2017 konnte man am Beispiel zweier Unternehmen sehen, welche Folgen es haben kann, wenn man die Zeichen der Zeit zu spät erkennt. Der Spielzeughersteller Toys "R" Us und das Erotikunternehmen Beate Uhse schlitterten damals vor allem aufgrund ihrer zu zaghaften E-Commerce-Strategie in die Insolvenz. Die beiden Traditionsunternehmen wurden so zu besonders prominenten Opfern einer Branche, die in puncto Digitalisierung als besonders fortschrittlich gilt.
Diese Einschätzung teilten die IT-Experten beim IDG-Round-Table, die anlässlich der Veröffentlichung der "Cloud-Migration Studie 2018" in München zusammengekommen waren. Gemeinsam mit der COMPUTERWOCHE-Redaktion diskutierten sie die Key Findings der Studie. Die E-Commerce-Branche etwa weist demnach einen deutlichen Vorsprung gegenüber anderen Bereichen auf - gerade beim Umgang mit Cloud-Technologien. Das liegt zum einen am hohen Standardisierungsbedürfnis, zum anderen an schnell wechselnden Anforderungen, etwa im Rahmen von Aktionen wie dem berüchtigten "Black Friday", an dem nicht nur die Filialen, sondern auch die Server regelrecht von Käufern überrannt werden.
Die Cloud ist mehr als "Lift & Shift"
E-Commerce und andere datenintensive Felder wie etwa Streamingdienste sind mit ihren Anforderungen Vorreiter beim Cloud-Einsatz. Doch auch Banken, Finanzdienstleister oder Versicherungen haben das Potenzial erkannt und migrieren Daten und Anwendungen in die Wolke - leider allerdings häufig mit falschen Vorstellungen über Wesen, Anwendung und Potenziale der Cloud. "Der "Cloud First"-Gedanke ist in den Unternehmen angekommen, nicht aber die Bereitschaft, darauf aufbauend tiefgreifende kulturelle und prozessuale Veränderungen anzustoßen," betont Christian Hofstadt, Strategy Development Manager bei PlusServer.
Zum Thema Cloud Migration hat die COMPUTERWOCHE eine Multiclient-Studie unter IT-Entscheidern durchgeführt. Die Studie zeigt, wie deutsche Manager derzeit mit dem Thema Cloud Migration in ihren Unternehmen umgehen. Haben Sie Fragen zu dieser Studie, dann hilft Ihnen Frau Regina Hermann (rhermann@idg.de, Telefon: 089 36086 384) gerne weiter. Die Cloud Migration Studie finden Sie auch hier zum Download. |
Matthias Frühauf, Technical Sales Director bei Veeam, pflichtet dem bei: "Ein Fehler der gerne gemacht wird: Unternehmen ersetzen ihre komplette Hardware-Infrastruktur im Datacenter durch die Cloud. Doch dann wird weiterhin in den alten On-Premise-Strukturen gedacht."
Die Runde hält diesbezüglich fest: Der immer schneller werdende Umbruch zeigt, dass IT-Affinität zunehmend wichtiger wird. Die technische Sicht auf die Cloud, ist anfangs womöglich gar nicht so schlecht. Spätestens nach der Implementierung sollten sich Unternehmen aber fragen, welche Dienstleistungen und welche komplett neuen Geschäftsmodelle sich durch die Cloud noch entwickeln lassen.
Hier finden Sie die Cloud Migration Studie zum Download
Unternehmenswandel: Mut zur Fehlerkultur
Der Streit Technik versus Kultur ließe sich also beilegen. Für Marco Meier, Vertriebsleiter bei BroadSoft, fehlt es hierfür allerdings an praktischer Erfahrung und vor allem an der Bereitschaft, mehr "Experimente" zuzulassen. Für viele Akteure am Markt ist die Cloud eben noch Neuland. Es bräuchte mehr Experimentierfreudigkeit und eine funktionierende Fehlerkultur. Die Erwartungshaltung dürfe nicht sein, dass ab Tag Eins alles besser und billiger würde.
Zum Video: Cloud Migration - warum Technik nicht alle Probleme löst
Andere Unternehmen seien gerade deswegen so erfolgreich: Neben dem Kerngeschäft brauche es eine Art Spielwiese, auf der die klassische "KPI-Denke" dann eigentlich nichts verloren hat. Entscheidend für eine zukunftsfähige Forschung und Entwicklung ist schließlich nicht der KPI, sondern ein umfassendes Reporting, auf dessen Ergebnisse man weiter aufbauen kann.
Für Carl Mühlner, Managing Director bei Damovo, funktioniert so ein Wandel aber nur, wenn die Mitarbeiter von Anfang an ins Boot geholt werden: "Viele Betriebe führen die entscheidenden Schulungen immer erst durch, wenn die technischen Umstrukturierungen bereits stattgefunden haben. Dabei gewinnt die gesamte Strategie an Fahrt, wenn ich Mitarbeiter von Anfang an in den digitalen Wandel miteinbeziehe. Da wird leider immer noch viel zu strukturiert gedacht: Ein paar Experten im Unternehmen wissen Bescheid und viele sind froh, dass die anderen Bescheid wissen."
Die alte Frage nach dem Hosting
Bei der Umsetzung sehen die Teilnehmer besonders den Mittelstand in der Pflicht. Mittelständer könnten künftig Schwierigkeiten haben, ihre Infrastruktur bezahlbar auf eigenen Servern zu betreiben. Der "Kampf um die Ressourcen" werde früher oder später auch die Cloud dominieren.
Die IDG-Studie belegt, dass das Vertrauen (auch in Public-Cloud-Anbieter) in deutsche Serverstandorte ausgesprochen hoch ist. Dass die neue europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vermehrt On-Premise Lösungen begünstige, sehen die Experten eher nicht. Es werde vielmehr darum gehen, ein Denken in Sicherheitsmetriken zu kultivieren. Unternehmen brauchen einheitliche Sicherheitsstufen.
Welche Daten sind wie zu schützen? Wo sind die Risiken höher? Wo niedriger? Wenn diese Fragen beantwortet sind, mache es aus wirtschaftlicher Sicht keinen Unterschied, welche Art des Hostings man wählt. Wichtiger sei es, die Begriffe richtig zu verstehen. Datenschutz ist nicht Datensicherheit. Das werde viel zu wenig getrennt, so der Eindruck der Diskutanten. Dadurch folgt eine Klassifizierung von Daten in verschiedene Typen und dabei gilt in jedem Fall: Manche Daten brauchen On Premise. Der Großteil aber wandert in die Public Cloud.
Cloud Migration in der Zukunft
Unternehmen ziehen für ihre Migrationsprojekten weitgehend ein positives Fazit. Ganze 94 Prozent der Studienteilnehmer finden, dass sich der Gang in die Cloud gelohnt hat. Dazu gibt Matthias Frühauf zu bedenken, dass eine Erfolgsdefinition immer die Frage beantworten muss: "Was wird konkret gemessen? Die Zahlen der Studie spiegeln lediglich wieder, dass die technische Realisierung der Cloud Migration positiv festgehalten wurde. Innovationserfolge findet man in diesen Zahlen nicht."