"Ich bin tief enttäuscht", sagte Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer. "Nach Wochen der Durststrecke schickt die Politik die um ihr Überleben ringenden Unternehmen in die dreiwöchige Verlängerung. Und das gefühlt wie kurz vor der rettenden Oase." Viele der Betriebe würden nicht bis Mai durchhalten, fürchtet er.
Auch der Handelsverband hatte die Maßnahmen kritisiert. Es gebe aus Sicht des Handels kein Sachargument für eine stufenweise Öffnung der Läden, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth mit Blick auf die Beschränkung der Öffnung auf kleinere Geschäfte.
Andere Branchen äußerten sich erleichtert, dass ein Ende der Beschränkungen absehbar ist. "Es sind gute Nachrichten für das Friseurhandwerk", sagte Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks. "Wir können damit planen." Über die Terminvergabe könne das Handwerk die Zahl der Menschen in den Salons regulieren. "Man muss sehen, dass ein vernünftiger Mittelweg gefunden wird, und das hat die Politik geschafft."
Aufatmen in der Autoindustrie
Aufatmen konnte auch die Autoindustrie, weil Kfz-Händler ab dem 3. Mai wieder öffnen dürfen. Die Entscheidung, den stationären Kfz-Handel für den Verkauf von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen wieder zuzulassen, sei ein wichtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg, auch den Hochlauf der Produktion wieder zu ermöglichen, teilte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, mit.
Weiterhin schwer getroffen von der Corona-Krise bleibt hingegen das Gastgewerbe. Restaurants, Kneipen und Clubs bleiben auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Branchenverband Dehoga hatte deshalb erneut ein Rettungspaket gefordert, das aus einem Fonds sowie der Kürzung der Mehrwertsteuer für die Vor-Ort-Gastronomie bestehen sollte.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, nannte es klug, dass Bund und Länder eine "vorsichtige und flexible" Ausstiegsstrategie gewählt hätten. Zum einen setze sie ein klares Signal, dass der Schutz von Menschenleben und Gesundheit die oberste Priorität bleibe. Zudem gehe sie mit der nötigen Umsicht vor, da die Unsicherheit nach wie vor enorm groß sei.
Aber sie gibt der Politik aus Sicht des Ökonomen "genug Flexibilität, um auf neue Daten und Fakten angemessen reagieren zu können". Die Politik beweise damit Rückgrat und Standhaftigkeit, "indem sie den immer lauter werdenden Forderungen nach baldigen und möglichst weitgehenden Lockerungen widersteht" und nicht anderen Ländern mit deutlich schnelleren Ausstiegsstrategien folge.
Das absolute Mindestmaß des Notwendigen
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hält die Lockerungen maximal für ausreichend. "Es ist das absolute Mindestmaß des Notwendigen", sagte Hüther t-online.de. Er kritisierte die fehlende Abstimmung auf europäischer Ebene. "Vieles hängt auch an der europäischen Koordinierung, die leider nicht kraftvoll ist", so der Ökonom. "Jedes Land werkelt für sich." Der Ökonom und langjährige "Wirtschaftsweise" Peter Bofinger ist skeptisch, dass die Lockerungen zu einem starken Anstieg der Binnennachfrage führen werden. Die Konsumlaune werde nicht sprunghaft steigen, sagte Bofinger. Grundsätzlich begrüßte der Ökonom, dass Bund und Länder eine Exit-Strategie aufzeigten.
Aus Sicht des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) sind unter dem Gesichtspunkt des Erhalts von Betrieben und Arbeitsplätzen die vereinbarten Lockerungen zu zaghaft ausgefallen. Viele Selbstständige seien von einer Insolvenzwelle bedroht, sagte Verbandspräsident Mario Ohoven der Funke Mediengruppe. (dpa/rw)