Mit einer selbst entwickelten Integrationsplattform schaffte Generali-COO Martin Frick die Basis für eine moderne Anwendungslandschaft und effizientere Vertriebsprozesse.
Wenn Martin Frick über seine wichtigsten IT-Projekte spricht, greift er gern auf Bilder zurück. Die berüchtigte "Spaghetti"-Kommunikationsstruktur in der Anwendungslandschaft ist so ein Bild. Man kennt es aus der Hochphase der Enterprise Application Integration (EAI), als viele Unternehmen mit schlecht integrierten Applikationen zu kämpfen hatten. "Wir wollten weg von der historisch gewachsenen 'Spaghetti-Welt' mit vielen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Anwendungen", berichtet der promovierte Physiker.
Sein Ziel: eine geordnete "Lasagne-Architektur" mit mehreren Schichten. Dazu entwickelte das IT-Team die Stream-Data-basierte "Connection Platform" (CoPa). Sie dient als zentrale Datendrehscheibe und Integrationsplattform für das gesamte Unternehmen.
Die CoPa, so Frick, bilde einen "Sarkophag" um die Legacy-Systeme herum, der Daten und Funktionen auf kohärente Weise in die verschiedenen Kanäle leite. Der Versicherungskonzern Generali Schweiz nutzt dafür State-of-the-Art-Technologien, darunter Change Data Capture (CDC) für die Datenintegration, die Open-Source-Streaming-Plattform Kafka und die ebenfalls quelloffene Container-Plattform Openshift von Red Hat.
"Mit CoPa haben wir die zentrale Architekturkomponente der IT-Landschaft von Generali Schweiz für die nächsten Jahre gebaut", ist der COO überzeugt. Rund zwölf Millionen Franken investierte das Unternehmen bisher in die Plattform. Statt sich auf Standardlösungen zu verlassen, entwickelten die Eidgenossen fast alles selbst, wie Frick betont: "Damit haben wir auch die Skills im eigenen Haus, die wir in Zukunft für Weiterentwicklungen und Anpassungen brauchen."
Wie wichtig die Integrationsplattform nicht nur für die Backend-IT ist, zeigte das Projekt New Agent Workplace (NAW), mit dem es Frick im Wettbewerb "CIO des Jahres 2020" in die Top Ten schaffte. Ziel des Vorhabens war es, mehr Transparenz und Struktur in die Vertriebsprozesse zu bringen. Die Versicherungsagenten, sprich die Vertriebsmitarbeiter im Außendienst, sollten damit eine moderne IT-Umgebung erhalten.
"Aus technischer Sicht war die Datenintegration mit den Legacy-Anwendungen die größte Herausforderung", berichtet der IT-Chef. Hier kommt die CoPa ins Spiel, die Daten in Echtzeit aus Kernanwendungen wie der Vertrags- und der Partnerverwaltung zur Verfügung stellt. Mittlerweile nutzt Generali Schweiz CoPa auch für die Ankopplung des Asset Management Partners in der Versicherungssparte Leben sowie als Datentransport-Layer in ihrem IFRS-Projekt (International Financial Reporting Standards).
Die Top-CIOs der Versicherungsbranche
INTER Versicherungsgruppe Roberto Svenda ist seit 1. Juli 2023 Vorstandssprecher der INTER Versicherungsgruppe und zuständig für das IT-Ressort.
AachenMünchener Seit Juni 2014 verantwortet Helmut Gaul die Ressorts Betrieb und IT im Vorstand der AachenMünchener. Er kennt das Haus: schon 1984, kurz nach Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums an der Fachhochschule Köln, kam er zu der Aachener Versicherung. Dazwischen lag lediglich ein Jahr im Außendienst der Colonia Versicherung.
Talanx Jens Warkentin ist seit Januar 2023 Talanx-CIO. Der Talanx-Finanzvorstand übernahm die Aufgaben von Christopher Lohmann.
ERGO Deutschland Mario Krause ist seit Anfang 2019 CIO der deutschen IT-Einheiten von ERGO und Vorsitzender der Geschäftsführung der ERGO-IT-Tochter Itergo. Er war zuvor im Vorstand des Versicherungskonzerns Talanx AG in Hannover für IT zuständig und zugleich Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Talanx Systeme.
Helvetia Deutschland Seit August 2020 ist Andrea Sturmfels als CIO für das Ressort Informatik von Helvetia Deutschland verantwortlich.
ERGO Global Tomasz Smaczny ist seit Anfang 2019 Vorstandsvorsitzender der Ergo Technology & Services Management und Global CIO für die gesamte IT bei Ergo. Smaczny ist zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats der IT-Tochter Itergo.
Allianz SE Seit 1. November 2023 hat der Versicherungskonzern Allianz mit Olav Spiegel einen neuen Group Chief Information Officer an Bord. Er folgt auf Ralf Schneider.
AXA Deutschland Der neue IT-Chef der AXA Deutschland kommt aus den eigenen Reihen. Achim Dahlbokum agiert ab September 2023 als CIO des Versicherers. Der bisherige CIO der AXA Versicherung in Deutschland, Stefan Lemke, verlässt das Unternehmen zum 31. August 2023.
Wüstenrot & Württembergische Seit Juli 2012 ist Jens Wieland IT-Vorstand der Wüstenrot & Württembergische AG. Gleichzeitig gehört er der Geschäftsführung der W&W Informatik GmbH an, der IT-Tochter der Versicherungsgruppe. Zuvor war Wieland fünf Jahre lang im Vorstand der AXA für das IT-Ressort zuständig.
Zurich Gruppe Deutschland Seit Januar 2021 ist Jens Becker Head of IT der Zurich Gruppe Deutschland. Er folgte auf Dorothée Appel.
Signal Iduna Stefan Lemke, CIO von Axa Deutschland, wechselt zum 1. Januar 2024 als IT-Vorstand zur Signal Iduna Gruppe
Debeka Die Debeka hat eine neue IT-Vorständin. Laura Müller steigt intern auf und folgt auf Roland Weber, der das Unternehmen verlässt.
Alte Leipziger Seit Januar 2018 ist Udo Wilcsek stellvertretendes Vorstandsmitglied im Alte Leipziger – Hallesche Konzern und für die IT zuständig. Davor war er – seit 2014 – Leiter des konzernweiten Zentralbereichs Betriebsorganisation.
VHV Versicherung Seit Januar 2022 ist Arndt Bickhoff Generalbevollmächtigter für den Bereich IT bei der VHV Holding.
Sparkassen Versicherung Der promovierte Mathematiker Thorsten Wittmann übernahm im Januar 2016 die Leitung des Ressorts Leben und IT der SV Sparkassen Versicherung (SV). Dazu gehört auch die IT-Tochter SV Informatik.
Hannover Rück Jürgen Stoffel ist seit Januar 2013 Managing Director IT/ Group CIO der Hannover Rück SE. Der Diplom-Mathematiker Stoffel war vor seinem Wechsel zur Hannover Rück fünf Monate lang Associate Partner bei IBM IT Management Consulting, arbeitete zwei Jahre lang als Head of Consulting & Projects bei ITERGO und war 13 Jahre beim IT-Beratungsunternehmen Comma Soft AG unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung.
Generali Deutschland Rainer Sommer übernahm im Mai 2015 als Vorstand der Generali Deutschland Holding die Aufgaben als COO und CIO. Außerdem wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der IT-Tochter Generali Deutschland Informatik Services GmbH.
HUK-Coburg Daniel Thomas hat seit 2016 die Aufgaben Betriebsorganisation und IT von Jörn Sandig übernommen, der Ende 2015 nach Auslaufen seines Vertrages in den Ruhestand ging.
Swiss Life Deutschland Beim Versicherungsunternehmen Swiss Life Deutschland hat Tobias Herwig zum 1. März 2023 die Position des Chief Technology Officer übernommen.
VPV Versicherungen Jürgen Reinsch ist seit Juli 2010 CIO der VPV Versicherungen in Stuttgart. Seit Januar 2018 ist er CDO und CIO. Vor seinem Wechsel zu VPV war Reinsch zwölf Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen in der W&W Gruppe. Davor arbeitete er in zwei Systemhäusern und als freiberuflicher Berater.
Gothaer Seit Juni 2016 ist Burkhard Oppenberg Geschäftsführer der Gothaer Systems GmbH, dem IT-Dienstleister im Gothaer Konzern, und CIO des Gothaer Konzerns. Er trat die Nachfolge von Volkmar Weckesser an.
R+V Holding Mitte Juni 2018 ist Tillmann Lukosch in den R+V-Holdingvorstand berufen worden. Er übernahm die Verantwortung für das Zentralressort Informationssysteme sowie für die digitale Transformation. Lukosch ist Nachfolger von Peter Weiler, der in den Ruhestand ging.
Munich Re Robin Johnson übernahm im April 2017 in Nachfolge von Rainer Janßen die Leitung des Zentralbereichs Information Technology bei der Munich Re. Johnson war vor seinem Wechsel zu Maersk von 2008 bis 2012 Global CIO beim US-Computerhersteller Dell.
LVM Marcus Loskant ist seit dem 1. Juli 2019 Mitglied des Vorstands der LVM Versicherung und verantwortlich für das IT Ressort. Dieses beinhaltet die Vorstandsmandate der LVM a.G., LVM Kranken, LVM Leben und LVM Pension - also aller LVM Versicherungen. Zuvor war er Generalbevollmächtiger für das IT-Ressort der LVM Versicherung.
Baloise Group Der promovierte Umweltwissenschaftler Alexander Bockelmann ist seit Februar 2019 Chief IT Officer (CTO) der Schweizer Baloise Group in Basel. Bockelmann kam von der österreichischen Versicherung Uniqua. Nach beruflichen Stationen bei der Boston Consulting Group und bei Versicherungsunternehmen in Deutschland und den USA wurde er 2013 Head of Group IT bei Uniqua. Seit Mitte 2016 war er dort Chief Digital Officer.
Provinzial Rheinland Patric Fedlmeier ist seit Januar 2018 Vorstandsvorsitzender des Konzerns Provinzial Rheinland. Er ist seit 2009 im Vorstand, zuletzt als stellvertretender Vorstandsvorsitzender für die Ressorts Vertrieb und IT zuständig. Diese Aufgaben behält er.
Mobiliar Thomas Kühne ist seit Januar 2019 Leiter IT und Mitglied der Geschäftsleitung beim Allversicherer Mobiliar in Bern in der Schweiz. Er war davor IT-Leiter bei Zurich Deutschland. Der Informatiker hatte diese Aufgabe im Dezember 2017 übernommen. Zuvor verantwortete er seit 2016 als Bereichsleiter Enterprise Transformation and Services bei der Zurich Gruppe Deutschland alle Shared Services sowie Betriebsorganisation, Real Estate, Einkauf und das Druckzentrum. Seit 2017 war er zugleich auch COO des Direktversicherers der Gruppe DA Direkt.
Viridium Martin Setzer ist seit April 2018 CIO und Mitglied des Vorstands der Viridium Gruppe. Setzer war davor bis Mitte 2017 Mitglied des Vorstands und COO der Landesbank Baden-Württemberg. Im Anschluss beriet er Unternehmen im Bereich der Digitalen Transformation und übernahm Mandate in Start-ups der Finanzindustrie (Fintechs).
HDI Global SE Die IT und den Bereich Operations im Vorstand der HDI Global SE führt seit Juli 2018 Thomas Kuhnt. Kuhnt kam von der Unternehmensberatung McKinsey & Company.
HDI Lebensversicherungs AG Zum 1. März 2021 wechselte Dirk Böhme vom IT-Beratungshaus Silbury in den Vorstand der HDI Lebensversicherungs AG. Zugleich wird er Vorstandsmitglied der HDI Systeme AG, dem IT-Dienstleister der Talanx-Gruppe.
Zurich Seit Frühjahr 2012 verantwortet Claudia Dill als COO (Chief Operation Officer) die IT der Sparte General Insurance beim Schweizer Konzern Zurich. Sie berichtet an Kristof Terryn, den obersten IT-Entscheider des Konzerns.
BayDit AG Die Versicherungsgruppe die Bayerische bündelt seit Januar 2019 in der "die Bayerische Digital AG" (BayDit AG) ihre digitalen Aktivitäten. Das Unternehmen wird von einer Doppelspitze geführt: Der Vorstand besteht aus Michael Brand (l.) und Thomas Wolf. Michael Brand ist Diplom-Informatiker mit Schwerpunkt Software-Engineering und seit 1990 in der Versicherungs-IT tätig. Seit 2007 ist er Geschäftsführer der Bayerischen IT GmbH. Thomas Wolf, Diplom-Ingenieur Elektrotechnik, war von 2002 bis Oktober 2018 Vorstand der iS2 Intelligent Solution Services AG.
Süddeutsche Krankenversicherung (SDK) Ralf Oestereich wurde im April 2019 IT-Vorstand der Süddeutsche Krankenversicherung a. G (SDK). Er ist als Vorstand für Informationstechnik für die Bereiche IT-Anwendungsentwicklung und IT-Betrieb sowie die Betriebsorganisation zuständig.
Bei der Software-Auswahl für den optimalen Arbeitsplatz für Versicherungsagenten ging der COO neue Wege. Nach der Definition eines Minimum Viable Products (MVP) ließ er die zwei auf der Shortlist verbliebenen CRM-Anbieter in zwei je einwöchigen Hackathons gegeneinander antreten: "Zusammen mit Vertretern aus dem Vertriebsbereich haben wir die Hersteller in 'Ultra Sprints' jeweils innerhalb einer Woche die MVPs bauen lassen." Als klarer Sieger ging Salesforce aus dem Wettbewerb hervor. Frick lobt die Innovationskraft und Unternehmenskultur des kalifornischen Softwareanbieters. Neben der Sales Cloud führte er auch die Marketing Cloud von Salesforce ein. In der Schweizer Versicherungsbranche war das ein Novum.
Der Knackpunkt in Sachen Nutzerakzeptanz liegt für Frick in der veränderten Verkaufsphilosophie, die die Salesforce-Plattform mit sich bringe. Der Verkaufsprozess werde dadurch nicht nur strukturierter, sondern auch deutlich transparenter. So lasse sich beispielsweise jederzeit nachvollziehen, ob ein Agent auch wirklich den Leads aus Marketing-Kampagnen nachgehe. Gerade die Kombination mit der Marketing Cloud erlaube es zudem, die Effizienz von Marketing- und Vertriebsaktionen zu messen.
Frick: "Für die meisten Vertriebsmitarbeiter bedeutete das eine große Umstellung, für die Akzeptanz geschaffen werden musste." Die Generali Schweiz habe deshalb ein umfangreiches Change-Management-Programm gestartet. Durch das frühe Einbinden von Agenten und anderen Business-Vertretern schon während der Tool-Auswahl sei die Akzeptanz für das neue System inzwischen hoch.
Home-Office und New Normal
Einschneidende Veränderungen für Generali brachte auch der Ausbruch der Covid-19-Pandemie mit sich. Gleich zu Beginn der Krise wurde eine Corona Task Force unter Fricks Leitung gegründet. Mitte März beschloss die Geschäftsleitung, alle Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken. Zu 98 Prozent sei dies innerhalb einer Woche gelungen, so der COO: "Das schnelle und umsichtige Handeln wurde von den Mitarbeitern sehr positiv aufgenommen."
Nach den guten Erfahrungen wünschten sich inzwischen zwei Drittel der Mitarbeiter eine Ausweitung der Heimarbeit auch nach der Krise. Frick: "Wir haben als Geschäftsleitung darauf reagiert und ein stark erweitertes Home-Office-Konzept in das 'New Normal' übernommen."
Innovationen mit InsurTechs
Geht es um IT-gestützte Innovationen, setzt der Versicherer unter anderem auf das 2019 gegründete Tochterunternehmen House of InsureTech Switzerland (HITS). Gemeinsam mit Salesforce und dem Dienstleister TCS arbeitet die Generali dort mit mehreren Startups aus der InsurTech-Szene zusammen. Inhaltlich geht es beispielsweise um Robotik-Funktionen, Online Billing, künstliche Intelligenz und Advanced Analytics. Ein wesentlicher Aspekt für Frick ist die Verbindung zum Mutterkonzern: "Innovationen lassen sich im Grunde schnell generieren, der Versicherungsbereich ist ein breites Betätigungsfeld für die Digitalisierung. Das Problem ist die technische und prozedurale Verbindung mit dem Kerngeschäft."
Um die technische Verknüpfung zu erleichtern, stellt die Innovationstochter beteiligten Startups etwa eine anonymisierte "Sandbox" der CoPa zur Verfügung. Frick: "Die Startups können auf diese Weise Erfahrungen mit der typischen Infrastruktur eines Blue Chips sammeln." Generali Schweiz wiederum profitiere von einem Proof of Concept für die Anbindung von Startup-Systemen. Damit schaffe man den Ausgangspunkt für eine Implementierung in der Corporate-IT. Frick: "Unterm Strich ist das eine echte Win-win-Situation."
Neue Wege geht der IT-Chef auch in Sachen Cloud Computing. Bis Februar 2021 will er die bisher bei einem Hosting-Dienstleister betriebene CoPa in die Google Cloud migriert haben. Die hohe Ausfallsicherheit und die zugesicherte Datenhaltung in der Schweiz hätten für den Cloud-Provider gesprochen, berichtet er. Ausschlaggebend aber war ein anderer Aspekt: "Wir sparen damit 40 Prozent der IT-Betriebskosten."