Umfragen von dpa und Regus ergaben in diesem Sommer, dass die Hälfte der Arbeitnehmer auch im Urlaub Berufliches erledigt. Doch wer nicht abschaltet, wird sich kaum erholen. Gerade erst hat Daimler angekündigt, der Urlaubsarbeit ab Anfang 2013 einen Riegel vorzuschieben. Mitarbeiter des Autobauers können E-Mails während ihrer Abwesenheit bald automatisch löschen lassen. Im November hat der Betriebsrat eine solche Regelung zusammen mit der Unternehmensleitung verabschiedet.
"Diese neue Spielregel zur E-Mail-Abwesenheit ist eine ganz wesentliche Maßnahme, damit unsere Belegschaft in Ruhephasen noch besser ‚abschalten‘ kann", wird Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth auf der Unternehmenshomepage zitiert. Werden Mails in der Abwesenheit gelöscht, soll eine Abwesenheitsnotiz auf den zuständigen Vertreter hinweisen.
Das Besondere an dieser Regelung: Sie gilt ausdrücklich auch für die Führungskräfte bei Daimler. Der Konzernvorstand hat gerade vier Leitlinien für Führungskräfte verabschiedet, die alle stark auf die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben zielen:
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Abschalten können: Es besteht keine Erwartungshaltung, immer erreichbar zu sein.
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Grenzen beachten: Priorisierung von Aufgaben und Planung von Kapazitäten.
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Erholung bewusst einsetzen: Bewussten Ausgleich zur täglichen Arbeit schaffen.
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Arbeit und Privates vereinbaren: Nutzung der Life Balance Angebote.
Gerade mit dem Angebot für Führungskräfte hebt Daimler sich von anderen Unternehmen ab, die bislang ähnliche Vorstöße gewagt haben. Bei Volkswagen beispielsweise können Angestellte seit Ende 2011 eine halbe Stunde nach Arbeitsende keine beruflichen E-Mails mehr auf ihren Blackberrys empfangen. Doch das gilt nur für die Arbeitnehmer mit Tarifvertrag und wird Manager damit kaum betreffen.
In einem Bericht vom 27. November nennt das Handelsblatt Zahlen zur Informationsüberflutung: Allein in diesem Jahr würden nach einer Erhebung von Forschern der Radicati Group täglich 89 Milliarden berufliche E-Mails verschickt. Für das Jahr 2016 rechneten die Wissenschaftler mit einer Zahl von fast 144 Milliarden E-Mails.
E.ON empfiehlt auch Verzicht auf Telefonate
In einem weiteren Handelsblatt-Artikel zum Thema weist Stefan Francke von Kienbaum auf die Grenzen der neuen E-Mail-Regelungen hin. Führungskräfte, die sich gezielt über die Grenzen zur Freizeit ihrer Mitarbeiter hinwegsetzen wollten, fänden einen anderen Weg und sprächen dann zum Beispiel auf die Mailbox ihrer Mitarbeiter. Jim Hagemann Snabe, Co-Vorstandschef des Softwarekonzerns SAP, sagte der Welt am Sonntag: "Man muss das Handy auch ausmachen können."
Beim Energieversorger E.ON regelt man nicht nur den Umgang mit E-Mails. Dort gibt es laut bild.de die Empfehlung, außerhalb der Arbeitszeiten auf E-Mails und auch Telefonate zu verzichten. Der Bild-Artikel listet auf, wie unter anderem die Deutsche Bahn, Siemens und BMW die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten regeln.
Bei Daimler sollen die oben zitierten vier Leitlinien dazu beitragen, dass Führungskräfte Work-Life-Balance vorleben und in ihrem Verantwortungsbereich verankern. Darüber hinaus appelliert der Autobauer an die Eigenverantwortung seiner Mitarbeiter. Noch kann niemand vorhersehen, wie viele von ihnen die neue Regelung tatsächlich in Anspruch nehmen werden.