Die Corona-Krise dürfte nach Einschätzung von Ökonomen den Anstieg der Mieten und Immobilienpreise dämpfen. Selbst ein Ende des zehnjährigen Immobilienbooms in Deutschland sei denkbar, wenn sich die Krise noch Monate hinziehe und der Alltag der Menschen stark eingeschränkt bleibe. Das würde Mietern und Immobilienkäufern nach den rasanten Aufschlägen der vergangenen Jahre Luft verschaffen. 2019 verteuerten sich Wohnungen und Häuser laut Zahlen des Statistischen Bundesamts erneut um mehr als fünf Prozent.
Angesichts der Unsicherheit über die Folgen der Pandemie und der Ausgangsbeschränkungen dürfte der Wohnungsmarkt nun aber in den nächsten beiden Monaten zum Erliegen kommen, sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Besichtigungen finden kaum statt, und viele Käufer halten sich zurück, weil sie um ihre Jobs bangen oder schrumpfende Einkommen erwarten." Bei Google-Suchen zu Kaufen, Mieten oder Wohnen seien schon Rückgänge zu beobachten, was Voigtländer als Indikator wertet. Auch Vermittler von Baufinanzierungen wie Hüttig & Rompf verzeichneten zuletzt einen Rückgang bei den Kundenanfragen.
Platzt jetzt die Immobilienblase?
Er erwarte eine Stagnation der Immobilienpreise oder leichte Rückgänge, sagte Voigtländer. "Ich bezweifle, dass etwa die ambitionierten Preise bei Neubauten derzeit noch durchzusetzen sind." Der Immobilienmarkt könne sich einem Einbruch der Wirtschaft, wie ihn Ökonomen vorhersagen, nicht entziehen. Das glauben auch Volkswirte der Landesbank Helaba: Alle Immobilienzyklen in Deutschland hätten in den vergangenen Jahrzehnten mit einer Rezession geendet.
Das Potenzial für Mietsteigerungen sei ebenfalls beschränkt, sagte Voigtländer, denn die Einkommen dürften weniger stark steigen als vor der Krise. Daneben belasten auch neue Vorschriften zum Mieterschutz bei Zahlungsverzug die Vermieter: Sie dürfen Mietern nicht mehr kündigen, wenn diese wegen der Corona-Krise die Miete nicht zahlen können. Gelten soll dies zunächst für Mietschulden von April bis Ende Juni, wie das Bundeskabinett am Montag beschloss.
Schlechte Zeiten für Vermieter
Große Wohnungskonzerne haben Mietern bereits Zugeständnisse gemacht: So verzichtet LEG Immobilien im Zusammenhang mit der Corona-Krise vorerst auf Mietsteigerungen oder Kündigungen. Auch Vonovia sieht wegen der Pandemie bis auf Weiteres von höheren Mieten ab, und Deutsche Wohnen hat zugesagt, Zahlungen zu stunden.
"Die rosigen Zeiten für Vermieter sind vorbei, und der Verhandlungsspielraum für Mieter könnte wieder wachsen", sagt Voigtländer. "Viele Vermieter dürften erst mal froh sein, wenn sie zuverlässige Mieter nicht verlieren."
Finanzieller Spielraum geht zurück
Ähnlich sieht Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der Bochumer EBZ Business School, die Lage. "Wer nicht muss, kauft in der Krise keine Immobilie oder verschiebt den Umzug in eine größere Wohnung", sagte er. Ein Anstieg von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verringere den finanziellen Spielraum, den Haushalte für die Miete hätten. "Einige Verträge könnten für Mieter zu teuer werden."
Bei Immobilienkäufern komme dazu, dass Menschen mit Aktienvermögen im jüngsten Börsencrash viel Geld verloren hätten - das fehle nun zum Wohnungskauf. Der Druck auf die Immobilienpreise wachse, so Vornholz. Für Großanleger blieben Immobilien zwar attraktiv. Doch es sei unklar, ob sie die hohen Preise zahlten, wenn es Unsicherheit über die Mieteinnahmen gebe. Auch ein Ende des langen Immobilienbooms sei denkbar, meint Vornholz. "Wenn die Corona-Krise lange dauert und die Einschränkungen im Alltag bleiben, könnte das die Wende bedeuten."
Wohnungsknappheit bleibt
Ein Einbrechen der Mieten und Kaufpreise sieht IW-Experte Voigtländer aber nicht. Preisrückgänge um 30 Prozent, wie manche Beobachter schon prophezeiten, halte er für unwahrscheinlich. "Die Wohnungsknappheit in den Städten bleibt, die Zinsen für Finanzierungen sind niedrig, und viele Menschen haben hohe Vermögen." Mit Zinssenkungen in der Corona-Krise haben Notenbanken jüngst die Niedrigzinsen zementiert.
Gegen einbrechende Preise und Mieten auf breiter Front spricht auch die Wohnungsknappheit in den Städten. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern. Denn die Corona-Krise trifft auch die Baubranche. Mancherorts kommt es schon zu Verzögerungen. "Große Baufirmen haben Probleme, da bei Subunternehmen ausländische Arbeitskräfte fehlen", berichtet der Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Die Bauarbeiten im Land gingen weiter, wenn auch mit erhöhten Vorsichtsmaßnahmen. "Die Arbeiter müssen Abstand halten und notfalls in versetzten Schichten arbeiten." (dpa/rs)