Als 2017 aus der Fusion der spanischen Gamesa Corporación Tecnológica S.A und des Windenergie-Bereichs der Siemens AG die neue Gesellschaft Siemens Gamesa entstand, sah sich CIO und Chief Cyber Security Officer Alan Feeley drei Herausforderungen entgegen. Darüber sprach er auf dem Podium mit Ruchir Budhwar, Leiter des Manufacturing-Bereichs beim indischen IT-Dienstleister Infosys, Ausrichter der Cobalt-Tour, die zuvor in London und Melbourne Station gemacht hatte.
Erstens, so Feeley, konnte er bei der Transformation der Gesellschaft, die zu den weltgrößten Produzenten von Windenergie-Anlagen für den On- und Offshore-Einsatz gehört, nicht auf bewährte IT zurückgreifen: Die Siemens-Legacy stand nicht zur Verfügung, weil das fusionierte Unternehmen aus dem Konzern ausgegliedert wurde. Und die Gamesa-IT sei nicht zu gebrauchen gewesen, weil sie sich schon im End-of-Life Stadium befand, genauso wie die Legacy von Adwen, dem 2015 etablierten Joint-Venture für Offshore-Windanlagen von Gamesa und Areva.
Zweitens stand die Business-Transformation auf der Agenda, im Wesentlichen gleichbedeutend mit dem Aufbau eines neuen Unternehmens. Und drittens bewegten sich große Teile der zuvor in den Altgesellschaften eingesetzten IT rapide auf das Ende ihres Lebenszyklus' zu, darunter die komplette Perimeter-Security samt Firewalls und die SAP-Systeme.
Die Lage war also ziemlich anspruchsvoll, betonte der CIO mit Siemens-Nixdorf und Siemens-AG-Vergangenheit: Das Board war mit der Fusion beschäftigt, so dass man bei der Ausgestaltung der neuen IT weitgehend freie Hand hatte. Das sei ihm als Pragmatiker mit ausgeprägter "Ergebnisorientierung" durchaus entgegengekommen, räumte Feeley ein.
Die komplette IT-Infrastruktur von Siemens Gamesa wurde im Zuge der Fusion transformiert, fasste Infosys-Mann Ruchir Budhwar, dessen Unternehmen an dem Projekt beteiligt war, aus der Außenperspektive zusammen. Im Einzelnen implementierten Feeley und seine Leute eine Hybrid Cloud-Infrastruktur, eine der ersten und größten in der Industrie, außerdem ein Software-definiertes Netzwerk (SDN) und eine Digital-Workplace-Lösung. Dazu wurde die komplette ERP-Landschaft in einer S4/HANA-Instanz konsolidiert, die bis jetzt in 50 Ländern ausgerollt worden ist.
"Verlierer schreiben keine Bücher"
"Es waren weniger akademische Strategien als die Gegebenheiten, woraus sich die Möglichkeit dieses Greenfield-Approaches ergab." Alles habe man in Frage gestellt. "Das ist eben das echte Leben", so schulterzuckend der CIO, der bei Siemens Gamesa auch die CISO-Position bekleidet. Strategien würden meist rückwirkend niedergeschrieben - "wenn der Krieg gewonnen wurde", im übertragenen Sinn. Feeley: "Verlierer schreiben keine Bücher." Zu den Verlierern muss er sich nicht zählen, denn fünf Jahre nach der Fusion, berichtete er, ist man in der Gamesa-IT noch in Plan und Budget.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs bat Ruchir Budhwar den Gamesa-CIO um sein Urteil, welche Technologie-Trends der letzten fünf Jahre aus seiner Sicht die wichtigsten seien. Wenig überraschend nannte er zuerst die Cloud. Diese Technologie-Welt habe sich als Voraussetzung für ein zuvor nicht realisierbares Maß an einfacher Skalierbarkeit erwiesen - und für die Möglichkeit, Strukturen und Prozesse auch unternehmensübergreifend zu verbinden. Verteilte Rechenpower habe riesiges Potential, so Feeley. Als ehemaliger Nixdorf-Mitarbeiter erkenne er im Cloud-Trend freilich gleichzeitig "einen Schritt vom Client-Server-Computing zurück zum Mainframe."
Die Cloud und ihre Infrastruktur-Anwendungen würden allerdings nicht über Wettbewerbspositionen entscheiden, weil sie Commodity seien. Anders verhalte es sich mit Möglichkeiten zu Simulationen in der Produktentwicklung. Die seien gerade in der Energiebranche wettbewerbsentscheidend, denn hier müssten Turbinen oder schwimmende Offshore-Windfarmen geplant werden. Der CIO: "Aber das kommt heute noch nicht aus der Cloud."
Nachhaltigkeit als Führungsthema
Auf die Frage nach dem Stellenwert ökologischer Nachhaltigkeit für die Gamesa-IT räumte Feeley selbstkritisch ein, dass hier Luft nach oben sei. Schließlich betreibe die IT einen nennenswerten Anteil der Assets, die CO22 emittieren. Guter Vorsatz zunächst: "Wir müssen, zusammen mit Infosys als Partner, genauer messen, welche Menge an Schadstoffen wir in der IT produzieren, ob in der Cloud oder on Premise."
Das Thema Nachhaltigkeit wurde im Übrigen auf der Frankfurter Veranstaltung mehrfach aufgegriffen. So bezeichnete der Futurist und Trendforscher Gerd Leonhard in seiner Keynote es als eine der wichtigsten Anforderungen für Führungskräfte, auch außerhalb der IT, dem gesellschaftlichen Nutzen und den ökologischen Fußabdruck der Aktivitäten ihrer Unternehmen bei ihren Entscheidungen viel mehr Bedeutung beizumessen.
Mats Andersson, Marketing-Chef des norwegischen RZ-Betreibers Lefdal Mine Datacenter (LMD), sortierte das Thema ebenfalls als strategisch wichtig für Unternehmen aller Branchen und Größen ein. LFD betreibt in Norwegen in einem ehemaligen Bergwerk ein RZ, das vollständig mit erneuerbarer Energie aus Wind- und Wasserkraft betrieben wird. Die Abwärme der IT werde in einer Lachszucht genutzt. Gemeinsam mit Infosys hoste LMD ein High-Performance-Cluster für Mercedes-Benz, das mit diesem Energie-Setup nicht nur CO2-neutral, sondern sogar -negativ sei.