Es war kein gutes Zeugnis, das Gladis den deutschen Banken ausstellte. Dabei hatte sich der Fintech-Gründer in die Höhle des Löwen begeben: Er sprach auf dem Bankenforum der Versicherungsgruppe "Die Bayerische", die diese Veranstaltung für Unternehmen der Kreditwirtschaft erstmals ausrichtete.
"Die deutschen Banken haben jahrzehntelang das Thema E-Commerce vernachlässigt", bilanzierte der Computop-CEO und -Mitgründer. "Als ich vor zehn Jahren mit dem Geschäftsführer einer deutschen Bank sprach, bekam ich zu hören: 'E-Commerce, das ist so ein kleiner Markt, da können wir nicht so viel Geld investieren.' - Entschuldigung, aber dieser Geschäftsführer hatte nun wirklich keinen Weitblick", kritisierte Gladis.
Auslagerung des Geschäfts mit Kartenzahlungen war ein Fehler
Auf der Grundlage solch konservativen Denkens habe die deutsche Kreditwirtschaft den Fehler gemacht, das Zahlungsgeschäft im Kartenverkehr komplett an sogenannte Acquirer auszulagern - an Unternehmen wie Concardis, Elavon oder Wirecard also, die mit den Händlern Kreditkartenakzeptanz-Verträge unterzeichnen und ihnen so die Möglichkeit einräumen, Bezahlvorgänge via VISA-, MasterCard- oder American-Express-Karten abzuwickeln. Ausgerechnet in Zeiten, in denen der Internet-Handel aufblühte und Online- sowie mobiler Zahlungsverkehr auch über NFC-fähige Smartphones und Karten Fuß fasste, habe sich die Finanzwirtschaft entschieden, den Zahlungsverkehr Dritten zu überlassen.
"Die Banken verstehen nicht, wie ein Prozess von der Kasse oder dem POS-Terminal über das ERP-System bis hin zur Auslieferung und Zahlung auf den unterschiedlichen Kontinenten funktioniert", sagte Gladis. Damit hätten sie nicht nur Raum für Payment-Dienstleister geschaffen, sondern sich auch den Angriffen der großen Internet-Gesellschaften ausgesetzt. Amazon, Google, Alibaba und Paypal könnten ausgehend vom Zahlungsverkehr ihren Footprint im Bankengeschäft vergrößern.
Paypal nimmt sich immer mehr vom Kuchen
"Paypal hat zuerst den Zahlungsverkehr übernommen, jetzt finanzieren sie auch Einzelhändler", nannte Gladis ein Beispiel dafür, wie sich der Zahlungsdienstleister immer mehr vom Kuchen nimmt. Das sei nachvollziehbar, denn Paypal wisse eine Menge über den Handel. In manchen Branchen liefen über 30 Prozent aller Online-Zahlungen über Paypal. "Die kennen ihre Kunden so gut, dass sie sehr fundiert Finanzierungsentscheidungen treffen und damit den Banken das Geschäft wegnehmen können."
Gladis zeigte am Beispiel des Computop-Kunden SIXT wie komplex die globale Payment-Abwicklung geworden sei. Anhand einer Weltkarte verdeutlichte er, in wie vielen Ländern rund um den Globus der Autovermieter einen reibungslosen Zahlungsverkehr benötige. "Das kann im Moment keiner abbilden, auch wir konnten es nicht und mussten uns erst darauf vorbereiten", erklärte der Bamberger. In nahezu jedem Land sei SIXT mit unterschiedlichen Zahlungsverfahren konfrontiert. Globale Lösungen gebe es so gut wie gar nicht.
Während die großen Internet-Konzerne hier mit ihrer globalen Reichweite einen strategischen Vorteil hätten, müssten Anbieter wie Computop die Zusammenarbeit mit Dritten suchen. "Wir lösen dieses Problem im Falle SIXT, indem wir mit weltweit 70 Acquiring-Banken und vielen anderen Partnern zusammenarbeiten." Für den Erfolg in diesem Geschäft, seien Kooperationen in alle Richtungen überlebenswichtig.
Warum hielt Gladis, der Computop 1997 gründete und mit Niederlassungen in New York, Shanghai und London zu einem der führenden Payment-Dienstleister ausbaute, diesen Weckruf im Kreise der Banker für nötig? Weil aus seiner Sicht die Finanzinstitute nicht nur zu langsam und zu wenig international ausgerichtet sind, sondern auch strategisch die falschen Prioritäten setzen.
Entscheidend ist der Komfort für den Kunden
"Sicher, wenn man auf Umfragen hört, dann scheinen den Kunden Themen wie Sicherheit oder Datenschutz dramatisch wichtig zu sein", sagte Gladis. "De facto spielen sie aber eine untergeordnete Rolle, solange der Komfort stimmt." Am Ende wolle der Kunde sein Handy aus der Tasche nehmen, einen Button drücken und dann mit dem Produkt den Laden wieder verlassen. "Komfort ist der Treiber im Zahlungsverkehr." Weder der Payment-Dienstleister noch die Banken entschieden über die Zukunft des Zahlungsverkehrs, sondern allein die Kunden. "Wer das nicht versteht, bekommt ein Problem."
Computop zählt Unternehmen wie C&A, SIXT, OTTO, Fossil, Rewe und viele andere zu seinen Kunden. "Wir helfen 15.000 Händlern rund um den Globus an ihr Geld zu kommen", so der Gründer. Das Transaktionsvolumen, das über die Zahlungsplattform der Bamberger abgewickelt werde, belaufe sich auf 31 Milliarden Dollar jährlich. Man verstehe sich als technisch orientierter Zahlungsdienstleister, nicht als Finanzdienstleister. "Was die Konsumenten wollen, können wir in unseren Daten sehen. Per Nahfunk mit dem Mobiltelefon zu zahlen, ist angekommen, NFC ist akzeptiert."
Paydirekt funktioniert so nicht
Die deutsche Kreditwirtschaft habe versucht, mit Paydirekt ein eigenes Zahlungssystem zu etablieren, das Paypal Konkurrenz machen soll. Doch der Handel werde es nur einsetzen, wenn ihm die Kunden folgten. Dafür spreche im Moment nicht viel. "Eigentlich finde ich es gut, dass wir eine deutsche Entsprechung für Paypal haben, aber das läuft alles viel zu langsam", mahnte Gladis. "Man hat viel Geld in die Hand genommen, etliche Leute eingestellt und versucht nun verzweifelt Paypal einzuholen. Aber das ist noch ein weiter Weg, ich hoffe, dass die Unterstützung der Banken lang genug anhält, um eine solide Stellung im Markt zu etablieren."
Der Computop-Gründer ging ausführlich auf die Herausforderungen im Handel ein. Insbesondere im E-Commerce gehe es vor allem um das Erkennen und Erfüllen von Kundenbedürfnissen - auf allen Kanälen. Es brauche hochentwickelte, intelligente Technologie für die Cross-Channel-Vermarktung, dort werde gerade eine Menge Geld investiert. "Ganz ehrlich: Die Banken sind da komplett außen vor", so Gladis. "Selbst die weltweit tätigen Banken sind nicht wirklich global aufgestellt. Ein Händler, der eine globale Lösung braucht, bekommt sie nicht von den Banken. Zwar vermitteln diese oft den Eindruck, dass sie globale Lösungen hätten, das ist aber faktisch nicht so. Ehrlicherweise gilt das übrigens auch für viele von uns Zahlungsdienstleistern."
PSD2 stellt Banken vor neue Herausforderungen
Mit der zweiten Payment Service Directive (PSD2), die Mitte September 2019 in Kraft tritt, dürften die Veränderungen im EU-weiten elektronischen Zahlungsverkehr noch einmal einen kräftigen Schub bekommen. Die PSD2 sieht vor, dass Finanzdienstleister auf Wunsch ihrer Kunden Drittanbietern, etwa aus dem Fintech-Umfeld, via APIs sichere Systemzugänge schaffen müssen - und das europaweit. Ziel der EU ist es, das Wettbewerbsumfeld im Sinne der Bankkunden zu verbessern.
Die Banking-Welt ist im Wandel, und selbst das Geschäft mit Kredit- und Debit-Karten, deren Abwicklung die Banken meistens an einen Acquirer ausgelagert haben, geht einer unsicheren Zukunft entgegen. Im Vergleich zu Paypal, AliPay, WeChat oder Handy-Payment waren Karten zumindest in Deutschland bisher alles andere als komfortabel einsetzbar. Daran sind laut Gladis die deutschen Banken nicht ganz unschuldig.
"Wenn Sie sich in Europa umschauen, haben die meisten Institute im Ausland viel früher angefangen, Kreditkarten mit Nahfunk auszustatten." Die NFC-fähigen Karten hätten das Konsumverhalten der Menschen in Großbritannien oder Skandinavien massiv verändert. "Die Menschen dort sind daran gewöhnt, dass ihre Karte alles kann. In Deutschland haben wir von unseren Banken EC-Karten bekommen, die fast nichts konnten. Man konnte sie im stationären Handel an POS-Terminals nutzen, sonst nirgends."
Die Deutschen wissen nicht, was Kreditkarten können
Wie der Computop-Manager ausführte, kennen die Deutschen gar nicht all die Möglichkeiten, die eine Karte biete. Die Vorliebe für Bargeld hierzulande rühre daher, dass wir nicht wüssten, wie bequem und vorteilhaft eine Karte eingesetzt werden könne. In England gebe es inzwischen mehr Karten- als Barzahlungen. In skandinavischen Ländern müssten sich Konsumenten bereits rechtfertigen, wenn Sie mit einem größeren Bargeldbetrag zahlen wollten.
"Am Ende wird nicht nur die Karte das Bargeld verdrängen, das Bargeld wird verschwinden. Es ist schon tot, wir wollen das nur noch nicht wahrhaben. Es ist für den Handel die teuerste Variante. Es muss hergestellt, transportiert und verteilt werden - das kostet", so Gladis. Mit dem Aufkommen Internet-of-Things-(IoT-)fähiger Geräte änderten sich die Marktbedingungen noch einmal. Dann werde es Tausende von Gegenständen geben, die Zahlungstransaktionen selbsttätig und in Abhängigkeit von bestimmten Bedingungen einleiten könnten. "Die Konsumenten werden das Bargeld auch deshalb abschaffen, weil sie immer mehr Aufträge an die Geräte selbst vergeben werden. Das Auto wird das Tanken und Parken selbständig bezahlen."