cloud-Portfolios von CenturyLink liegen in den ausgefeilten Konfigurations- und Automation-Features.
CloudSigma
Cloud-Services aus der Schweiz offeriert CloudSigma. Kunden profitieren von besonders flexiblen und feingranularen Konifgurationsoptionen, kommentiert Forrester.

ERP-Anbieter haben bereits reagiert und wollen die Integration von ERP-Systemen mit anderen IT-Systemen vereinfachen. Dazu bieten sie spezielle Integrationssoftware als Teil ihrer ERP-Software Suites an. Alternativ werden immer häufiger auch gute Open-Source-Integrationsservices angeboten. Diese sind komfortabel in Public Clouds verfügbar und können den Integrationsprozess stark beschleunigen.

Nach der erfolgreichen Integration sollte Firmen bewusst sein, dass die höhere Transparenz hybrider ERP-Systeme sowie der erweiterte Datenzugriff auch in puncto Security Herausforderungen mit sich bringen. Es wird zunächst empfohlen, allgemeingültige Datensicherheitsrichtlinien im Unternehmen zu etablieren. Zusätzlich sollten auftretende IT-Schwachstellen noch strenger beurteilt werden. Ergänzende Seminare helfen dabei, Mitarbeiter stärker für das Thema Datensicherheit zu sensibilisieren. Diese sicherheitstechnischen Zusatzaufwände sollten sich aber im Hinblick auf die nachhaltigen Produktivitätsvorteile hybrider ERP-Umgebungen im Industrie 4.0-Umfeld lohnen.

Fazit

Traditionelle ERP-Systeme reichen in der Industrie 4.0 nicht mehr aus: unflexibel, nicht mobil, zu wenig Funktionen - und vor allem sind sie nicht oder nur mit hohem Aufwand mit anderen IT-Systemen verknüpfbar. Neue, hybride ERP-Lösungen schaffen Abhilfe und ermöglichen Unternehmen mittels Anbindung an andere Cloud-Applikationen eine noch engere Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern. Zudem lassen sich auch Geschäftsbereiche wie HR, Lieferantenmanagement, Vertrieb und Marketing mit Hybrid-ERP abdecken und optimieren. Hybride ERP-Lösungen legen somit den Grundstein für zukünftige effiziente Wertschöpfungsprozesse in der Industrie 4.0.