Künftig stehen die Adobe CreativeCloud und deren SMB-Variante TeamCloud nur noch als Mietlizenz zur Verfügung. Kunden und Channelvertreter betrachten diesen radikalen Schnitt mit gemischten Gefühlen. Hardy Köhler, Director of Channel Sales EMEA bei Adobe Systems, erläutert, was Adobe zu diesem Schritt bewogen hat, wie das Modell im Detail aussieht, und was Adobe weiter plant.
Was hat Adobe dazu veranlasst, die Creative-Software künftig nur noch per Abo-Modell zur Verfügung zu stellen?
Hardy Köhler: Uns ist sehr wichtig, dass wir unsere Entwicklungs-Ressourcen fokussieren können. Um Innovationen schneller zur Verfügung zu stellen, reicht ein Release alle 12 bis 24 Monate nicht aus - Innovationen müssen sofort zur Verfügung gestellt werden können. Und das geht nicht, wenn man eine Box oder einen Datenträger liefern muss. Alleine die doppelte und dreifache Lagerhaltung, gepaart mit den entsprechenden Management-Systemen dahinter, bindet Energie, die im besten Fall in die Innovationen und nicht die Verwaltung der Innovationen gesteckt werden sollte. Im Gegensatz zum klassischen Lizenzmodell lassen sich bei den Mietlizenzen jederzeit zusätzliche Funktionen einspielen.
Bislang waren Nutzer der Creative- und der Team Cloud nicht gezwungen, jede Funktionserweiterung zu übernehmen. Gilt das auch künftig?
Köhler: Ja, der Anwender hat auch künftig die Wahl.
Die Creative- und Team Cloud-Lizenzen waren bislang jederzeit auf weitere Nutzer des Unternehmens übertragbar. Wird das auch im Abo-Modell möglich sein?
Köhler: Ja, gerade diese Managementfunktion ist eines der wichtigen Unterscheidungsmerkmale und sie ist derzeit nur in der Teamversion enthalten.
Aktuell müssen die Applikationen nach wie vor auf einem Endgerät installiert werden. Insofern sind Creative- und TeamCloud keine Cloud-Lösung, sondern ein Abo-Modell, erweitert um einen Online-Speicherplatz. Gibt es Pläne, die Software in eine echte SaaS-Lösung umzuwandeln?
Köhler: Das stimmt - die Creative Cloud ist kein SaaS-Modell, sondern eine Subscription. Allerdings ist die Creative Cloud auch jetzt schon angereichert mit SaaS-Funktionen wie zum Beispiel unseren Font-Technologien. Wie sich die Creative Cloud weiter entwickeln wird, werden wir bekannt geben, sobald es hier etwas Neues gibt. Mehr können wir zum jetzigen Zeitpunkt dazu nicht sagen.
Wie lange wird die Creative Suite 6 (CS6) künftig noch als Box-Version verfügbar sein?
Köhler: Bis der derzeitige Vorrat aufgebraucht ist. Es werden keinerlei CS6-Boxen mehr nachproduziert werden. Lediglich die Consumer-Produkte der Elements-Familie (Photoshop Elements, Premiere Elements) und Lightroom wird es auch weiterhin als Box-Version geben.
Weshalb wurde beschlossen, die CS6 noch für eine Weile als Kauflizenz-Variante zu erhalten?
Köhler: Einige unserer Kunden sind noch nicht so weit, dass sie ihren Einkaufsprozess von Lizenzen auf das Mietmodell umstellen können. Daher bieten wir bis auf Weiteres die Produkte der Creative Suite 6 als elektronischen Download an (ESD) über Adobe.com oder über Fachhändler und Handelspartner an. Ein konkretes Abkündigungsdatum gibt es derzeit nicht. Allerdings werden alle Innovationen nur noch in der Creative Cloud stattfinden.
Welchen Anteil am Gesamtumsatz von 4,1 Milliarden US-Dollar hat das Abo-Geschäft aktuell?
Köhler: Seit ihrer Einführung im April 2012 hat Adobe mit der Creative Cloud mehr als 500.000 zahlende Mitglieder gewonnen und konnte mehr als 2 Millionen Testzugänge verzeichnen. Der Anteil des Creative Cloud Abo-Geschäfts an den Gesamteinnahmen lag im 1. Quartal 2013 bei 233 Millionen US-Dollar, das entspricht gegenüber dem Wert aus dem 4. Quartal 2012 (153 Millionen US-Dollar) einer Steigerung um etwa 34 Prozent.
Mit welchen Umsatzeinbrüchen kalkulieren Sie im Rahmen der Umstellung auf das reine Abo-Modell?
Köhler: Eine Vollversion - aber auch ein Upgrade-Produkt - kostet durchaus einiges mehr, als eine Jahresmiete für die Creative Cloud, vor allem, weil wir derzeit sowohl bei der Individual-, als auch bei der Teamversion Einführungsangebote haben. Eine Creative Suite Master Collection als Box kostete weit über 3.000 Euro, eine Creative Cloud Jahresmiete nach heutigem Incentive (39,99 pro Monat anstatt 69,99) knapp 480 Euro. Wir gehen im ersten Jahr der Umstellung jedoch davon aus, dass der Umsatz ungefähr auf dem Vorjahresniveau bleiben wird.
Wir rechnen für das Geschäftsjahr 2013 damit, dass der Umsatz wie im Vorjahr bei etwa 4,1 Milliarden US-Dollar liegen wird, und im Vorfeld der MAX haben wir bekräftigt, dass wir aktuell davon ausgehen, dieses Ziel auch zu erreichen.
Weshalb gehen Sie davon aus, dass alle Kunden bereit sind, den Wandel zum reinen Abo-Modell mitzugehen?
Köhler: Der Trend geht zur Miete, nicht nur bei Haus und Auto. Dennoch gehen wir nicht davon aus, dass alle Kunden sofort mit fliegenden Fahnen Richtung Mietmodell gehen werden, da es für viele unserer Kunden eine Umgewöhnung bedeutet. Die Vorteile der Innovationen und die schnellere Reaktion auf veränderte Gegebenheiten sprechen jedoch eindeutig für die Cloud und das Modell des Abo. Immer mehr Softwarehersteller, auch außerhalb des Security-Bereichs, gehen diesen Weg.
Was wir darüber hinaus gemerkt haben ist, dass die Kundenzufriedenheit mit dem Eintritt in die Creative Cloud schlagartig angestiegen ist, und das bestärkt uns in der Ansicht, hier den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.
Andere Anbieter wie beispielsweise Microsoft setzen zwar ebenfalls zunehmend auf Cloud-Modelle, bieten aber weiterhin auch die Möglichkeit des Lizenzkaufs an. Weshalb hat sich Adobe entschieden, alles auf die Abo-Karte zu setzen?
Köhler: Wie vorhin schon gesagt, wir möchten unsere Entwicklungs-Ressourcen bündeln und die Innovationen schneller an den Kunden bringen. Dafür braucht es aber diese Art der Innovations-Distribution.
Welche Programme werden auch künftig noch als Kauf-Lizenz- oder Box-Produkt zur Verfügung stehen und werden Sie die Preise für diese Kauf-/Box-Lizenzen erhöhen?
Köhler: Wir planen keine Preiserhöhungen für die noch verbliebenen Box-Produkte der Elements-Familie (Photoshop Elements, Premiere Elements) und Lightroom. Allerdings denken wir darüber nach, hier dem Retail sogenannte POSA Versionen zur Verfügung zu stellen, die erst an der Kasse der Retailer aktiviert werden.
In der Welt der Lizenz wird neben der Creative Suite 6 auch Acrobat weiterhin angeboten, zu unveränderten Preisen.
Sowohl das Abo für die Team Cloud als auch dessen Verlängerung wird bislang ausschließlich über Reseller abgewickelt. Inwiefern wird sich daran etwas ändern?
Köhler: Die Individual-Version der Creative Cloud wird über Retail, etail und Adobe.com vertrieben. Die Creative Cloud für Teams über den Fachhandel und über Adobe.com. Der Anwender soll die Wahl haben, wo er seine Produkte beziehen möchte. Legt er Wert auf die Betreuung und Beratung durch einen Fachhändler, wird er dort kaufen. Hier muss der Fachhandel aktiv auf den Kunden zugehen, damit er sich entsprechend positionieren kann.
Inwiefern sind künftig noch die bisherigen Adobe-Distributoren in das Vertriebsmodell mit eingebunden?
Köhler: Im Moment planen wir in Zentraleuropa keine Veränderung der Distributionslandschaft, behalten uns das allerdings vor. Denn natürlich möchte ich auch weiterhin die Channel-Partner unterstützen, die aktiv unsere Strategie mit unterstützen und pushen.
Werden Sie für die Partner, die bislang die Adobe-Software als Kauf-/Box-Lizenz verkauft haben, während der Übergangsphase unterstützende Migrationsprogramme anbieten?
Köhler: Es gibt keine Migrationsprogramme für Partner. ESD, POSA könnten als ein solches Übergangsprogramm gelten, das empfände ich jedoch als Verunglimpfung des Wortes. Wir gehen den Weg Richtung Miete und machen es dem Fachhändler und dem Distributor sehr schmackhaft, in diese Richtung mitzugehen.
Update und Preise der Creative Cloud
Auf der MAX-Convention in Los Angeles kündigte Adobe eine neue Version der Creative Cloud an, die hunderte neuer Funktionen umfasst und ab Juni verfügbar sein soll.
Das Adobe Creative Cloud-Abo kostet 61,49 Euro monatlich innerhalb eines Jahresvertrages. Ein Upgrade für bestehende Creative Suite-Kunden (ab CS3) ist für 36,89 Euro im Monat mit Jahresabonnement verfügbar. Schüler, Studierende und Lehrer erhalten die Creative Cloud für 19,99 Euro monatlich. Sonderpreise für bestehende Kunden, darunter auch Nutzer, die eine CS6-Lizenz besitzen, sind verfügbar.
Die Creative Cloud für Teams enthalten neben allen Anwendungen und Services einer Creative Cloud-Mitgliedschaft für Einzelpersonen zusätzlich 100 GB Storage und zentrale Bereitstellungs- und Verwaltungsoptionen. Sie kostet pro Arbeitsplatz 86,09 Euro monatlich im Rahmen eines Jahresvertrages. Ein Upgrade für bestehende Creative Suite-Kunden (ab CS3) ist auch für Teams verfügbar und kostet bei einem Jahresvertrag 49,19 Euro im Monat für das erste Jahr pro Arbeitsplatz bei Vertragsunterzeichnung bis August 2013.
Ende des Jahres soll außerdem eine Enterprise Version auf den Markt kommen.
Auf der MAX Convention in Los Angeles wurde angedeutet, dass Adobe künftig auch Hardware-Produkte anbieten wird. Vorgestellt wurde der Eingabestift für Touchscreens "Project Mighty" und ein digitales Lineal namens "Napoleon Ruler".
Ab wann werden diese Produkte in Europa verfügbar sein?
Köhler: Bei den gezeigten Produkten handelt es sich um Technologien, die sich aktuell in einer Testphase befinden, es ist noch nicht sicher, ob und wann sie tatsächlich auf den Markt kommen. Zu dieser Frage können wir also derzeit noch keine Aussagen treffen. Aber mich haben diese Produkte ebenfalls sehr fasziniert.
Gemischte Reaktionen von Kunden und Partnern
Kurz nach der Abkündigung der Box-Lizenzen folgten fast 4.000 Anwender dem Aufruf von Derek Schoffstall auf Change.org eine Petition zu unterzeichnen, in der Adobe zur Rücknahme ihrer Pläne aufgefordert wird. Aktuell haben 13.352 unterschrieben.
Wie den Kommentaren auf change.org zu entnehmen ist, fühlten sich manche Anwender von Adobes Vorstoß schlichtweg überrollt. Sie befürchten, Adobe könne, nachdem das Abo-Modell einmal in Fahrt gekommen ist, die Preise einfach anheben.
Adobe-Distributoren hierzulande sehen die Lage etwas entspannter. "Die Änderungen bei Adobe sind sicherlich derzeit die konsequentesten am Markt, aber auch nachvollziehbar. Subscription, oder auch Abo-Modelle werden definitiv die Vertriebsmodelle der Zukunft bei Softwareprodukten sein. Wie diese Umstellung von den Kunden angenommen wird, werden die nächsten Monate zeigen", sagt Thorsten Schwecke, Senior Manager Software bei Ingram Micro.
Sybille Luecke, Business Unit Manager Volume Software bei Tech Data, bewertet Adobes Vorstoß "noch mit gemischten Gefühlen. Ein abrupter Wechsel der Vertriebsstrategie auf Mietlizenzen ist zunächst mit Umsatzeinbußen im gesamten Channel verbunden. Andererseits wissen wir aber auch, dass das Subscription-Modell langfristig zum Erfolg führen wird. Die Vorteile für die Endkunden liegen auf der Hand: flexibler Einsatz von Softwarelizenzen im Unternehmen, kontinuierliche Zugriff auf aktuelle Produktentwicklungen, die Option zur Absetzung der Kosten als Betriebsausgaben u.v.m." Das Geschäft für den Channel werde sich wieder stabilisieren und zu Mehrumsätzen, sobald diese Vorteile in der Breite des Marktes angekommen seien.
Rolle der Distribution
An den Aufgaben der Distribution werde sich durch die Umstellung auf das Abo-Modell we-nig ändern, schätzt Schwecke: "Auch in diesem Modell werden wir die Rolle des Multiplikators durch Trainings, Beratung und Unterstützung in den Vertriebs-prozessen unserer Kunden übernehmen." Ähnlich sieht das auch Tech-Data-Managerin Lücke: "Unsere Hauptaufgabe sehen wir aktuell im Partner Enablement. Hiermit wollen wir nicht nur unsere Bestandskunden, sondern auch neue Reseller auf das Abo-Modell vorbereiten. Wir unterstützen Sie bei den erforderlichen Zertifizierungen, erläutern die Vorteile und zeigen ihnen auf, dass durch Mietlizenzen höhere Margen als bei den bisherigen Kauflizenzen möglich sind."
Mit Umsatzeinbrüchen im Channel während der Umstellungszeit beide Distributoren. "Endkunden werden zunächst verhalten den Wandel der Adobe Vertriebsstrategie beobachten, neue Produktaktualisierungen auf ihre Notwendigkeit überprüfen und oben genannte Vorteile verinnerlichen", so Lücke. Langfristig betrachtet biete das Abo-Modell den Partner aber sehr gute Chancen, die Kundenbeziehungen zu vertiefen und Zusatzgeschäfte zu generieren. (rb)