Manager-Pensionen

Das Beste zum Schluss

23.07.2007 von Helene Endres und Klaus Werle
Lange wurden Betriebsrenten für Führungskräfte als Peanuts für Sicherheitsfetischisten abgetan. Headhunter rieten ihren Klienten, lieber höhere Bruttogehälter herauszuschlagen und das Geld selbst zu investieren. Doch nun erlebt die lange unterschätzte Firmenpension ein lukratives Comeback - vor allem bei Vorständen.

Einen Großteil seines Manager-Lebens hat Thomas Mang (Name von der Redaktion geändert) der Perfektionierung von Wischmopps und Putzmitteln gewidmet. 17 Jahre arbeitete er bei der Weinheimer Firma Vileda, zuletzt als Bereichsleiter mit einem Jahresgehalt von 250.000 Euro. Für den Ruhestand mit 65 winkte eine hübsche Betriebsrente von 6500 Euro monatlich. Doch dann trennte sich das Reinigungsmittelunternehmen plötzlich von ihm, die "Chemie" stimme nicht mehr.

Mang war gerade 55 geworden; die fehlenden zehn Jahre bis zur regulären Pensionierung ließen seine Altersbezüge von der Firma um 2.500 Euro schrumpfen. Hochgerechnet auf die Jahre von 65 bis 78 (der durchschnittlichen Lebenserwartung) ein Verlust von fast 400.000 Euro, den Mang nicht hinnehmen wollte. In zähen Verhandlungen einigte man sich auf einen Kompromiss: Mang erhielt zusätzlich zu seiner Abfindung noch einmal 100.000 Euro.

Pension als Lokinstrument

Lange wurden Manager-Betriebsrenten als Peanuts für Sicherheitsfetischisten abgetan. Headhunter rieten ihren Klienten, lieber höhere Bruttogehälter herauszuschlagen und das Geld selbst zu investieren. Seit einigen Jahren aber erlebt die Firmenpension ein kräftiges Comeback. Gerade Branchen, in denen gute Köpfe knapp sind, etwa bei Ingenieuren, setzen ausgerechnet die betulich wirkende Betriebsrente als Schmankerl ein.

"In den 90ern wollten alle Stock-Options statt Pensionszusagen", sagt Boy-Jürgen Andresen, Chef der auf Vergütung und betriebliche Altersversorgung spezialisierten Beratungsfirma Dr. Dr. Heissmann GmbH. "Das hat sich dramatisch gewandelt. Der Druck auf die Unternehmen nimmt zu, schon Einsteiger fragen nach den Rentenregelungen."

Es geht um viel Geld - und um das gute Gefühl von Sicherheit. Deshalb lohnt es sich, in den Vertragsverhandlungen genau hinzuschauen: Ab wann besteht ein unverfallbarer Anspruch auf die Rente vom Chef? Was passiert beim Jobwechsel? Und wie viel ist finanziell drin?

Gerade gut verdienende Führungskräfte, deren hoher Lebensstandard sich zur Staatsrente verhält wie ein Ferrari zur Schotterpiste, können überproportional von der betrieblichen Altersvorsorge profitieren. Ihre Einzahlungen in die Firmenrente sind steuerbefreit und bis 2009 auch sozialabgabenfrei. Ergebnis: Der Manager sammelt über die Jahre das Doppelte dessen an, was er sonst von seinem Nettogehalt in eine Privatrente stecken könnte.

Betriebliche Versorgung gewinnt an Beliebtheit

"Betriebliche Pensionsregelungen gelten wieder als modern und werden gerade von Managern verstärkt nachgefragt", sagt Franz-Josef Nuß von der Personalberatung Ray & Berndtson. "In den Vertragsverhandlungen hat dieser Aspekt deutlich an Priorität gewonnen. Viele verzichten lieber auf 50.000 Euro Bruttogehalt und lassen sich das Geld in ein Versorgungsmodell einzahlen."

Seit 2002 hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Entsprechend ist der Anteil der Beschäftigten in der Privatwirtschaft mit bAV zwischen 2001 und 2004 von 38 auf 46 Prozent gestiegen. "Unter den Vorständen und Geschäftsführern liegt der Anteil sogar bei 95 Prozent", sagt Stephan Birkner von der Beratungsfirma Towers Perrin. Dax- und MDax-Unternehmen haben flächendeckend Betriebsrenten eingeführt (meistens sogar arbeitgeberfinanziert), während der Mittelstand das Instrument eher zögerlich einsetzt.

Unter den fünf "Durchführungswegen" für die Betriebsrente dominiert in Deutschland die "Direktzusage": Der Arbeitgeber verpflichtet sich direkt - also ohne Zwischenschalten etwa eines Pensionsfonds -, dem Mitarbeiter später eine Rente zu zahlen, und bildet hierfür Pensionsrückstellungen.

In allen fünf bAV-Formen kann der Arbeitgeber Geld für die Betriebsrente zahlen - oder der Mitarbeiter wandelt einen Teil seines Gehalts, etwa Tantiemen oder Boni, in bAV-Beiträge um ("Deferred Compensation"). "Seit einigen Jahren nimmt der Anteil der rein arbeitgeberfinanzierten Betriebsrenten allerdings zugunsten von Mischformen ab", sagt Boris Dzida, Arbeitsrechtler bei Freshfields Bruckhaus Deringer, "die finanzielle Leistung der Firmen wird zurückgeschraubt."

Ein einfacher Angestellter mit einem Jahresgehalt von 50.000 Euro kann in der Regel mit ein paar hundert Euro Rente vom Chef rechnen; Abteilungs- und Bereichsleiter erhalten oft zwischen 20 und 40 Prozent ihres Bruttoeinkommens; allerdings sind Firmenrenten über 100.000 Euro im Jahr unterhalb der zweiten Ebene höchst selten.

Pensionen: Große Unterschiede

Doch das sind nur Faustregeln; mit wie viel Geld der Ruhestand schließlich tatsächlich vergütet wird, hängt stark vom Einzelfall ab. "Die Unterschiede zwischen Branchen, großen und kleinen Firmen oder verschiedenen Eintrittsjahren sind extrem, eine allgemeine Aussage lässt sich nicht treffen", sagt Freshfields-Anwalt Dzida.

Dass kleine Details enorme finanzielle Auswirkungen haben können, musste kürzlich ein Angestellter von Melitta erfahren. Am 1. Juli 1972 hatte dieser seinen zweijährigen Wehrdienst als Zeitsoldat angetreten. Damals galt bei Melitta eine großzügige Versorgungsordnung, nach welcher der Mann eine Betriebsrente von fast 900 Euro monatlich erhalten hätte.

Sein Pech: Als er im August 1974 bei Melitta anfing, war seit einem halben Jahr eine neue Versorgungsordnung in Kraft, nach der ihm nur gut hundert Euro zustanden. Da der Wehrdienst eigentlich auf die Betriebszugehörigkeit angerechnet wird, klagte er beim Bundesarbeitsgericht (BAG) auf Betriebsrente nach der alten Regelung. Ohne Erfolg: Im Juli 2006 urteilte das BAG (Aktenzeichen: 3 AZR 307/05): Zwar werde die Bundeswehrzeit angerechnet; trotzdem aber gelte für ihn die Versorgungsordnung von 1974.

Am oberen Ende der Skala rangieren Vorstände und Geschäftsführer. Sie können ihre Betriebsrente meist frei verhandeln. "Üblich sind zwischen 40 und 60 Prozent des Bruttogehalts", sagt der Frankfurter Arbeitsrechtler Peter Rölz. Da können leicht ein paar hunderttausend Euro im Jahr herausspringen. Der scheidende RWE-Chef Harry Roels etwa kommt auf rund 400.000 Euro jährlich.

Mitunter darf es auch ein bisschen mehr sein, wie einige Verhandlungskünstler unter den Topmanagern demonstrieren. Der ausgeschiedene Exxon-Chef Lee Raymond etwa erhält eine lebenslange jährliche Rente von 5,9 Millionen Dollar. Der schwedische Ex-ABB-Chef Percy Barnevik bediente sich mit Pensionszusagen in Höhe von 148 Millionen Franken - nach massiven Protesten allerdings verzichtete er auf 90 Millionen.

Auch in Deutschland muss kein Ex-Manager Hunger leiden: Der glücklose Arbeitsmarktsanierer Peter Hartz bekommt 16.207 Euro monatlich für zwölf Jahre im VW-Vorstand, plus 7.649 Euro vom Stahlwerk Dillinger Hütte. Alles netto, versteht sich.

Pensionsauszahlung im Blick behalten

Im Topmanagement ist es Usus, als Rente einen Fixbetrag auszuhandeln, unabhängig von der Dauer der Beschäftigung. Neben der Höhe der Summe sollten Führungskräfte dabei auch auf die Auszahlungsart (monatlich oder als Einmalzahlung) achten sowie auf eine Hinterbliebenenrente und die Absicherung der Pension gegen Firmenpleiten.

Von zentraler Bedeutung ist jedoch die Frage, was im Fall eines Jobwechsels aus der Betriebsrente wird. Für drei der fünf Rentenformen ist seit 2005 per Gesetz ihre "Portabilität" festgeschrieben; der Mitarbeiter kann die Rente also vom alten zum neuen Arbeitgeber mitnehmen.

"Oft verlangt der neue Arbeitgeber aber, den alten Betriebsrenten-Vertrag beitragsfrei zu stellen und in das Modell der neuen Firma zu wechseln", sagt Burkhart Bertram von Loyas Private Finance in Hamburg, "das ist für den Mitarbeiter meist unvorteilhaft." Wird die Rente vom Arbeitgeber finanziert, ist sie allerdings nur portabel, wenn sie den Status der "Unverfallbarkeit" erreicht hat, was laut Gesetz derzeit nach fünf Jahren im Betrieb der Fall ist.

Gerade im Management kommt die Betriebsrente fast nur als arbeitgeberfinanzierte Direktzusage vor, weil man nur hier nahezu unbegrenzt steuerfrei einzahlen kann - bis zu 75 Prozent des Bruttoeinkommens. Die Direktzusage aber ist in der Regel nicht übertragungsfähig. "Für Manager hat die Portabilität deshalb kaum eine Bedeutung", sagt Towers-Perrin-Mann Birkner, "dafür ist die Unverfallbarkeit umso wichtiger."

Aktuell wird auf europäischer Ebene debattiert, die Unverfallbarkeitsfrist auf zwei Jahre zu senken, um mehr Mobilität auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Die deutsche Wirtschaft lehnt dies ab. "Damit würde die betriebliche Altersvorsorge um bis zu 20 Prozent teurer", warnt BDA-Präsident Dieter Hundt, "ebenso wichtig wie Mobilität ist das Interesse der Arbeitgeber an beständigen Belegschaften mit niedriger Fluktuation."

Von der Idee des goldenen Ankers

Diese Idee, Mitarbeiter über die Firmenpension als "goldenen Anker" ans Unternehmen zu binden, ist so alt wie die Betriebsrente selbst. Nur: Sie funktioniert nicht. An der Realität zumindest der Führungskräfte geht die EU-Diskussion vorbei.

"Mir ist kein Fall bekannt, wo jemand aus Angst vor Verlust seines Versorgungsanspruchs nicht den Job gewechselt hätte", sagt Personalberater Nuß. "Es ist, als würde man einem Zehnjährigen sagen: 'Wenn du deine Hausaufgaben machst, kriegst du mit 18 ein Rennrad'", spottet Arbeitsrechtler Rölz.

Wie sich Betriebsrente und häufige Jobwechsel elegant verbinden lassen, zeigt das Beispiel von Werner Binken (Name von der Redaktion geändert). "Während meiner Karriere habe ich immer stark auf die betriebliche Altersvorsorge geachtet", sagt der Ingenieur. Mittlerweile ist Binken 52 Jahre alt, hat viermal den Job gewechselt und in jeder Position ein bisschen was angesammelt.

Vom ersten Job, wo er elf Jahre blieb, erhält er mit 65 rund 700 Euro im Monat, den zweiten Job kündigte er vor der Unverfallbarkeit und ließ sich das Angesparte daher auszahlen. Von einer anderen Firma, wo er erst als technischer Leiter, dann als Bereichsgeschäftsführer arbeitete, erhält der Verfahrenstechniker später circa 1.500 Euro monatlich plus rund eine Million Euro aus einer Deferred-Compensation-Regelung, in die er 450.000 Euro einzahlte, die aber "extrem gut verzinst ist".

Kürzlich wechselte er erneut, in den Vorstand eines Private-Equity-geführten Mittelständlers ohne Firmenrentenprogramm. Doch Binken machte ein solches zur Bedingung - und erhielt eine arbeitgeberfinanzierte Direktzusage, die ihm mit 65 nochmals rund 100.000 Euro garantiert.

Pensionsansprüche auch bei Jobwechsel

"Es war nie ein Problem, die Firma zu wechseln", sagt Binken. "Aber in manchen Positionen habe ich schon darauf geachtet, so lange zu bleiben, bis meine Ansprüche gesetzlich unverfallbar waren."

Das ist löblich, jedoch oft nicht notwendig. Tatsächlich kann die Unverfallbarkeitsfrist nämlich frei verhandelt werden, wovon vor allem im höheren Management rege Gebrauch gemacht wird. Bei Vorstandsverträgen etwa wird die Unverfallbarkeit der Pensionsansprüche nicht selten bereits ab dem ersten Tag festgeschrieben. Wechselt dann ein Manager den Job, bevor er 65 ist, greift die "m/n-tel"-Regel: Danach bekommt der Mitarbeiter den Anteil seiner Pension, der sich aus dem Verhältnis von regulärer und tatsächlicher Betriebszugehörigkeit ergibt.

"Die Differenz wird dann meist in Verhandlungen mit dem neuen Arbeitgeber ausgeglichen - durch eine neue Pensionsregelung oder ein höheres Gehalt", sagt Experte Bertram. Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt, es gilt die Vertragsautonomie. Will sagen: Je höher in der Hierarchie oder je stärker die Verhandlungsposition, desto breiter der pekuniäre Gestaltungsspielraum.

Der ist häufig so groß, dass die Pensionsregelungen auch noch für die Zeit vor der Pension Sorge tragen. Wenn etwa jemand mit 50 Jahren Vorstand wird und sich vertraglich eine nette Firmenrente von 300.000 Euro garantieren lässt, könnte es ja passieren, dass sein Fünf-Jahres-Vertrag nicht verlängert wird. Dann wäre er 55 - und bis zur Rente fehlten noch zehn Jahre.

Abgesichert im Alter

Viele Vorstandsverträge sehen für diese Härtefälle noch ein "Überbrückungsgeld" vor, das zwischen 40 und 60 Prozent der letzten Bezüge umfasst und meist nur einige Jahre, manchmal aber auch die volle Zeit bis zum Erreichen der regulären Pensionsgrenze, gezahlt wird.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de