Es schüttet nur so auf der A9 in Bayern, als der Professor ins Test-Auto steigt. Starkregen - sehr schwierige Fahrbedingungen. Als der Wagen ihm das Lenkrad entzieht und selbst steuert, ist Udo Di Fabio ein wenig dankbar. "Ich wollte das Lenkrad gar nicht zurück", erzählt der Jurist am Dienstag in Berlin über seine erste Tour in einem automatisiert fahrenden Auto.
Noch ist es ein Testwagen, doch in fünf Jahren stünden solche Autos beim Händler, ist Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sicher. Der CSU-Politiker sieht den größten Mobilitätssprung der vergangenen 100 Jahre. Von diesem Mittwoch an setzt laut Dobrindt ein neues Gesetz den rechtlichen Rahmen.
Die ethischen Leitplanken hat nun Di Fabio mit einem guten Dutzend weiterer Experten gesetzt. Ihr Bericht zeigt: Wenn Maschinen über Leben und Tod entscheiden sollen, sind ethische Fragen nur schwer zu beantworten.
Was heißt eigentlich automatisiertes Fahren?
Dass das Auto dem Fahrer einige, mehrere oder alle Aufgaben abnimmt. Es kann schon tote Winkel überwachen und helfen, die Spur zu halten oder die Parklücke zu treffen. Die Autobauer tüfteln an der nächsten Stufe, dem hochautomatisierten Fahren in bestimmten Situationen, etwa im Stau. Der Fahrer könnte zeitweise etwas anderes machen, Zeitung lesen etwa. Vor 2020 erwarten die Hersteller solche Autos aber nicht.
Danach erst kämen die nächsten Stufen: Vollautomatisiertes Fahren in bestimmtem Umfeld, etwa im Stadtverkehr, und schließlich autonome Fahrzeuge - Autos, die keinen Fahrer brauchen. Sie könnten ihren Halter zur Arbeit bringen und dann zurück in die Garage fahren.
Was hält die Ethikkommission davon?
Anders als die Bürger, bei denen Meinungsforscher Skepsis ausmachen, ist sie grundsätzlich offen. Aber: Nicht der wirtschaftliche Nutzen stehe im Vordergrund, sondern die Sicherheit, betont der frühere Verfassungsrichter Di Fabio als Vorsitzender. Automatisierte Systeme seien nur vertretbar, wenn sie die Sicherheit erhöhen - dann aber sei es sogar geboten, dass der Staat sie fördert.
"Ich bin überzeugt davon, dass wir in 20 Jahren keine 3000 Tote im Straßenverkehr mehr haben werden", sagt Di Fabio. Nur eine vollständige Vernetzung der Autos untereinander sei bedenklich, wenn totale Überwachung und Manipulation nicht ausgeschlossen seien.
Welche Grundsätze haben die Experten formuliert?
Sach- und Tierschaden geht vor Personenschaden: Bei einem unvermeidlichen Unfall sollen Computerautos lieber eine Laterne oder ein Reh umfahren als einen Menschen. Lässt sich ein Zusammenstoß nicht vermeiden, dürfen mögliche Opfer nicht nach Alter, Geschlecht und anderen Merkmalen unterschieden werden: "Die alte Frau mit dem Rollator oder die Kindergruppe - wen muss man jetzt bevorzugt niederfahren? Ein solches Szenario ist ausgeschlossen", sagt Di Fabio. Jeder Mensch sei gleichwertig.
Muss der Autobesitzer bei einem Unfall haften?
Wenn es nach der Kommission geht: Nur wenn er selbst steuert. Sonst gelte: "Das Einziehen des Lenkrads ist das Signal: Jetzt übernimmt der Produzent und Betreiber die volle Haftung."
Welche Fragen sind offen?
Mehrdeutig ist die Kommission aus Ingenieuren, Juristen, Autobauer- und Verbrauchervertretern sowie einem Weihbischof bei der Frage, ob das Auto bei einem drohenden Unfall mögliche Opfergruppen gegeneinander aufrechnen darf. Dies sei untersagt, schreiben die Verfasser - um anzuschließen: "Eine allgemeine Programmierung auf eine Minderung der Zahl von Personenschäden kann vertretbar sein."
Entscheidungen Leben gegen Leben seien nicht programmierbar, heißt es an anderer Stelle. "Wir Menschen entscheiden sowas intuitiv", sagt Di Fabio. Herausforderungen sieht der Bericht auch beim Datenschutz.
Welche Bedeutung hat die Kommission?
Dobrindt sieht darin "Eckpfeiler für nationale und internationale Regelwerke" - doch faktisch sind die "Ethischen Regeln" nur Empfehlungen. Zudem betreffen sie erst die übernächsten Stufen der Automatisierung: vollautomatisierte und fahrerlose Autos. Sollte es sie eines Tages geben, können sich längst neue Fragen stellen.
"Noch hat die Technik Schwierigkeiten, auf der Autobahn eine Plastiktüte von einem Vogel zu unterscheiden", sagt Kommissionschef Di Fabio. Er sieht den Bericht als Diskussionsgrundlage. "Wir kommen nicht vom Berg Sinai mit fest stehenden normativen Geboten." (dpa/rs)