"Satyam" bedeutet auf Deutsch "Vertrauen". Das hat der viertgrößte indische IT-Dienstleister durch die Schönung seiner Bilanzen allerdings zerstört. Erinnerungen werden wach: Schon macht der Begriff "Enron von Indien" die Runde, wenn über Satyam berichtet wird. Die spannende Frage ist, wie es mit dem 1987 gegründeten Unternehmen weitergeht und welche Auswirkungen der Wirtschaftsskandal auf die Offshore-Region Indien hat.
Option Eins: Stayam geht pleite und verschwindet
Für IDC-Analyst Rüdiger Spies gibt es drei Möglichkeiten. Option Eins: Der Laden geht pleite. Dass es dazu kommt, hält Spies allerdings für unwahrscheinlich: "Die indische Regierung kann es sich nicht erlauben, die Firma sterben zu lassen. Das würde ein negatives Licht auf die ganze Region werfen." So wie es momentan aussieht, trifft das zu: Indien hat das Management verhaftet, engagiert sich selber bei Satyam und wird voraussichtlich eine Menge Geld ins Unternehmen pumpen.
Laut dem Marktforscher Gartner besteht in Hyderabad dagegen wenig Grund zur Zuversicht. "Noch nie hat sich ein Unternehmen von einem Bilanzbetrug erholt", gibt Frances Karamouzis zu bedenken. Satyams Interimchef Ram Mynampati berichtete, dass es fraglich sei, ob ausreichend Liquidität für den laufenden Monat besteht.
Option zwei: Anbieter wie IBM, HP oder Accenture übernehmen Satyam
Falls doch, gibt es immer noch Option zwei: Große IT-Anbieter wie IBM, HP oder Accenture übernehmen die Inder. "Das macht aber nicht viel Sinn", meint Spies. Denn zurzeit könne niemand sagen, wie viel das Unternehmen tatsächlich wert ist. "Derzeit gibt es keine korrekten Informationen über die finanzielle Lage von Satyam. Auf kurze Sicht, wird es niemand kaufen", schätzt auch Gartner-Analyst Karamouzis.
IDC-Analyst Spies geht davon aus, dass andere Anbieter nur am Know-how des angeschlagenen Unternehmens, sprich den rund 53.000 Mitarbeitern, interessiert sind. Schließlich geht ein Jobwechsel in Indien schnell über die Bühne. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Vertrauen und Motivation bei der Belegschaft von Satyam gegen Null gehen dürfte.
Option drei: Satyam macht deutlich kleiner weiter
Spies geht davon aus, dass sich bisherige Kunden von Satyam nach Alternativen umschauen. Dass andere Anbieter Aufträge wegschnappen wird nicht ausbleiben. Das führt nach Meinung des Analysten zur dritten und wahrscheinlichsten Option: "Satyam bleibt eigenständig bestehen und erfüllt seine Verträge, wird aber nur noch auf kleiner Flamme weitermachen."
Dass das langfristig nicht ausreichen wird, davon geht Pascal Matzke von Forrester aus. Seiner Meinung nach ist das Brand Value von Satyam unwiederbringlich zerstört. Er glaubt weder, dass die Regierung "für ein faules Ei" eine großangelegte Rettungsaktion startet, noch dass irgendein Unternehmen Satyam übernimmt. "Ich glaube, das ist das Ende von Satyam."
Wie Satyam-Chef Ramalinga Raju jahrelang die Bilanzen fälschen konnte, ohne dass jemand etwas merkte, ist ein Rätsel und wirft gleichzeitig Fragen auf. In einem Brief versichert er, dass außer ihm niemand etwas wusste. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Mitglieder des Aufsichtsrats die Situation kannten", sagt Gartner-Analyst Partha Iyengar.
Forrester-Analyst Matzke ist da skeptischer: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann das alleine geschafft hat." Es müssen seiner Meinung nach auch andere Manager Einblick in die Bücher gehabt haben.
Für Matzke und seinen Kollegen von Gartner bleibt eines der größten Rätsel, warum der für Satyam tätige Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers den Betrug nicht entdeckte. Vor allem nach dem Enron-Skandal sei das verwunderlich.
Trotz des Vorfalls, wird sich Indien mit Abstand als wichtigste Offshore-Region behaupten, ist Matzke überzeugt. Allerdings werde sich der indische Markt konsolidieren.
Neue Chancen im Outsourcing-Markt
Außerdem zeige das Beispiel Satyam, dass die indische Dienstleistungsszene nicht unangreifbar ist, so Spies von IDC. Die Verhältnisse im weltweiten Outsourcing-Markt würden wieder etwas gerade gerückt. In den vergangenen Monaten waren indische Unternehmen häufig auf Einkaufstour in Europa. Das könnte sich jetzt ändern. Für europäische IT-Anbieter besteht jetzt die Chance, in Indien einen Fuß in die Tür zu setzen.
Spies erwartet außerdem, dass deutsche Unternehmen umdenken. Statt sich wie bisher nur am Preis zu orientieren, werden sie genauer die Stabilität des Outsourcing-Anbieters überprüfen. Ebenfalls ein Vorteil für Dienstleister in Europa.