Prozessor-Architekturen

Das 64-Bit-Rennen

03.04.2007 von Holger Eriksdotter
Die 64-Bit-Prozessoren von AMD und Intel sind zu ernsthaften Rivalen der bisher dominierenden Platzhirsche von IBM, Sun und HP herangereift.

Prozessor-Typen und die dazugehörige Terminologie sind eine Welt für sich. Selbst IT-Fachleute verlieren den Überblick, wenn es um Prozessor-Architekturen geht. Sieht man auf den Markt für 64-Bit-Prozessoren auf x86-Basis, wird es einfacher. Im Wesentlichen bestimmen drei Prozessor-Typen das Geschehen: die Itanium und EM64T (Extended Memory 64 Technology) genannten Prozessoren von Intel und die Opteron-Prozessoren des Konkurrenten AMD. Die 64-Bit-Prozessoren auf x86-Basis sind inzwischen zu ernsthaften Rivalen der bisher in Rechenzentren dominierenden Risc-Prozessoren unter den Unix-Varianten der Platzhirsche IBM, Sun und HP herangereift.

Dabei spielen die Chips von AMD und der EM64T in derselben Liga. Sie sind abwärtskompatibel zu den älteren Prozessor-Generationen und können ohne Probleme die Betriebssysteme und Applikationen verarbeiten, die für 32-Bit-Architekturen entwickelt wurden. Eine Sonderrolle nimmt der Itanium ein: Er kann nur mit speziell für diesen Chip entwickelter 64-Bit-Software eingesetzt werden. Aus diesem Grunde tun sich auch die Analysten schwer, die künftige Verbreitung dieses Prozessor-Typs einzuschätzen (siehe Gartner-Diagramm „Prozessoren“).

Erstmals verkauften die Hersteller Mitte 2005 mehr Server mit 64-Bit-Prozessoren, heute sind nur noch etwa 16 Prozent der Neuverkäufe 32-Bit-Systeme. „Der Markt hat sich komplett gewandelt. Die Anbieter bauen praktisch keine 32-Bit-Server mehr; bis auf den Restbestand, der noch in den Verkaufskanälen ist, gibt es nur noch 64-Bit-Systeme zu kaufen“, sagt Thomas Meyer, Analyst für den europäischen Servermarkt bei IDC.

Linux und Windows gewinnen

Den Kunden kann es recht sein, denn die neuen 64-Bit-Architekturen unterscheiden sich preislich kaum von ihren Vorgängern. Zwar sind die neuen Chips im Grunde leistungsfähiger, aber um die doppelte Busbreite in Performance umzusetzen, bedarf es auch einer Umrüstung der Software. Die vorhandene 32-Bit-Software läuft zwar klaglos auf den neuen Maschinen, aber ihre volle Leistung entfalten die 64-Bit-Prozessoren nur, wenn sowohl Betriebssystem als auch Anwendungen auf 64 Bit ausgelegt sind.

„Fast alle wichtigen Applikationen wie Betriebssysteme und Datenbanken gibt es schon länger in 64-Bit-Versionen“, sagt Michael Peikert, Senior Director Business Development bei Fujitsu Siemens Computers(FSC). Dabei zeichnet sich ab, dass vor allem das Open-Source-Betriebssystem Linux und das 64-Bit-Betriebssystem Windows Server 2003, das seit dem zweiten Quartal 2005 verfügbar ist, auf den x86-64-Bit-Architekturen zur ersten Wahl werden. Ob und für welche Anwendungen sich die Umstellung rechnet, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden.

Denn in den Rechenzentren erledigt fast immer noch eine im Laufe der Jahre gewachsene heterogene IT-Infrastruktur ihren Dienst. Kaum ein Unternehmen nimmt die Anschaffung einiger neuer Server zum Anlass, gleich die gesamte IT-Architektur auszutauschen. Für die Gartner-Analysten John Enck und Roger Cox kann es aber sinnvoll sein, neue Server mit anderen Betriebssystemen und Applikationen auszustatten als ihre 32-Bit-Vorgänger und sich mit der 64-Bit-Software zusätzliche Komplexität einzuhandeln. In ihrem Strategiepapier „The Future of Server and Storage“ schreiben sie: „Der Kampf um die Vorherrschaft bei Realtime-Infrastrukturen im Rechenzentrum ist noch lange nicht entschieden. Deshalb werden mittelständische und große Unternehmen weiterhin auf heterogene IT-Infrastrukturen setzen müssen. Wir raten den Unternehmen, für Web, Anwendungen und Datenbanken die jeweils beste Plattform einzusetzen, auch wenn das zu einer Multi-Plattform-Umgebung und zu mehr Heterogenität führt.“

64-Bit sprengen Speichergrenzen

Die Vorteile der 64-Bit-Architektur liegen auf der Hand: Die Intel-EM64T- und die AMD-Opteron-Prozessoren lösen ein Problem, das bisher besonders große und anspruchsvolle Applikationen auf x86-Architekturen auszeichnete: Speicherplatz. Denn die konventionellen x86-32-Bit-Systeme konnten nur einen Speicherbereich von vier Gigabyte direkt adressieren. Ein Zugriff auf höhere Adressbereiche war nur mit der ineffizienten Speicherverwaltungsart „Paging“ möglich. 64-Bit-Architekturen sprengen diese Grenze und erlauben die direkte Adressierung nahezu unbegrenzter Speichergrößen. Dies kommt vor allem Cache-intensiven Anwendungen wie Server-based Computing und Datenbanksystemen zugute. Besonders Letztere können dank des größeren Adressraumes auch riesige Tabellen im Cache halten und damit die System-Performance merklich verbessern.

Bei Citrix-Serverfarmen mussten sich bisher alle Remote-User den Adressraum von vier Gigabyte teilen –besonders bei großen Systemen und vielen Nutzern ein Flaschenhals. „Die Vorteile sind so gewaltig, dass sich der RoI der Umstellung in der Regel schon nach zwölf Monaten einstellt“, sagt FSC-Mann Peikert. Höhere Benutzerdichte auf einem Server, geringere Verwaltungskosten sowie optimierte Energie- und Raumnutzung machen sich schnell bezahlt.

Peikert nennt weitere Gründe für 64-Bit-Architekturen: „Server-Virtualisierung wird zu einem immer wichtigeren Mittel, um die Kosten im Rechenzentrum im Griff zu halten und gleichzeitig die Flexibilität der Enterprise-IT zu verbessern“, sagt er. „Der Trend geht eindeutig zur Integration von Support-Funktionen für die Virtualisierung in die neuen Chips.“ Auch die Virtualisierungssoftware des Marktführers VM-Ware ist unterdessen in einer 64-Bit-Version verfügbar und ungleich leistungsfähiger.

HP, IBM und Sun sind die Verlierer

Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind auch schon ausgemacht: Die Unix-Varianten von HP, IBM und Sun werden mittel- bis langfristig Marktanteile einbüßen. Auf zwei bis drei Prozent pro Jahr schätzt Peikert den Rückgang an Unix-Betriebssystemen für den europäischen Markt. Weltweit sollen 45 Prozent aller neuen Windows-Server schon Ende 2007 unter dem Microsoft-x64-Betriebssystem Windows-Server laufen. Ende 2008 sollen es laut Gartner sogar 65 Prozent sein. Dieser Trend wird dadurch unterstützt, dass künftige Versionen von Schlüsselapplikationen wie Microsofts Exchange nur noch in 64-Bit-Versionen geliefert werden. Auch das Open-Source-Betriebssystem Linux könnte zusammen mit x86-64-Bit-Architekturen das künftige Dream-Team im Rechenzentrum werden. „Gegenüber den Unix-Systemen hat Linux heute noch einige Defizite; aber es wird viel Geld und Zeit in die Weiterentwicklung gesteckt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Linux den Vorsprung wettgemacht hat“, vermutet FSC-Experte Peikert.

„Bis Ende 2010 wird der Einsatz von Unix-Systemen relativ konstant bleiben – obwohl sich die Marktanteile unter den einzelnen Unix-Varianten durchaus verschieben könnten“, formulieren John Enck und Roger Cox. Schon bis dahin werden nach ihrer Einschätzung nur Windows und Linux signifikant an Marktanteilen hinzugewinnen. Spätestens am Anfang der nächsten Dekade werden die x64-Betriebssysteme im Hinblick auf Skalierbarkeit, Verlässlichkeit und Manageability zur ernsten Bedrohung für die Risc-Unix-Systeme: „Wir gehen davon aus, dass Windows und Linux im Preis-Leistungs-Verhältnis in der Mehrzahl der Anwendungsfällen einem Unix-System überlegen sind“, fassen die Gartner-Analysten nüchtern zusammen.