Sie baumeln als Baum im Raucherauto oder stehen diskret hinterm WC: duftende Alltagsbegleiter, die unangenehmen Geruch verdrängen oder die Stimmung heben sollen. Statt Mief von Klo und Kippe gibt es Apfel-Zimt und Lemongras. Nicht nur das: Im Wohnzimmer stehen Duftstäbchen in ätherischen Ölen, aus der Küche kommen "Beerentraum" und "Frischezauber".
Sogenannte Lufterfrischer und Raumdüfte sind in Deutschland ein wachsender Markt geworden. Immer mehr Menschen parfümieren nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Umgebung - gerade jetzt, wo vielen Mitbürgern die eigene Wohnung auch Büro und Klassenzimmer ist. Da bringen sie sich vom Einkaufen gerne einen neuen Duft mit nach Hause.
Wieviel Kunden dafür ausgeben, verrät der Handel nicht. 2020 sei die Nachfrage gewachsen, stellt dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer nur fest. "Dieser Trend zeichnete sich bereits vor Corona ab, ist aber vor allem in der Lockdown-Phase verstärkt aufgetreten." Die Kette sieht ein Wachstumsfeld und kündigt eine Vielfalt innovativer Artikel an.
Sprühdosen, Flakons, Duftstäbchen, Diffuser
Allen, denen es stinkt, bietet sich reichhaltige Abhilfe. Längst gibt es neben klassischen Sprühdosen und Flakons Duftstecker für die Steckdose, Duftstäbchen und Diffuser, die einen Duftnebel erzeugen. Im Regal stehen Duftkerzen, Duftaufhänger für Kühlschränke, Mülleimer-, Staubsauger- und Auto-Deos - für einen Hauch von Kirschblüte, Lavendel, Vanille oder von vielen weiteren Aromen.
Von einer sehr guten Entwicklung 2020 spricht Febreze-Hersteller Procter & Gamble. Corona spiele eine große Rolle, wie aus vielen Kundengesprächen der Marktforschung hervorgehe. "Wir wissen aus diesen Gesprächen, dass die Menschen nicht nur mehr Zeit zu Hause verbringen, sondern noch größeren Wert auf ein angenehmes Wohnumfeld legen."
Pionier Julius Sämann
Das Duft-Geschäft gibt es lange. Als ein Pionier gilt Julius Sämann. Vor mehr als 60 Jahren soll er in New York geholfen haben, den Geruch verschütteter Milch zu übertünchen - mit Kiefernnadel-Extrakt. Daraus wurde eine Geschäftsidee: der kiefernförmige Wunderbaum fürs Auto.
Zwar bauen manche Autobauer längst ausgeklügelte Duftsysteme ein, an vielen Rückspiegeln baumelt aber der simple Wunderbaum. Karibisch, fruchtig, floral - es gibt die Pappe in zahlreiche Noten, auch "abenteuerlich maskulin" oder "reichhaltig und weiblich".
"Höllengemische" nennt der Riechforscher Hanns Hatt Duftartikel, die blumige Namen tragen wie "Herzklopfen", "Feenstaub" und "Sommerliebe". Der Professor der Ruhr-Uni Bochum rät zu ätherischen Ölen aus Naturprodukten. Gut gewählte Düfte sorgen nach seinen Erkenntnissen für bessere Stimmung.
Stimmung mit Duft verändern
Dass Lavendel Stress abbauen, den Schlaf und die Entspannung fördern könne, dass Menthol mitunter wach und munter mache - solche Werbeversprechen kann Hatt durchaus bestätigen. Die Düfte wirken über zahlreiche Rezeptoren im Körper.
Auch die Erinnerung spiele eine Rolle. "Bestimmte Naturdüfte etwa, die uns von Kindheit an bekannt sind, kann man nutzen, um sich in gespeicherte Stimmungen zu versetzen." Die meisten Duft-Käufer wollten ihre Stimmung verändern, nicht Gestank übertünchen.
Für empfindliche Menschen können Duftstoffe aber ein Problem sein, warnt das Umweltbundesamt. Bei manchen lösten sie ähnlich wie Lärm Stressreaktionen aus, bei Hautkontakt seien teilweise auch allergische Reaktionen möglich.
Das Amt verweist auf wissenschaftliche Untersuchungen, nach denen etwa Stoffe wie Citral, Farnesol und Linalool allergieauslösend wirken können. Sie sind auch in einigen Raumduftprodukten enthalten. "Schlechte Innenraumluft sollten Sie nicht mit Duftstoffen überdecken", empfiehlt das Amt seit Langem. "Besser ist, die Quellen unangenehmen Geruchs zu beseitigen, die Wohnung regelmäßig zu lüften und zu reinigen."
Frische Luft ist besser
Frische Luft müsse sein, heißt es auch bei dm. In innenliegenden Bädern oder Fluren sei das aber nicht immer möglich. In Schlaf- und Wohnräumen stehe ohnehin nicht Geruchsneutralisierung im Vordergrund, sondern "Duftharmonie". Nach dem Motto: Rose entspannt, Orange fördert süße Träume. (dpa/rs)