Cloud-Strategie befeuert die Transformation

CTO Schell trimmt Allianz auf Agilität

17.02.2021 von Jens Dose
Deutschlands größter Versicherer stellt sich agil auf und setzt voll auf Cloud Computing. IT-Chef Axel Schell beschreibt den Weg der Allianz Deutschland von den ersten Gehversuchen bis zum unternehmensweiten Transformationsprogramm Agile@Scale.
Axel Schell, CTO der Allianz Deutschland: "In unserer überarbeiteten IT-Strategie von 2019 ist unter anderem festgehalten, dass die Cloud für alle Anwendungen als Standardplattform gilt."
Foto: Allianz Deutschland

"2017 starteten wir unsere Reise in die Cloud," berichtet Axel Schell, CTO der Allianz Deutschland. "Wir hatten uns relativ spät für eine neue Plattform entschieden. Als Versicherer verarbeiten wir viele sensible Kundendaten und wollten deshalb warten, bis die Datenschutz- und Sicherheitsfunktionen der Cloud unseren Anforderungen genügen." Ähnlich vorsichtig ging die Allianz auch die ersten Schritte an.

Als Pilotprojekte entwickelte die IT zunächst mehrere Minimum Viable Products (MVPs) im Frontend für den Kundenkontakt. Damals verwendete das IT-Team jedoch noch keine persistente Datenspeicherung in den neuen Services. Schell: "Der Vorteil aus der Sicherheitsperspektive war, dass wir die Anwendungen zwar in der Cloud betreiben und rechnen lassen konnten, die Daten aber weiterhin On-Premises gespeichert haben." So sammelte die IT Erfahrungen mit der Technologie und ließ gleichzeitig Sorgfalt bezüglich des Datenschutzes walten.

Nachdem die Testballons erfolgreich waren, verlagerte die Allianz-IT systematisch weitere Frontend-Systeme in die Cloud. Bis Ende 2020 wollte das IT-Team alle Anwendungen im Kundenkontakt aus dem Rechen­zentrum auf Cloud-Plattformen migriert haben. Gleichzeitig arbeiteten die Experten daran, auch die Infrastruktur im Backend und die Datenhaltung in die Cloud zu verlagern. 2020 migrierte die Allianz etwa 700 Server, sodass mittlerweile rund 70 Prozent aller Unternehmensanwendungen in der Public Cloud laufen.

Datenbanken wandern in die Cloud

2021 sollen mehrere hundert Datenbanken folgen. "Mit den Tools, die uns die Cloud zur Verfügung stellt, können wir einfacher Analytics-, KI- und Business-Intelligence-Funktionen nutzen oder dispositive Daten für Prognosen erstellen," so der IT-Chef. Zudem seien die für die Public Cloud angebotenen Datenbanken kostengünstiger als diejenigen traditioneller Anbieter, ließen sich einfacher verwalten und liefen stabiler.

Schell: "Mit unseren On-Premises-Datenbanken hatten wir viele komplexe Verbindungen vom Front- ins Backend. Das machte die Verwaltung und Fehlersuche aufwendig. In der Cloud rücken Datenbank und Anwendung näher zusammen, wodurch die Architektur einfacher und fehlertoleranter wird."

Die Top-CIOs der Versicherungsbranche
INTER Versicherungsgruppe
Roberto Svenda ist seit 1. Juli 2023 Vorstandssprecher der INTER Versicherungsgruppe und zuständig für das IT-Ressort.
AachenMünchener
Seit Juni 2014 verantwortet Helmut Gaul die Ressorts Betrieb und IT im Vorstand der AachenMünchener. Er kennt das Haus: schon 1984, kurz nach Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums an der Fachhochschule Köln, kam er zu der Aachener Versicherung. Dazwischen lag lediglich ein Jahr im Außendienst der Colonia Versicherung.
Talanx
Jens Warkentin ist seit Januar 2023 Talanx-CIO. Der Talanx-Finanzvorstand übernahm die Aufgaben von Christopher Lohmann.
ERGO Deutschland
Mario Krause ist seit Anfang 2019 CIO der deutschen IT-Einheiten von ERGO und Vorsitzender der Geschäftsführung der ERGO-IT-Tochter Itergo. Er war zuvor im Vorstand des Versicherungskonzerns Talanx AG in Hannover für IT zuständig und zugleich Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Talanx Systeme.
Helvetia Deutschland
Seit August 2020 ist Andrea Sturmfels als CIO für das Ressort Informatik von Helvetia Deutschland verantwortlich.
ERGO Global
Tomasz Smaczny ist seit Anfang 2019 Vorstandsvorsitzender der Ergo Technology & Services Management und Global CIO für die gesamte IT bei Ergo. Smaczny ist zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats der IT-Tochter Itergo.
Allianz SE
Seit 1. November 2023 hat der Versicherungskonzern Allianz mit Olav Spiegel einen neuen Group Chief Information Officer an Bord. Er folgt auf Ralf Schneider.
AXA Deutschland
Der neue IT-Chef der AXA Deutschland kommt aus den eigenen Reihen. Achim Dahlbokum agiert ab September 2023 als CIO des Versicherers. Der bisherige CIO der AXA Versicherung in Deutschland, Stefan Lemke, verlässt das Unternehmen zum 31. August 2023.
Wüstenrot & Württembergische
Seit Juli 2012 ist Jens Wieland IT-Vorstand der Wüstenrot & Württembergische AG. Gleichzeitig gehört er der Geschäftsführung der W&W Informatik GmbH an, der IT-Tochter der Versicherungsgruppe. Zuvor war Wieland fünf Jahre lang im Vorstand der AXA für das IT-Ressort zuständig.
Zurich Gruppe Deutschland
Seit Januar 2021 ist Jens Becker Head of IT der Zurich Gruppe Deutschland. Er folgte auf Dorothée Appel.
Signal Iduna
Stefan Lemke, CIO von Axa Deutschland, wechselt zum 1. Januar 2024 als IT-Vorstand zur Signal Iduna Gruppe
Debeka
Die Debeka hat eine neue IT-Vorständin. Laura Müller steigt intern auf und folgt auf Roland Weber, der das Unternehmen verlässt.
Alte Leipziger
Seit Januar 2018 ist Udo Wilcsek stellvertretendes Vorstandsmitglied im Alte Leipziger – Hallesche Konzern und für die IT zuständig. Davor war er – seit 2014 – Leiter des konzernweiten Zentralbereichs Betriebsorganisation.
VHV Versicherung
Seit Januar 2022 ist Arndt Bickhoff Generalbevollmächtigter für den Bereich IT bei der VHV Holding.
Sparkassen Versicherung
Der promovierte Mathematiker Thorsten Wittmann übernahm im Januar 2016 die Leitung des Ressorts Leben und IT der SV Sparkassen Versicherung (SV). Dazu gehört auch die IT-Tochter SV Informatik.
Hannover Rück
Jürgen Stoffel ist seit Januar 2013 Managing Director IT/ Group CIO der Hannover Rück SE. Der Diplom-Mathematiker Stoffel war vor seinem Wechsel zur Hannover Rück fünf Monate lang Associate Partner bei IBM IT Management Consulting, arbeitete zwei Jahre lang als Head of Consulting & Projects bei ITERGO und war 13 Jahre beim IT-Beratungsunternehmen Comma Soft AG unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung.
Generali Deutschland
Rainer Sommer übernahm im Mai 2015 als Vorstand der Generali Deutschland Holding die Aufgaben als COO und CIO. Außerdem wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der IT-Tochter Generali Deutschland Informatik Services GmbH.
HUK-Coburg
Daniel Thomas hat seit 2016 die Aufgaben Betriebsorganisation und IT von Jörn Sandig übernommen, der Ende 2015 nach Auslaufen seines Vertrages in den Ruhestand ging.
Swiss Life Deutschland
Beim Versicherungsunternehmen Swiss Life Deutschland hat Tobias Herwig zum 1. März 2023 die Position des Chief Technology Officer übernommen.
VPV Versicherungen
Jürgen Reinsch ist seit Juli 2010 CIO der VPV Versicherungen in Stuttgart. Seit Januar 2018 ist er CDO und CIO. Vor seinem Wechsel zu VPV war Reinsch zwölf Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen in der W&W Gruppe. Davor arbeitete er in zwei Systemhäusern und als freiberuflicher Berater.
Gothaer
Seit Juni 2016 ist Burkhard Oppenberg Geschäftsführer der Gothaer Systems GmbH, dem IT-Dienstleister im Gothaer Konzern, und CIO des Gothaer Konzerns. Er trat die Nachfolge von Volkmar Weckesser an.
R+V Holding
Mitte Juni 2018 ist Tillmann Lukosch in den R+V-Holdingvorstand berufen worden. Er übernahm die Verantwortung für das Zentralressort Informationssysteme sowie für die digitale Transformation. Lukosch ist Nachfolger von Peter Weiler, der in den Ruhestand ging.
Munich Re
Robin Johnson übernahm im April 2017 in Nachfolge von Rainer Janßen die Leitung des Zentralbereichs Information Technology bei der Munich Re. Johnson war vor seinem Wechsel zu Maersk von 2008 bis 2012 Global CIO beim US-Computerhersteller Dell.
LVM
Marcus Loskant ist seit dem 1. Juli 2019 Mitglied des Vorstands der LVM Versicherung und verantwortlich für das IT Ressort. Dieses beinhaltet die Vorstandsmandate der LVM a.G., LVM Kranken, LVM Leben und LVM Pension - also aller LVM Versicherungen. Zuvor war er Generalbevollmächtiger für das IT-Ressort der LVM Versicherung.
Baloise Group
Der promovierte Umweltwissenschaftler Alexander Bockelmann ist seit Februar 2019 Chief IT Officer (CTO) der Schweizer Baloise Group in Basel. Bockelmann kam von der österreichischen Versicherung Uniqua. Nach beruflichen Stationen bei der Boston Consulting Group und bei Versicherungsunternehmen in Deutschland und den USA wurde er 2013 Head of Group IT bei Uniqua. Seit Mitte 2016 war er dort Chief Digital Officer.
Provinzial Rheinland
Patric Fedlmeier ist seit Januar 2018 Vorstandsvorsitzender des Konzerns Provinzial Rheinland. Er ist seit 2009 im Vorstand, zuletzt als stellvertretender Vorstandsvorsitzender für die Ressorts Vertrieb und IT zuständig. Diese Aufgaben behält er.
Mobiliar
Thomas Kühne ist seit Januar 2019 Leiter IT und Mitglied der Geschäftsleitung beim Allversicherer Mobiliar in Bern in der Schweiz. Er war davor IT-Leiter bei Zurich Deutschland. Der Informatiker hatte diese Aufgabe im Dezember 2017 übernommen. Zuvor verantwortete er seit 2016 als Bereichsleiter Enterprise Transformation and Services bei der Zurich Gruppe Deutschland alle Shared Services sowie Betriebsorganisation, Real Estate, Einkauf und das Druckzentrum. Seit 2017 war er zugleich auch COO des Direktversicherers der Gruppe DA Direkt.
Viridium
Martin Setzer ist seit April 2018 CIO und Mitglied des Vorstands der Viridium Gruppe. Setzer war davor bis Mitte 2017 Mitglied des Vorstands und COO der Landesbank Baden-Württemberg. Im Anschluss beriet er Unternehmen im Bereich der Digitalen Transformation und übernahm Mandate in Start-ups der Finanzindustrie (Fintechs).
HDI Global SE
Die IT und den Bereich Operations im Vorstand der HDI Global SE führt seit Juli 2018 Thomas Kuhnt. Kuhnt kam von der Unternehmensberatung McKinsey & Company.
HDI Lebensversicherungs AG
Zum 1. März 2021 wechselte Dirk Böhme vom IT-Beratungshaus Silbury in den Vorstand der HDI Lebensversicherungs AG. Zugleich wird er Vorstandsmitglied der HDI Systeme AG, dem IT-Dienstleister der Talanx-Gruppe.
Zurich
Seit Frühjahr 2012 verantwortet Claudia Dill als COO (Chief Operation Officer) die IT der Sparte General Insurance beim Schweizer Konzern Zurich. Sie berichtet an Kristof Terryn, den obersten IT-Entscheider des Konzerns.
BayDit AG
Die Versicherungsgruppe die Bayerische bündelt seit Januar 2019 in der "die Bayerische Digital AG" (BayDit AG) ihre digitalen Aktivitäten. Das Unternehmen wird von einer Doppelspitze geführt: Der Vorstand besteht aus Michael Brand (l.) und Thomas Wolf. Michael Brand ist Diplom-Informatiker mit Schwerpunkt Software-Engineering und seit 1990 in der Versicherungs-IT tätig. Seit 2007 ist er Geschäftsführer der Bayerischen IT GmbH. Thomas Wolf, Diplom-Ingenieur Elektrotechnik, war von 2002 bis Oktober 2018 Vorstand der iS2 Intelligent Solution Services AG.
Süddeutsche Krankenversicherung (SDK)
Ralf Oestereich wurde im April 2019 IT-Vorstand der Süddeutsche Krankenversicherung a. G (SDK). Er ist als Vorstand für Informationstechnik für die Bereiche IT-Anwendungsentwicklung und IT-Betrieb sowie die Betriebsorganisation zuständig.
Das Team um CTO Axel Schell will die IT-Strategie möglichst vielen Mitarbeitern zugänglich machen. Dazu wurden drei Varianten des Dokuments erstellt, die jeweils verschiedene Schwerpunkte setzen.
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Darüber hinaus könne die Allianz mit der neuen Cloud-Plattform Fachkräften ein attraktives Arbeitsumfeld bieten. "Entwickler wollen mit modernen Tools und Methoden arbeiten. Das geht nur in der Cloud", ist der CTO überzeugt. "Dort können wir zum Beispiel auch im Datenbank-Umfeld Continuous Delivery und Integration einsetzen."

Cloud First wird Standard

Um den Weg in die Cloud auch strategisch zu ebnen, überarbeitete die Allianz Deutschland 2019 ihre IT-Strategie grundlegend. "Darin ist unter anderem fest­gehalten, dass die Cloud für alle Anwendungen als Standardplattform gilt," erläutert Schell. "Soll etwas dennoch on-Premises ausgerollt werden, muss das begründet werden. Vorher war das umgekehrt."

Die Allianz Deutschland verfolgt eine Multi-Cloud-Strategie. Schell: "Wir nutzen zwei große Anbieter, dadurch haben wir im Bedarfsfall die Möglichkeit, schnell zu wechseln." Dazu gehört auch ein umfangreiches Sicherheitskonzept, das den regulatorischen Anforderungen an die Versicherungsbranche genügt und mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abgestimmt ist.

Einige Teile der Infrastruktur hält der Versicherer dennoch im eigenen Haus vor. Das sind zum einen Anwendungen, für die sich die klassische Wasserfall-Entwicklung eher eignet als agile Methoden. Zum anderen betrifft es alte Anwendungen, die in ein paar Jahren abgeschaltet werden und für die sich eine Migration nicht mehr lohnt. "Abgesehen davon machen wir aber so weiter wie bisher und bringen so viel wie möglich in die Cloud", erklärt Schell. "Unser Ziel ist es, nur noch maximal eine zweistellige Anzahl an Servern im Rechenzentrum zu betreiben."

20-mal weniger Störungen

Die Kennzahlen des Cloud-Betriebs können sich sehen lassen: Mit der neuen Plattform gibt es laut Schell rund 20-mal weniger IT-Störungen als vorher: "Durch eingebaute Redundanzen und verschiedene Regionen, über die wir unserer Architektur verteilen können, ist die Cloud wesentlich stabiler und widerstandsfähiger als das alte On-Premises-Rechenzentrum."

Zudem ließen sich Probleme schneller und einfacher beheben. Ein Beispiel: Tritt bei einer Anwendung ein sogenanntes Memory Leak auf, belegt es zwar einen Teil des Arbeitsspeichers, nutzt ihn jedoch nicht und gibt ihn auch nicht frei. Dadurch verliert die App an Leistung. Damit sie trotzdem weiterläuft, muss Rechenleistung zugeschaltet werden, während die IT gleichzeitig nach einer Lösung für das Problem sucht.

Im eigenen Rechenzentrum kann es dauern, bis die nötige Hardware in Betrieb geht. Währenddessen sinken die Leistungsdaten der Anwendung, und das Business stockt. In der Cloud dagegen lassen sich sofort Ressourcen zuschalten, sodass normal weitergearbeitet werden kann.

"In solchen Fällen skalieren wir für ein paar Stunden den Arbeitsspeicher für die Anwendung nach oben, bis der Fehler behoben ist," erklärt Schell. "Anschließend schalten wir die zusätzlichen Ressourcen einfach wieder ab. Der Nutzer merkt von dem ganzen Vorgang nichts, und das Geschäft kann normal weiterlaufen."

IT-Strategie bottom-up

Cloud Computing ist ein Kernbestandteil der 2019 neu entwickelten IT-Strategie der Allianz. Diese sollte für alle Mitarbeiter transparent sein. "Wir wollten, dass jeder die IT-Strategie kennt und versteht, nicht nur die IT-Abteilungen," erläutert der CTO. Sie wurde deshalb nicht hierarchisch von oben vorgegeben, sondern "bottom-up" erarbeitet. Schell: "2019 waren alle Mitarbeiter eingeladen, mitzuhelfen. Abteilungen oder Hierarchiestufen spielten dabei keine Rolle. Das Wichtigste war, dass die Kollegen Lust hatten, die IT-Strategie mitzugestalten."

Nach knapp 20 Workshops in neun Monaten stand das neue Rahmenwerk. "Dieses Vorgehen kam sehr gut bei den Mitarbeitern an. Insgesamt hat etwa die Hälfte der gesamten Belegschaft an dem Projekt mitgearbeitet," erinnert sich Schell. Das habe zwei Vorteile: Zum einen sei die neue Strategie direkt mit und aus dem Business entstanden, wodurch die IT automatisch am Geschäft ausgerichtet sei. Zum anderen unterstützten alle Fachabteilungen strategische IT-Initiativen, neue Technologien und Veränderungen, da sie sie selbst mitgestaltet hätten.

Nachdem die IT-Strategie stand, wurde sie in drei Versionen formuliert. "Die komplette Strategie umfasst knapp 60 Seiten. Das ist das Nachschlagewerk für die IT, in dem beispielsweise auch rechtliche Anforderungen festgehalten sind," erklärt der IT-Chef. Für die Mitarbeiter außerhalb der IT gibt es einen Fünfseiter, der die strategischen Eckpunkte im Business-Kontext detailliert erklärt. Schell: "Daneben haben wir einen Einseiter - sozusagen der Elevator-Pitch - der das Wichtigste auf einen Blick zusammenfasst."

Laut dem Dokument ist die IT-Strategie eng mit der Geschäftsstrategie der Allianz Deutschland verzahnt. Wichtigste Aufgabe der IT ist es, Business Enabler zu sein. Technisch soll die IT-Architektur so einfach wie möglich gehalten werden, während sie offen für neue Entwicklungen bleibt. Wo es sinnvoll ist, soll agil in crossfunktionalen Teams gearbeitet werden. Zudem liegt bei allen Initiativen ein Schwerpunkt auf Informationssicherheit.

Jedes Jahr will die Allianz ihre Strategie aktualisieren. Insbesondere Bereiche, die nicht bereits von den Aufsichtsbehörden kontrolliert werden, sollen dabei überprüft und nachgebessert werden. Dazu gibt es ein internes Kontrollsystem, das sicherstellen soll, dass die Verzahnung von IT- und Unternehmensthemen funk­tioniert und mit den Zielen der gesamten Allianz-Gruppe in Einklang steht.

Digital Factory als agiler Nukleus

Bereits seit 2016 experimentiert die Allianz Deutschland mit agilen Methoden. Damals gründete das Unternehmen die "Digital Factory". Dort sollten neben digitalen Services auch DevOps-Methoden entwickelt und in die gesamte Organisation getragen werden. Bis 2019 brachte das Projekt rund 20 neue Softwareprodukte in den Betrieb und schuf etwa 560 agile Arbeitsplätze.

Darüber hinaus erarbeiteten Mitarbeiter der Digital Factory in knapp drei Jahren das agile Framework für die Allianz Deutschland. "Wir wollten uns dabei nicht an irgendwelche Vorgaben halten, sondern für die Allianz einen Weg zur Agilität finden, der zum Unternehmen passt," erklärt Schell. Dazu adaptierte das Team bekannte agile Methoden oder entwarf neue. Das Framework selbst ist ebenfalls nach agilen Prinzipien aufgebaut, sodass die Arbeitsmethoden ständig überprüft und überarbeitet werden.

Die Digital Factory setzt auf "Learning by doing" statt Schulungen. Mitarbeiter lernen agile Methoden und Tools anhand realer Abläufe ihres Fachbereichs kennen. Angeleitet von erfahrenen Kollegen gehen sie in die neuen crossfunktionalen Teamstrukturen über. "Wir nehmen uns dafür viel Zeit," erklärt Schell. "Je nach Abteilung und Umfeld dauert die Ausbildung zwischen zwölf und 18 Monaten."

Agile@Scale

Vor der neuen IT-Strategie rief die Allianz Deutschland 2019 auch die Initiative "Agile@Scale" aus. Agile Methoden aus der Digital Factory sollen damit schrittweise in einem Großteil der IT-Abteilungen sowie in anderen Unternehmensbereichen eingeführt werden. Seitdem ist die Zahl der Mitarbeiter, die in crossfunk­tionalen Teams arbeiten, auf über 1.500 angestiegen. Büroräume wurden umgebaut, um der neuen Arbeitsweise gerecht zu werden.

Schell: "Beispielsweise sitzen Entwickler und Sachbearbeiter für einen Schadenprozess dort nebeneinander. So sieht jeder sofort, wo es auch auf Kundenseite Probleme oder Verbesserungs­potenziale gibt, und es wird gemeinsam daran gearbeitet." Damit verkürze sich die Zeit bis zur Marktreife neuer Produkte, die Kundenzufriedenheit steige. Unterm Strich ergäben sich für die Allianz bessere Wachstumschancen.

Komplexität reduzieren

Eines der nächsten großen Projekte Schells und seines Teams dreht sich darum, Komplexität zu reduzieren. "Die Allianz Deutschland ist dabei, ihr Kerngeschäft stark zu vereinfachen und ihr Tarifsystem zu entschlacken," erklärt er. "Da muss die IT mitziehen und Komplexitäten in den Systemen abbauen." Der Schritt in die Cloud helfe dabei, weil die Architektur dort simpler aufgebaut werden könne. Gleichzeitig sollen viele Altsysteme sukzessive abgeschaltet werden.

Darüber hinaus entwickelt die Allianz-IT eine einheitliche digitale Plattform für die verschiedenen Sparten des Konzerns. Sie soll nicht nur in Deutschland eingesetzt werden, sondern auch international. Einige Pilotprojekte wurden bereits angestoßen: "Der in Deutschland entwickelte neue Privatschutz wird beispielsweise auch schon in anderen Ländern genutzt," so Schell. "In dem System sind Module hinterlegt, mit denen weltweit Produkte einheitlich gebaut werden können. Das wollen wir in Zukunft für alle unsere Produkte so machen."