Die Auftritte einiger der weltgrößten Glasfaserverleger auf der Yankee-Group-Konferenz "Securing aFuture For IP-Based VPNs" wirkten wie ein letztes Aufbäumenvor dem Untergang. Verzweifelt versuchen Netzanbieterderzeit, ihre ruhenden Kapazitäten auszulasten. ManagedServices, etwa Internet-Telefonie über private Netzwerke,erscheinen vielen der von fallenden Kursen undAusgabenstopps der Telekommunikationskonzerne betroffenenHäuser als Rettungsinsel.
In den letzten Jahren haben die Glasfaserherstellergebuddelt wie nie. "Allein in unserem StuttgarterBürogebäude liegen Glasfaserleitungen von drei verschiedenenFirmen", sagt PR-Mann Klaus Papp. Sein Kunde, derUS-Netzanbieter Global Crossing, ist mit sieben MilliardenDollar Umsatz einer der größten Betreiber weltweiterGlasfasernetze. Inzwischen wurden allein in den USA rund 39Millionen Meilen Glasfaserleitungen verlegt. Die Kosten fürdie Netzwerkausstatter: neunzig Millionen Dollar in denvergangenen vier Jahren. "Die enormen Überkapazitätendrücken auf den Preis", sagt der Analyst Frank Rothauge vomBankhaus Sal. Oppenheim, "und die Datennetze sind nur zu 15Prozent ausgelastet." 2000 noch von den Aktionärengehätschelt, rissen die Kursstürze an den Börsen dieInfrastruktur-Unternehmen in den Abgrund. Das Marktbarometerist unbestechlich: Die Kurse der Glasfasernetzanbieter sindzuletzt um durchschnittlich neunzig Prozent eingebrochen.
Hohe Verluste der Anbieter
Hinzu kommt, dass alle großen Kommunikationskonzerne wegender Milliardenausgaben für UMTS einen strikten Sparkursfahren. Der weltgrößte US-Glasfaserhersteller, Corning,beispielsweise musste für das dritte Quartal 2001 Verlustevon 220 Millionen Dollar melden - im Vorjahr hatte es einenGewinn von 254 Millionen Dollar gegeben.
Keiner konnte sich im Hype des Jahres 2000 die diesjährigeTalfahrt vorstellen. Das Rekordjahr bescherte demGlasfasermarkt durch den breitbandhungrigen Internet-Boommit fünfzig Prozent den höchsten je verzeichnetenZuwachs. Der weltweite Markt erreichte ein Volumen vonneunzig Millionen Faserkilometern, dem 2250fachenErdumfang. "Wenn man heute sagt, wir bauen Dark-Fibre-Netze,ist es fast unmöglich, dass wir je Pleite gehen", tönte derEuropa-Manager von Metromedia Fibre Networks, Ralf Kurbjuhn,noch im Juli 2000.
Heute liegt der Glasfasermarkt am Boden. Dem New YorkerDienstleister Viatel etwa droht der Konkurs. Im Mai mussteman Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US-Konkursrechtsbeantragen. Über zwei Milliarden Dollar habe das Unternehmenin den Aufbau der Netze gesteckt, schreibt das Wall StreetJournal. Genauso hoch sei nun der Schuldenberg. Um Geld indie leeren Kassen zu bekommen, versuchte Viatel sein kaumgenutztes Glasfasernetz in Westeuropa sowie einGlasfaserkabel zwischen London und New York zuversteigern. Doch niemand kaufte das Netz - ein Alarmsignalfür die Konkurrenten.
Die ersten Köpfe rollen
Mit einem Rückgang des Marktvolumens von 14 Prozent auf 7,1Milliarden Dollar war 2001 ein Katastrophenjahr, so dieAnalysten der unabhängigen Glasfaserexperten vomamerikanischen Marktforschungsunternehmen KMI. AuchKurbjuhn muss sich verwundert die Augen gerieben haben,hatte er doch im Interview im Juli 2000 noch gemeint:"Schlimmstenfalls würde jemand dankbar 'Hier' schreien, wenner die Fasern von uns übernehmen oder kaufen könnte. DarkFibre rostet nicht und altert glücklicherweise auch nicht sosehr." Doch Kurbjuhn irrte. Metromedia Fibre Networks wurdeim Oktober kurz vor dem Bankrott durch eine611-Millionen-Dollar-Spritze von Investoren mit der Citicorpan der Spitze gerettet; und er selbst ist nicht mehrEuropa-Manager. Metromedia war bis Redaktionsschluss nichtzu einer Stellungnahme bereit.
Auch Viatel-Konkurrent Global Crossing steht wie derUS-Netzanbieter Level 3 angeblich kurz vor dem Aus. GlobalCrossing meldete im zweiten Quartal 720 Millionen EuroVerlust. "Auch wir sind nicht immun gegen den Abwärtstrendder Industrie", sagt ein Sprecher. Auch der freieMarktanalyst Peter Pagé sieht den Bedarf an Glasfasernvorerst gedeckt: "Es sei denn, die letzte Meile zum Kundenwird komplett verglast. Doch das ist bei den vorhandenenxDSL-Techniken nicht zu erwarten."
Derzeit beherrscht KPN-Qwest, das Jointventure zwischen demholländischen Anbieter KPN und dem US-Spezialisten Qwest,den Markt. KPN verkaufte im Oktober aus Verzweiflung 10Prozent des 44-Prozent-Anteils an Qwest. Das verbessert dieKPN-Bilanz um immerhin 430 Millionen Euro, fängt damit abernicht einmal den Kauf der britischen Global Telesystems (GTSbetreibt das Backbone-Netz Ebone) ab, die sich dasJointventure 580 Millionen Dollar kosten ließ.
Die Analysten von KMI hoffen noch, dass es sich bei derderzeitigen Krise nur um "einen zyklischen Sturm im Bereichdes Üblichen" handelt. "Wir haben einen Abschwung, aber wirwerden uns zurückmelden", sagt ein führenderUnternehmensvertreter. "Das Ende der Fahnenstange ist nochnicht erreicht", glaubt Michael Müller-Berg, Chef vonKPN-Qwest Deutschland. "Vier große Unternehmen werden übrigbleiben." Telekom- und IT-Analyst Rothauge gibt besondersden Töchtern der Ex-Monopolisten gute Chancen, die Krise miteinem blauen Auge zu überstehen. Dazu zählt er KPN, Qwest,den französischen Netzwerkanbieter Equant sowie diebritische Carrier Colt Telecom.
Verbesserte Polarisationsmultiplex-Technik
Das bestehende Überangebot könnte sogar noch weiterwachsen. Wissenschaftler der Universität Paderborn behaupten, dass sich die Übertragungskapazität der dünnen Lichtleiter verdoppeln lässt. Eine verbesserte Polarisationsmultiplex-Technik lasse Datenraten von bis zuachtzig Gigabit pro Sekunde über einen 212 Kilometer langen Lichtwellenleiter zu. Nach Ansicht der Wissenschaftler um Professor Reinhold Noé ist die neue Technik bereits praxistauglich: Sie eigne sich auch für die vorhandenen Glasfaserkabel.