Googlewill seinCloud-Geschäft mit Unternehmen stärker ankurbeln. Hinter dieser Strategie steht Diane Greene, ehemals Gründerin und CEO von VMware, die als Senior Vice President Googles Cloud-Businessseit knapp einem Jahr verantwortet. Greene bemüht sich, den Bereich neu zu sortieren und aufzustellen. Seit Ende September steht dafür auch das neue Branding der Cloud-Produkte. Unter "Google Cloud" - ehemals "Google Enterprise" beziehungsweise "Google for Work" - hat der Internet-Konzern sein gesamtes Enterprise Cloud Business gebündelt. Die Productivity-Tools, die vormals unter dem Label "Google Apps for Work" zusammengefasst waren, firmieren seit einigen Wochen unter dem Namen "G-Suite".
Der neue Name an sich sei nicht so bedeutend, sagt Petra Sonnenberg, Country Manager Google Cloud in der Region DACH&CEE. "Wichtig ist jedoch, dass dahinter eine neue Struktur steckt." Die Google-Managerin verweist auf die neue Organisationsstruktur, in der Vertrieb, Entwickler und das riesige Team, das für die Bereitstellung der Cloud Infrastruktur und aller Google-Dienste verantwortlich ist, zusammengefasst sei. "Waren wir vorher eine Geschäftseinheit mit 2000 Mitarbeitern, sind wir jetzt 15.000." Das sei ein Beleg dafür, dass Google das Enterprise-Geschäft sehr ernst nehme, betont Sonnenberg.
G-Suite bündelt alle Dienste für einen modernen Arbeitsplatz
Eine wichtige Säule für die Google Cloud ist die G-Suite. "Hier bündeln wir alles für einen modernen Arbeitsplatz", fasst Sonnenberg zusammen. Anfang November gab der Internet-Konzern bekannt, mit Conrad Electronic einen neuen Kunden für seineCollaboration- und Productivity-Tools wie Gmail, Hangouts, Kalender, Google Drive, Docs, Tabellen, Formulare und Präsentationen gewonnen zu haben.
Aleš Drábek, Chief Disruption & Digital Officer von Conrad Electronic, begründet die Entscheidung des mittelständischen deutschen Elektronikhändlers. "Wir hatten insgesamt elf verschiedene Systeme für unsere Internet-Kommunikation im Einsatz. Je eines für Mail, Intranet, File-Ablage usw. Das alles konnten wir in einem Google-System konsolidieren." Nach Angaben von Drábek, der die IT-Geschicke bei Conrad Electronic seit Anfang dieses Jahrs verantwortet, verlief der Umstieg in die Cloud zügig. Innerhalb von vier Monaten seien 5000 Mitarbeiter in 12 Ländern auf die G-Suite umgestellt worden.
Drábek puscht die Digitalisierung bei Conrad. Bei einem Familienunternehmen gehe das etwas schneller, stellt der ehemalige Director of Global Digital Channel bei der Metro C&C fest. "In einer digitalen Welt muss jeder Mitarbeiter einen digitalen Footprint haben" lautet sein Credo. Jeder Mitarbeiter habe mittlerweile einen eigenen G-Mail-Account inklusive aller dazugehörigen Dienste. Darüber hinaus seien bereits die ersten Filialen mit Smartphones und Tablets ausgestattet worden. "Das schafft die Grundlage, um sämtliche Prozesse zu digitalisieren."
Drei Typen von Mitarbeitern
Damit die Digitalisierungs-Rechnung aufgeht, mussten die Mitarbeiter mit ins Boot geholt werden. Drábek unterscheidet dabei drei Typen. Die jungen Mitarbeiter seien begeistert gewesen, weil sie es aus ihrem privaten Umfeld bereits gewohnt waren, mit diesen Geräten umzugehen. "Der zweiten Gruppe von Mitarbeitern haben wir geholfen, die mit der Digitalisierung verbundenen Benefits zu finden", berichtet der IT-Verantwortliche. "Wir haben Use-Cases mit den Teams und den Mitarbeitern definiert. Wir sind sämtliche Prozesse in den Filialen durchgegangen und haben überlegt, wie wir diese mit Hilfe der G-Suite abbilden können."
Am schwierigsten sei es mit der dritten Gruppe gewesen. Drábek nennt sie die "Excel-Koalition". Darunter versteht er die Mitarbeiter, die über Jahre hinweg gigantische und extrem komplexe Excel-Tabellen entwickelt haben. "Die tun sich ein wenig schwerer", konstatiert der Conrad-Manager. Ab Januar kommenden Jahres will er in Workshops gemeinsam mit diesen Mitarbeitern überlegen, wie sich diese Excel-Konstrukte mit moderneren Methoden abbilden ließen.
"Man muss das Herrschaftswissen gar nicht aufgeben", ergänzt Google-Managerin Sonnenberg und spricht von der Möglichkeit einer friedvollen Coexistenz. Wichtig sei, dass die Menschen verstehen, dass sie am Ende mehr gewinnen, als verlieren. "Wenn das gelingt, dann ist auch die Akzeptanz sehr schnell da." Sonnenberg betont, dass der digitale Wandel auch ein kultureller Wandel ist und daher auch von oben mit getragen und gelebt werden müsse. "Digitale Transformation ist Chefsache."
Auch der Chef macht bei der Digitalisierung mit
Drábek bringt an dieser Stelle Werner Conrad ins Spiel, den Verwaltungsratsvorsitzenden und Urenkel von Firmengründer Max Conrad. Der probiere die neue Technik gerne aus, zum Beispiel "Google Notice", um Notizen nach einem Besuch in einer Filiale oder im Lager mit den Mitarbeitern zu teilen. Wenn der Inhaber selbst die Werkzeuge nutze, dann sei die Bereitschaft in der Belegschaft sich zu ändern größer, lautet das Fazit des IT-Verantwortlichen.
Seine Google-Cloud-Strategie will Drábek konsequent weiter verfolgen. Zwar gebe es definitiv einige Themen, die Conrad mit dem aktuellen Cloud-Angebot von Google noch nicht abdecken könne. Allerdings wisse man, dass Google sein Portfolio laufend weiter entwickle. Darüber hinaus gebe es Apps anderer Anbieter, die die G-Suite ergänzten. "Dann warten wir einfach ein paar Monate", konstatiert der CDO. Auch Sonnenberg verweist auf das Ökosystem und den Marktplatz rund um das Thema G-Suite. Google arbeite an dieser an einem Dreiklang. "Wir selbst, Lösungspartner und die Endkunden." So wachse der Marktplatz beständig.
Sichere Daten in der Google-Cloud
Vor allem Verbesserungen hinsichtlich der Sicherheit und der Integration der verschiedenen Lösungsbestandteile bestärken Drábek, an seiner Strategie festzuhalten. Unsere Daten sind sicherer in der Google-Cloud", ist der Manager überzeugt. Schließlich kümmerten sich bei Google mehrere hundert Mitarbeiter explizit darum, das Cloud-Angebot abzusichern. Zudem müsse man gerade beim Thema Security immer auf dem neuesten Stand sein, merkt Drábek an.
Das sei jedoch mit einer kleinen Mannschaft kaum zu bewältigen. Bei Conrad Electronic könnten sich vielleicht drei oder vier IT-Mitarbeiter mit dem Thema Sicherheit beschäftigen. "Wir könnten also nie auf dem Level sein, das Google bietet", schlussfolgert er. Die Tatsache, dass die Google-Cloud mittlerweile auch aus einem Rechenzentrum in Europa angeboten wird und 2017 ein deutsches Data Center folgen soll, habe die Entscheidung leichter gemacht.
Drábek hat sich auch Angebote der Konkurrenz angesehen, wie er beteuert. Für Google habe letzten Endes die integrierte Suite gesprochen. Andere Provider hätten Teile ihres Angebots selbst entwickelt, anderes zugekauft und versuchten nun alles irgendwie zusammenzubringen. "Auch wenn das nach außen als Suite verkauft wird - wenn man genauer hinsieht, dann ist das Ganze oft nicht so richtig integriert." Die Conrad-Manager sieht die Entwicklung pragmatisch: "Wir müssen schnell sein."
Man stecke in einem Business, das bereits extrem dynamisch sei und in den nächsten Jahren noch viel dynamischer werden dürfte. Dafür sieht er sein Unternehmen in der Google-Cloud offenbar gut aufgehoben. "Alles was wir mit Google ausgehandelt haben, wurde schnell umgesetzt", berichtet Drábek. Das sei eine andere Herangehensweise, als bei einigen Wettbewerbern.
Conrad-Mann Drábek denkt bereits über die G-Suite hinaus. Diese sei nur der erste Schritt. Der Manager will beispielsweise die E-Commerce-Plattform von Conrad Electronic in die Google Cloud bringen. Er verweist auf dort bereits integrierte Services, die sein Arbeitgeber auch nützen könne. Beispielsweise lasse sich die Suche im Online-Shop per Sprecheingabe steuern. "Gerade im B2B Umfeld gibt es Kunden, die brauchen freie Hände", erzählt Drábek.
Mehr Business-Apps über Partnerschaften
Google plant, sein Service-Angebot gerade für Business-Anwender weiter auszubauen. Sonnenberg betont an dieser Stelle, wie wichtig dabei das Thema Partnerschaften für Google sei. Das zeige beispielsweise die Kooperation mit Box, die Google kürzlich eingegangen sei. Ein anderer großer und wichtiger Partner sei Salesforce. "Wir sind auch gegenseitig Kunden", sagt die Google-Managerin. "Die Lösungen sind entsprechend stark miteinander integriert."
Auf Seiten der Kunden sieht Sonnenberg eine wachsende Bereitschaft, Cloud-Lösungen zu nutzen. "Wenn ein Unternehmen heute in die Cloud geht, dann wird nicht nur die Arbeitsplatzumgebung angegangen, sondern es geht auch um Themen wie Customer Relationship Management (CRM) oder Human Ressources (HR).
In diesem Umfeld sieht Drábek massive Veränderungen heraufziehen: Die Zeit der großen monolithischen Lösungen ist aus seiner Sicht vorbei. Heute arbeite man eher mit kleinen flexiblen Systemen, die speziell auf bestimmte Aufgaben ausgerichtet seien. "Diese Microservice-Architekturlässt sich gut in der Cloud abbilden", stellt der IT-Verantwortliche fest. Conrad arbeitet derzeit mit einem zentralenSAP-System. Diese mache fast das gesamte Backend aus, berichtet Drábek, von der Finanzbuchhaltung bis hin zur Lagerverwaltung und dem Lieferanten-Management. "Wir arbeiten daran, aus diesen großen Lösungen unsere Kern-Omnichannel-Prozesse herauszuholen und unseren Mitarbeiter darauf Zugriff über eine neue Oberfläche zu gewährleisten."
Auch die Kassensysteme sollen in die Cloud
Conrad plant, im kommenden Jahr seine klassischen Kassensysteme abzulösen. "Das soll auch über die Cloud laufen", kündigt Drábek an. "Letztendlich brauchen wir nur noch einen Screen und die passende Software." Der IT-Manager verspricht sich davon Kostenersparnisse und mehr Flexibilität. Bis dato habe man regelmäßig updates einspielen und dennoch auf neue Funktionen teilweise Jahre warten müssen. "Wenn eine Kasse kaputt ging, musste wir außerdem oft Tage warten, bis jemand zur Reparatur kam", klagt der Manager. Wenn künftig etwas passiert, startet man einfach einen neuen Screen, "die Funktionalität kommt ja aus der Cloud". Zudem biete eine solche Cloud-Anbindung zusätzliche Optionen, beispielswiese eine Integration mit den Systemen desKunden-Managements.
Diese neuen Ideen voranzutreiben, sieht Drábek als wesentlichen Teil seiner Arbeit bei Conrad Electronic. Er sieht sich vor allem als Chief Disruption Officer. "Das ist genau mein Job, Dinge zu hinterfragen und Bereiche zu identifizieren, die durch einen - auch radikalen - Wandel Vorteile für das Business bringen." Der Handel stecke derzeit in einem reißenden Wandlungsprozess. "Wir haben hier zwei Möglichkeiten", sagt Drábek. "Uns selbst und unsere Prozesse von innen heraus komplett zu verändern oder wir werden von außen verändert und haben dann ein massives Problem." Mit diesem Ansatz scheint Drábek durchaus einiges in Bewegung zu setzen. Die Conrad-Mitarbeiter übersetzten seinen Titel als "der, der viel Wirbel macht". Drábek lacht und interpretiert seinen Ruf durchaus positiv. "Bis jetzt kommt das gut an."