Wenn im Zuge der Corona-Krise immer mehr Beschäftigte von zuhause aus arbeiten müssen, sind die CIOs in den Unternehmen besonders gefordert. Zum einen, was die technische Umsetzung betrifft. Zum anderen ist virtuelle Zusammenarbeit, die über einen längeren Zeitraum ohne persönlichen Austausch funktionieren soll, eine Herausforderung, die Führungskräfte über die Einführung einer Collaboration-Plattform hinaus jeden Tag von neuem fordert.
Permanentes Home Office ist eine neue Herausforderung
Die Aussicht, nicht nur tageweise, sondern ganze Wochen vom heimischen Schreibtisch aus zu arbeiten und sich nicht zwischendurch persönlich treffen und austauschen zu können, stellt selbst erfahrene Home Worker vor neue Herausforderungen. So ist man jeden Tag von Neuem aufgerufen, sich und seine Arbeit sinnvoll zu strukturieren. In dem Zusammenhang kommt Führungskräften eine Schlüsselrolle zu. Täglicher Kontakt über E-Mail, Telefon oder Messaging-Tools wird wichtiger - ebenso das unmittelbare Feedback für Mitarbeiter, aber auch für Teams.
Ist ein Mitarbeiter für längere Zeit nicht mehr physisch im Büro anwesend, droht das Gefühl verloren zu gehen, ein vollwertiges Mitglied der Arbeitsgemeinschaft, sprich des Unternehmens, zu sein. Eugenio Pace, Chef des US-amerikanischen IT-Security-Unternehmens Auth0 vergleicht virtuelles Arbeiten "mit einem Besuch im Fitness-Studio. Man muss seinen eigenen Rhythmus und seine eigene Struktur finden, um Ergebnisse zu erzielen. Das kostet Zeit."
Jeder zweite der 600 Mitarbeiter von Auth0 arbeitet schon immer im Home Office. Durchhaltevermögen und Disziplin seien ebenso wichtig wie die Einsicht der Führungskräfte, sich mehr um Mitarbeiter in virtuellen Teams kümmern zu müssen: "Wir müssen sicherstellen, dass sie sich austauschen können und engagiert bei der Sache bleiben." In Sachen Austausch seien die technischen Voraussetzungen übrigens das geringste Problem, so Pace weiter.
Carsten Priebs, CIO von Randstad: Postalische Grüße aus der wirklichen Welt
Beim Personaldienstleister Randstad wird das Townhall-Meeting nächste Woche sicherheitshalber virtuell abgehalten. Da deshalb notgedrungen auch das gemeinsame Essen und Beisammensein ausfällt, packte CIO Carsten Priebs kurzerhand Päckchen, die Snack-Food und allerlei Nützliches für die Belegschaft enthielten. So können sich Mitarbeiter auch mal entspannt mit Chips oder Popcorn zurücklehnen, wenn zum Schluss der Veranstaltung ein Video mit dem Erreichten der letzten Monate gezeigt wird. Priebs: "Spaß und Freundlichkeit hören auch in Zeiten von Corona nicht auf."
Scrum klappt trotz Corona: Stand-up und Check-out virtuell
Eine Managerin hat ihr Entwickler-Team zur Corona-Prävention ins Home Office geschickt. Um Kontakt zu halten und die Struktur aufrecht zu erhalten, habe sie mit den Scrum-Mastern beschlossen, dass jetzt nicht nur der morgendliche Stand-up in Form einer Videokonferenz abgehalten wird, sondern abends als Abschluss des Tages noch ein "Check-out" stattfindet. Das verleihe dem Tag eine stabilisierende Klammer und eine Zielmarke.
QAware: Virtuelle Kaffeeküchen und Austausch mit anderen Firmen
Die über 180 Mitarbeiter des IT-Projekthauses QAware aus München arbeiten seit kurzem von zuhause aus. Um die gute Zusammenarbeit trotz Home office für alle aufrechtzuerhalten, haben sich Personalchefin Christine Böttcher und die drei Geschäftsführer einiges einfallen lassen: Kollegen konnten ihre Büroausstattung, auch Bürostühle, mit nach Hause nehmen und zusätzliches Equipment ohne Freigabeprozess bestellen. IT-Equipement wie Headsets, Mäuse, Adapter, Kabel, Tastaturen gab es am "Selbstbedienungsregal". Dazu Böttcher: "Die Kollegen aus der IT haben sogar angeboten, bei den Kollegen zu Hause vorbeizufahren, um ihnen Equipment, das sie auf Lager hatten zu liefern."
Zudem hat QAware Chat-Communities für Eltern mit daheimgebliebenen Kindern und zu produktivem Arbeiten eingerichtet, offene Videokonferenzen für einzelne Projekte und die ganze Firma dienen als virtuelle Kaffeeküchen. "Unter dem Hashtag #shareyourdesk teilen wir untereinander Fotos von den Bürosituationen zuhause, das stärkt das Gemeinschaftsgefühl", sagt Böttcher. "Wir stehen seit Beginn der Krise mit unserem Partnernetzwerk (Best Friends) in sehr engem Kontakt und Austausch. Wir teilen unsere Handlungspläne, strategische Weichenstellungen, Sales Aktivitäten und Erfahrungen mit Remote Work. Auch mit unseren Kunden arbeiten wir sehr eng remote zusammen, haben uns über geeignete Modi für Remote Work mit Ihnen abgestimmt und die Meetings auf Videokonferenzen umgestellt."
Kerstin Wriedt, BWC: Über Cloud, geteilte Yoga-Hacks und virtuelles Frühstück
Kerstin Wriedt arbeitet als Managing Director Brand & Business bei BCW (Burson Cohn & Wolfe) und stand 2019 vor der Herausforderung, eine durch Merger neu entstandenes Agenturteam in Deutschland über fünf Büros (Berlin, München, Köln, Frankfurt, Hamburg) zusammenzuführen. Die barrierefreie Zusammenarbeit und offene Kommunikation intern war für uns Prioritäten. Seit dem 13. März arbeiten alle Mitarbeiter ausschließlich über die Cloud zusammen. Daten werden "on the fly" von den Servern in die Cloud transferiert, um allen einen reibungslosen Zugriff auf ihre Arbeitsmaterialien zu geben.
Ein erster Zwischenbericht nach vier Tagen: "Leute nehmen die Situation sehr ernst, packen an, geben Feedback, stellen Fragen, chatten oder rufen kurz an. Wann immer möglich mit Video - es freut und erfrischt, die vermissten Kolleginnen zu sehen. Das Stand-up am Montag wurde deshalb auch ein umfangreicher Videocall. Wir haben in alphabetischer Reihenfolge unsere Updates gegeben und unsere Küchen, Wohnzimmer oder Arbeitszimmer bewundert. Besonders schön und belebt sind die vielen Videocalls, in denen Kleinkinder herumwuseln oder Schulkinder an das nahende Mittagessen erinnern und Kollegen in der Küche stehen, während wir 'meeten'."
Die Eltern unter uns leisten in doppelter Hinsicht Großes im Moment. Wriedts Eindruck: "Die Achtsamkeit füreinander und der Zusammenhalt wachsen in der Herausforderung. Gemeinschaft erleben ist wichtig, insbesondere für die Kolleginnen, die allein leben. So treffen sich morgen verschiedene Teams am Welttag des Frühstücks virtuell; Kollegen teilen Yoga-Hacks, verabreden sich auf eine virtuelle Tasse Kaffee. So, wie sie es sonst im Büro getan hätten."
Als Führungskraft achtet Wriedt darauf, die Leute, mit denen sie eng zusammenarbeitet, jeden Tag zu sprechen, zu sehen und zu hören, was sie bewegt: "Wir können in diesen Tagen nicht zu viel kommunizieren, mehrfache Updates und Guidance bei aufkommenden Themen sind wichtig. Klarheit in der Information ist genauso wichtig wie zwischendrin ein bisschen Herumwitzeln oder das Teilen von Erfolgen."
Noch sind die Tage durch die Calls und Abstimmungen etwas aus dem Rhythmus. Darum hat sich die Managerin vorgenommen: "Die Mittagspause fest einplanen und solange es möglich ist, am Abend ein längerer Lauf oder Spaziergang draußen."
Lutz Hirsch, Hirschtec: Digitales Loben funktioniert!
Lutz Hirsch, CEO von der Intranet-Agentur Hirschtec, sagt: „Für Führungskräfte ist es wichtig, authentisch zu bleiben und gerade in Krisensituationen rasch in den virtuellen Austausch zu gehen." Er empfiehlt, lieber schnell über das Smartphone oder Laptop selbst ein Video aufzunehmen, als auf die professionelle Produktion zu warten. "Ich habe letzten Sonntag über Yammer alle Mitarbeitenden auf die Heimarbeit eingestellt und am Montag ein Video dazu nachgeschoben." Seitdem laufe alles über Microsoft Teams und Telefonate.
Hirsch rät allen Managern und Managerinnen zudem: Sie sollten sich täglich in die digitalen Diskussionen im internen Social Network einklinken. So erhielten die Mitarbeitenden die nötige Orientierung und Leitplanken für ihre tägliche Arbeit. Sei es wertvolles Feedback oder Nachfragen zu bestimmten Themen. So spürten diese schnell, wo es aktuell noch Klärungsbedarf gibt. Und, das ist Hirsch ganz wichtig: "Auch digitales Loben funktioniert! Ein Like-Daumen oder Smiley zeigen Wertschätzung für Ihre Mitarbeitenden und fördert den Teamgeist."
Marc Pantalone, HWS Gruppe: Auch mal abschalten und Pausen nicht vergessen!
Marc Pantalone, vom IT-Dienstleister HWS, schrieb uns: "Wir organisieren uns und unsere Kunden hauptsächlich via Homeoffice. Das ist für viele unserer Kunden eine neue Erfahrung, zumindest in dieser Dimension. Unsere Mitarbeiter arbeiten über gängige Collaboration Tools virtuell und wie gewohnt eng zusammen, was meiner Meinung nach ein guter Kompromiss aus Produktivität und Sicherheit ist."
Pantalone ist bei der HWS Gruppe für den Bereich IT Security Software verantwortlich und arbeitet auch als Product Owner für die Weiterentwicklung eigener Lösungen. "Dabei muss ich eng mit unseren Entwicklungsteams arbeiten und virtuell in der Lage sein, die Produktentwicklung wesentlich mitzugestalten und zu steuern." Man habe einen guten Rhythmus mit virtuellen Meetings gefunden, in denen neben der Betrachtung des Backlogs und technischen Inhalten auch darauf geachtet wird, die Videofunktion zu nutzen. "Wenn wir den anderen sehen, behalten wir ein Gefühl dafür, wie das Gegenüber auf unsere Ideen und Pläne reagiert. So können wir viel besser einschätzen, welchen Weg wir zusammen gehen können und sollten. Kurze Daily-Meetings in der Früh sind zum Beispiel eine gute Gelegenheit dafür", so der Manager.
Für Pantalone ist aber vor allem die persönliche Begegnung wichtig. Auch wenn sie derzeit meist nur virtuell stattfinden kann, sei sie nicht zu unterschätzen und sollte möglichst beibehalten werden. Das gebe der Zusammenarbeit eine ganz andere Note und verbessere die Laune wesentlich, denn niemand sitze gern Tag für Tag allein zu Hause: "Wir sehnen uns alle nach sozialen Kontakten!"
Dennoch sollte man auch im Home Office die Pausen nicht vergessen: "Es entspannt mich zum Beispiel, einfach nur fünf bis zehn Minuten auf meiner Couch zu sitzen, in den Garten zu schauen und gemütlich einen Kaffee zu trinken." Solche Five-Minute-Breaks gäben ihm Raum für neue Gedanken.