Für diese Studienergebnisse muss das Wort "Lippenbekenntnis" erfunden worden sein: Rund drei von vier Entscheidern (76 Prozent) bestätigen, dass Compliance wichtig sei. Doch auf die Frage, ob es denn einen Chief Compliance Officer im Hause gebe, zuckt fast jeder Vierte (24 Prozent) die Schultern. Man weiß es nicht.
Das geht aus der "Potenzialanalyse Compliance" hervor, die der Berater Steria Mummert gemeinsam mit dem Institut für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF), beide mit Sitz in Hamburg, durchgeführt hat. Die Marktforscher befragten 307 Fach- und Führungskräfte zum Status von Compliance. Demnach setzen 28 Prozent der Unternehmen einen Chief Compliance Officer ein.
Wo es keine eigene Position gibt, ist Compliance meist in der Geschäftsführung oder im Vorstand verankert (25 Prozent der Nennungen). Bei 16 Prozent gehört der Bereich zum Controlling, bei 15 Prozent zur Personal- und bei 14 Prozent zur Rechtsabteilung.
Die Analyse deckt an verschiedenen Punkten eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf. Denn trotz dem betonten Stellenwert von Compliance halten nur 30 Prozent der Compliance-Verantwortlichen den Kenntnisstand der Belegschaft für "sehr gut". Weitere 34 Prozent gestehen der Belegschaft immerhin noch ein "eher gut" zu.
Ein noch schlechteres Bild zeigt sich bei den Compliance-Empfängern: Mit 19 Prozent schätzt nur knapp jeder Fünfte den eigenen Kenntnisstand über relevante Gesetze und organisatorische Anforderungen als "sehr gut" ein. 42 Prozent geben sich ein "eher gut".
Das vor dem Hintergrund, dass 70 Prozent der Befragten erklären, alle Mitarbeiter müssten die Compliance-Richtlinien und -Prozesse des Unternehmens kennen. Allerdings legen nur 66 Prozent der Unternehmen Verhaltensgrundsätze schriftlich fest.
Von diesen wiederum lassen sich nur zwei Drittel schriftlich bestätigen, dass die Mitarbeiter die Vorgaben kennen. Steria Mummert kommentiert: "Hier sollten die Unternehmen eine aktive Auseinandersetzung ihrer Mitarbeiter mit den schriftlich fixierten Verhaltensgrundsätzen häufiger einfordern."
Compliance-Schulungen sind selten
Nur 41 Prozent der Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter in Schulungen, um die Verhaltensgrundsätze zu erlernen. Von diesen Firmen führt die Hälfte solche Trainings nur einmal im Jahr durch. Jede Dritte wiederholt die Schulungen mehrmals im Jahr.
Nicht einmal jeder vierte Befragte (24 Prozent) spricht bei Regelverstößen Sanktionen aus. Acht Prozent machen Bonuszahlungen davon abhängig, wie compliant oder non-compliant jemand arbeitet.
Die Autoren der Studie wollten außerdem wissen, in welchen Bereichen die Unternehmen Verhaltensrichtlinien festlegen. Wichtigstes Thema ist der Datenschutz (56 Prozent der Nennungen). Es folgen Missachtung von Gesetzen (50 Prozent) und Verschwiegenheit (39 Prozent).
Darüber hinaus geht es um Kundenbeziehungen (36 Prozent) und Korruption/Bestechlichkeit 24 Prozent). Umweltauflagen spielen mit elf Prozent dagegen eine untergeordnete Rolle.
Weil es der Gesetzgeber verlangt
Die Treiber von Compliance kommen zunächst einmal von außen. 76 Prozent der Befragten nennen Vorgaben des Gesetzgebers. 54 Prozent wollen finanzielle Risiken vermeiden. Schutz der Mitarbeiter und Wahrung des guten Rufs rangieren mit 52 Prozent beziehungsweise 42 Prozent der Nennungen auf Position drei und vier.