Es gibt erste Projekte

Das Internet der Dinge kommt

24.05.2013 von Christoph Lixenfeld
Unternehmen sollten sich jetzt mit dem Internet der Dinge beschäftigen. Sein Potential ist riesig, die damit verbundenen Herausforderungen allerdings auch.
Moderne Telematiksysteme gehören auch zum Internet der Dinge.
Foto: Audi

Eigentlich gab es für den etwas sperrigen Begriff vom Internet der Dinge jahrelang immer dasselbe Synonym: Den schlauen Kühlschrank, der durch den regelmäßigen Blick in das eigene Innere weiß, wann die Milch alle ist, anschließend an den Einkauf erinnert oder gleich selbst online bestellt.

Realität geworden ist die Idee nicht, was auch damit zusammenhängen könnte, dass kaum jemand frische Lebensmittel online kaufen will. Deshalb aber anzunehmen, das Internet of Things sei schon so etwas wie die Vergangenheit der Zukunft, wäre grundfalsch.

Weil mittlerweile, abgesehen vom viel zitierten Kühlschrank, unzählige IoT-Lösungen anwendungsreif sind. Und sie betreffen nicht nur den Privatnutzer, sondern auch Unternehmen. Vor allem weil die dabei produzierten Daten bei ihnen landen.

Beispielsweise verbinden eine Reihe von Energieversorgern in den USA ihre Verbrauchsmessgeräte mit webbasierter Datenübermittlung, können so weite Teile ihrer Serviceleisteungen remote abwickeln. Andere verdrahten Kameras zur inneren und äußeren Gebäudeüberwachung mit den Authentifizierungslösungen ihrer IT-Landschaft, um Zugangskontrollen und die Security insgesamt zu verbessern.

Internet der Dinge und M2M
Industrie 4.0, M2M und das Internet der Dinge sind unterschiedliche Themen mit gleichem Hintergrund: Bessere Vernetzung, zunehmende Miniaturisierung und fallende Hardwarekosten bereiten den Boden für sich selbst verwaltende Systeme.
Internet der Dinge und M2M in Gartners Hype Cycle:
Während die Umsetzung des „Internet der Dinge“ nach Gartner-Einschätzung noch weit entfernt erscheint, könnte die M2M-Kommunikation in fünf bis zehn Jahren zum praktischen Einsatz kommen. Erste Projekte gibt es heute bereits, wie in Blick auf Beispielen aus verschiedenen Branchen zeigt.
Call a Bike:
Wer ein Fahrrad der Deutschen Bahn am Wegesrand sieht und es ausleihen möchte, wählt die darauf angegebene Nummer und bekommt eine Öffnungsnummer mitgeteilt. Schon kann man losradeln, einmalige Anmeldung vorausgesetzt.
John Deere:
In seine Mähdrescher packt der Landmaschinenhersteller die Rechen-Power von acht PCs. Via GPS lassen sich Geräte spurgenau steuern. Eine Vielzahl von Sensoren sollen drohende Probleme frühzeitig melden, damit die Maschinen nicht während der Erntezeit ausfallen.
GAP:
Die Modekette GAP begrüßt in einigen Warenhäusern auf Bildschirmen im Ein- und Ausgangsbereichen Kunden mit persönlichen Nachrichten. Erkennungsmerkmal ist das mitgeführte Smartphone.
Telemedizin:
Vitalparameter werden mittels Körperscanner gemessen und dem behandelnden Arzt übermittelt. So können beispielsweise Krankenhauszeiten verkürzt werden.
DriveNow:
BMW hat das Geschäftsmodell Autoverkauf und die Autovermietung erweitert. In einigen deutschen Städten gibt es BMW-Fahrzeugflotten die registrierte Nutzer über Smartphone-App orten, reservieren und mieten können.
Smart Energy:
Das intelligente Energie-Management beschränkt sich nicht auf die Energiemessung, sondern steuert den Energieverbrauch je nach Angebot.

Inventur in zwei Stunden

Landmaschinen sind zum Teil schon übers Internet mit Firmennetzen verbunden.
Foto: Stefan Oelsner / Keystone

Supermärkte wie WalMart oder Best Buy nutzen RFID-Tags - auch sie gehören zum Internet der Dinge - um ihre Logistik effizient zu managen. In Deutschland versieht der Modehersteller Gerry Weber alle seine Produkte mit den kleinen Funkchips, was für einen durchschnittlichen Gerry Weber-Shop bedeutet, dass die gesamte Inventur statt zwei Tage nur noch zwei Stunden dauert.

Denn RFID-Lesegeräte brauchen keinen Sichtkontakt zum Produkt, um dessen EPC, den elektronischen Produkt-Code, zu erfassen. Der Inhalt einer Palette mit geschlossenen Kartons darauf kann in Sekundenschnelle elektronisch gelesen, die Daten ins System gespeist werden. Früher musste stattdessen der Strichcode an jedem Produkt einzeln eingescannt werden.

Immer häufiger mit dem Internet verbunden werden auch Produktionsanlagen, LKW-Flotten oder Anlagen zur Patientenüberwachung in Krankenhäusern. Hung LeHong, Vice President bei Gartner: "Selbst wenn diese Lösungen bisher einzeln gemanaged werden, so können sie doch in Zukunft Teil des Firmennetzwerks werden, ähnlich wie es viele ursprünglich private Smartphones und Tablets heute schon sind.

Ein anderer Schlüssebereich für IoT-Anwendungen ist das, was Gartner die digitale Lieferkette nennt: Produkte wir elektronische Geräte oder Maschinen bleiben über das Internet nach ihrer Auslieferung an den Kunden via Internet mit dem Hersteller verbunden, um Reparaturen beziehungsweise Wartung entweder remote auszuführen oder zumindest im Blick zu behalten, wann der nächste Service ansteht.

"Das bedeutet, dass die digitale Lieferkette auch nach der Auslieferung geschlossen bleibt, so Hung LeHong von Gartner. "Immer mehr - vor allem teure - Produkte werden in Zukunft über diese technischen Möglichkeiten verfügen."

Alles sendet ständig Daten

In der Textilbranche ist die Nutzung von RFID-Tags schon sehr populär.
Foto: berendsen

All das beudetet zwangsläufig, dass sich auch CIOs mit dem Internet der Dinge auseinandersetzen müssen, weil die genannten Anwendungen Daten produzieren, die Teil der Unternehmensanwendungen werden.

Die Frage wird sein, welche Schnittstellen nötig sind, um traditionelle Anwendungen mit jenen Daten zu verknüpfen, die von außen hinzukommen. Wer ist in diesem Fall verantwortlich für die IT-Sicherheit, die vor ganz neuen Herausforderungen steht?

IoT wird auch Netzwerkstrukturen maßgeblich verändern. Alles, was mit einem Firmennetz kommunizieren will, muss adressierbar sein. Bei jedem Smartphone und jedem Computer ist das der Fall, entweder direkt oder indirekt über die IP-Adresse. Auch andere Dinge, Produkte, Maschinen, die künftig ins Netzwerk eingebunden werden wollen, müssen also adressierbar sprich erkennbar sein.

Eine höchst anspruchsvolle Standardisierungsaufgabe: Wenn jedes Gerät heute einen Datenstrom produzieren kann, dann brauchen Unternehmen Technologien, um diesen Strom zu managen, zu speichern und zu analysieren. Denn nur mit solcher Analyse, also mit der Nutzung von Big Data, können Unternehmen aus dem ganzen Thema Internet of Things Vorteile ziehen, idealerweise Zusatzgeschäft generieren.

Nach Ansicht von Gartner werden zwar einige Firmen vorhandene Tools dazu einsetzen können, viele aber werden um zusätzliche Investitionen nicht herumkommen, auch wegen der Dimensionen der ganzen Angelegenheit. Gartner-Analyst Hung LeHong: "Eine Jet-Turbine zum Beispiel oder die Pumpe auf einem Erdölfeld können ein Terabyte an Daten pro Tag produzieren. Das ist ein riesiger Berg von Informationen."