IT-Manager wetten

Daimler-CIO: SaaS wächst auf 30 Prozent

18.10.2012 von Michael Gorriz
CIO Michael Gorriz von Daimler wettet, dass bis 2023 der Anteil von SaaS auf 30 Prozent steigen wird. Und: Cloud wird drei Effekte auf die IT-Abteilung haben.
Michael Gorriz ist CIO von Daimler.
Foto: Joachim Wendler

"Ich wette, dass der Anteil der Cloud-Nutzung in Unternehmen bis 2023 speziell für Software-as-a-Service auf 30 Prozent steigen und damit einen entscheidenden Anteil am Lösungsportfolio der IT-Landschaft haben wird."

Cloud Computing ist einer der IT-Trends dieser Dekade. In zehn Jahren wird er die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Geschäftsprozesse aufsetzen, wie die Mitarbeiter innerhalb der Unternehmen miteinander arbeiten und wie Kunden mit den Unternehmen interagieren und umgekehrt, verändert haben. Träger des Trends sind die Always-on-Generation, die Bring your own Device und Mobile Media als vorrangige Arbeitsmittel nutzen, sowie die wachsende Vernetztheit von Produkten wie beispielsweise Autos mit ihrer Umwelt. In dieser hochgradig vernetzten Welt werden Cloud-Services für Automobilhersteller wie Daimler künftig eine zentrale Bedeutung einnehmen.

Von den IT-Abteilungen erwarten die Unternehmen, dass sie diesen Wandel orchestrieren, die Herausforderungen benennen und tragfähige Lösungen anbieten. Die größte Herausforderung liegt dabei weniger in der technischen Machbarkeit. In den kommenden Jahren werden wir erleben, dass die Diskussionen rund um die Cloud stärker strategischen Überlegungen folgen. Die zentrale Frage, die Unternehmen dann beantworten müssen, ist, welche Funktionalität sie wann und wo unter welchem Risiko mit welchem Cloud-Provider abbilden wollen.

Prozess-Standardisierung und Datenzentralisierung

Die kommenden zehn Jahre werden vom Umbau der internen IT-Landschaften und der Business-Prozesse geprägt sein. Die Generation der Digital Natives wächst in dem Bewusstsein auf, dass Daten immer und überall verfügbar sind, bei Bedarf mühelos und zielgerichtet geteilt und gemeinsam genutzt werden können. Diese wachsende Gruppe erwartet als Kunde schon heute und in Zukunft noch mehr, dass auch ihr Fahrzeug in die Always-on-Welt eingebunden ist.

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Foto: cio.de

Eine solche Car-IT kann nur durch Cloud Services in der nötigen Flexibilität abgebildet werden. Und auch als Mitarbeiter hat die Generation der Digital Natives andere Ansprüche. Was sie von Diensten wie Drop Box oder Google Docs kennt, will sie im Arbeitsleben nicht missen. Den IT-Abteilungen muss es gelingen, rascher auf solche Anforderungen zu reagieren und die angebotenen Lösungen mit einem attraktiven Nutzererlebnis zu verknüpfen. Umgekehrt werden die Fachabteilungen und ihre Mitarbeiter ihr Verhältnis zur Gestaltung von Geschäftsprozessen verändern.

Nicht mehr für jeden Prozess eine eigene Anwendung

Anders als bislang werden Unternehmen nicht für jeden Prozess eine eigene Anwendung aufsetzen, sondern stärker auf Standardlösungen zurückgreifen, die von Cloud-Providern angeboten werden. Individuelle Lösungen werden nur noch dort erfüllt, wo sie eine deutliche Marktdifferenzierung gegenüber dem Wettbewerb versprechen. Insofern werden sich IT-Abteilungen ein noch tieferes Wissen in Geschäftsprozessen aneignen, die Fachabteilungen dagegen werden verstärkt IT-Know-how gewinnen. Als Nebeneffekt wird dies zum Beispiel in der Fahrzeug- und Mobilitätsentwicklung zu einer extrem engen Verzahnung zwischen IT und Entwicklung führen bis hin zu einer hoch spezialisierten IT-Mannschaft als Teil der Entwicklung oder umgekehrt.

Mit der Nutzung von standardisierten Cloud-Services werden immer mehr Unternehmensdaten von externen Providern verarbeitet und verwaltet. Pflegt heute vielfach noch jedes System seinen eigenen Datensatz für ein und dasselbe Objekt, werden künftig mehrere Systeme mit unterschiedlichen Aufgaben auf den gleichen Datensatz zugreifen. Um dem "Vernetzungstod" zu entgehen, stellt dies einen enormen Anspruch an die Datenqualität, reduziert jedoch gleichzeitig die Kosten für IT-Security, da diese über die Cloud-Provider gesichert wird. Aufwände entstehen hier künftig für wenige, unternehmenskritische Daten, auf die sich die IT konzentriert. Die Aufgabe wird weniger als bisher sein, Daten zu erheben, sondern vielmehr, die erhältlichen Daten sinnvoll in die eigenen Systeme zu integrieren.

Stärkere Zentralisierung und Hierarchisierung von Datensätzen

Die kommende Informations- und Prozessarchitektur wird daher mittelfristig eine stärkere Zentralisierung und Hierarchisierung von Datensätzen anstreben und bestimmen, in welchem System der "Master-Datensatz" liegt, den benachbarte Systeme und Prozesse nutzen. An diesem Datenbereinigungs- und Hierarchisierungsprozess werden alle Unternehmensbereiche beteiligt sein. Langfristig werden "Linked Data" - also die Vernetzung von bis dato verteilt liegenden Daten - hierarchische Datenstrukturen aufheben und über intelligente Netzstrukturen die stärkere Verzahnung zwischen Fach- und IT-Bereichen unterstützen. Die Fäden für beide Trends werden aber in der IT-Abteilung zusammenlaufen, die als zentraler Bereich die Dateninhalte und -strukturen versteht und steuert.

Auf dem Weg ins Cloud-Zeitalter werden Unternehmen drei Phasen durchlaufen. In einer ersten Phase, die bereits begonnen hat, geht es vor allem darum, die rechtlichen und sicherheitsrelevanten Grundlagen zu schaffen, erste taktische Entscheidungen zu treffen und die heutige Anwendungswelt zu simplifizieren. Damit gewinnt SOA (Service Oriented Architecture) wieder an Bedeutung. Sie bildet die Basis einer erfolgreichen Cloud-Strategie.

3 Phasen auf dem Weg zur Cloud

In dieser ersten Phase werden vor allem Cloud-Anwendungen aufgesetzt, die einen Return-on-Investment von maximal zwei Jahren versprechen. Eine zweite Phase wird sich der Bestandsaufnahme widmen, welche Softwarelösungen derzeit zur Steuerung welcher Prozesse im Unternehmen eingesetzt werden. Die dritte Phase schließlich wird die Frage klären, welche Funktionalitäten und Geschäftsprozesse überhaupt gebraucht werden und welche IT-Lösung die jeweils passende ist. In dieser Phase, die weit über das Jahr 2023 hinausreichen wird, werden die gewachsenen, monolithischen Systeme auf wenige Kern-Services reduziert und in flexiblere, kleinteiligere Lösungen überführt, die sich dann zu großen Teilen mit unterschiedlichen Cloud-Providern umsetzen lassen.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird die IT der Unternehmen ein hybrides System aus Public Cloud, Private Cloud und klassischen Lösungen sein. In diesen hybriden Strukturen werden Cloud-Ansätze verschiedener Anbieter mit den unternehmensinternen Cloud-Strukturen vernetzt und Geschäftsprozesse sinnvoll über eine solche mehrschichtige Cloud-Struktur verteilt.

Die Komplexität der Aufgabe sowie die große Zahl der zu involvierenden Bereiche, die die Integration von Cloud-Lösungen in Unternehmen mit sich bringt, führen dazu, dass die Beschäftigung mit der Cloud die Firmen viel schneller erreicht als die tatsächliche Umsetzung und gleichzeitig IT-Skills für alle Mitarbeiter im Unternehmen immer wichtiger werden.

SaaS erlangt erst in 2 bis 5 Jahren Reife

Die "Cloud-Vorhut" bilden bereits heute Entwicklungs- und Testsysteme für Private Clouds in Unternehmen. Danach werden Software-as-a-Service (SaaS)-Lösungen für weniger kritische, aber sehr schnell benötigte Anwendungsfälle eingesetzt werden. Erst in zwei bis fünf Jahren wird SaaS die nötige Reife besitzen, um sich in der Masse der Firmen als attraktive Möglichkeit durchzusetzen. Geht man davon aus, dass sich IT-Landschaften pro Jahr um rund sechs Prozent verändern und weniger als die Hälfte der Services aus der Cloud bezogen wird, lässt sich ein Anteil an SaaS von 30 Prozent im Jahr 2023 hochrechnen.

Die Anforderungen an die IT-Abteilungen wachsen derzeit täglich. Kosteneinsparung und Application-Development-Management gehören bereits heute zu ihrem Alltagsgeschäft. Mit der Cloud wird sich die Rolle der IT innerhalb des Unternehmens aber weiter verändern:

3 Effekte auf die IT-Abteilung

Effekt 1: Die Wahrnehmung der IT-Abteilung wird 2023 eine andere sein als heute. Durch die Integration von Cloud-Lösungen in die Prozesse wird die IT-Abteilung dem Unternehmen Kosten- und Geschwindigkeitsvorteile verschaffen. Ihre Arbeit wird damit zunehmend zu einem prozesskritischen und geschäftsgestaltenden Faktor, der großen Einfluss auf die Effizienz einer Firma und ihrer Business-Prozesse besitzt.

Effekt 2: Der Aufgabenbereich der IT-Abteilung wird sich verschieben. Fließen heute rund 20 Prozent der IT-Ressourcen in die Entwicklungsarbeit, wird dieser Anteil 2023 deutlich höher sein, da über die Synergieeffekte traditionelle Aufgaben wie die IT-Sicherheit oder das Einspielen von Updates günstiger sind. Gleichzeitig wird die IT-Abteilung von diesen Aufgaben entlastet und schafft sich so Räume für mehr Entwicklungsarbeit. Dafür eignet sie sich im Cloud-Zeitalter neues Wissen an - nämlich die Sicht des Kunden oder des Nutzers im Unternehmen.

Effekt 3: Ein neuer Aufgabenbereich wird hinzukommen: das Service Brokerage. Statt Anforderungen der Fachabteilungen in hauseigenen Systemen abzubilden, wird die IT-Abteilung den passenden Cloud Provider vermitteln, der die angefragte Funktionalität in Übereinstimmung mit der eigenen Corporate Governance anbieten kann.

IT-Lösungen von der Stange

Der erfolgreiche Weg in die Cloud führt nur über mehr IT-Lösungen von der Stange. Die Entscheidung, ob ich einen wettbewerbsdifferenzierenden Prozess habe - und damit nach wie vor eine Individuallösung benötige - oder ob ich mit dem Prozess meines Wettbewerbers leben will, muss im Zeitalter der Cloud explizit und scharf getroffen werden. Wollen wir uns darauf wirklich einlassen? Ich meine, die Unternehmen müssen sogar. Auch wenn sie damit in einem gewissen Grad die Kontrolle über das Lifecycle-Management verlieren. Aber die Cloud ermöglicht ihnen künftig einerseits, ihre Economies of Scale spürbar zu steigern, und andererseits, in einem sehr dynamischen Umfeld Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Damit werden die IT-Abteilungen in einem wachsenden Maß daran beteiligt sein, Business-Chancen zu eröffnen und zu nutzen, sie werden Mehrwert für den Endkunden schaffen und einen bedeutenden Beitrag zum Geschäftserfolg leisten.

Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!

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