Was haben Kurt Bock, René Obermann und Kaspar Rorsted gemeinsam? Richtig: Alle drei sind Vorstandsvorsitzende eines namhaften Dax-Konzerns. Kurt Bock ist CEO von BASF, René Obermann Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom und Kaspar Rorsted oberster Henkel-Manager. Analysiert man die Lebensläufe der Top-Manager, wird eine weitere Gemeinsamkeit offenbar: Alle drei verbrachten einen Teil ihrer Karriere in einer IT-Funktion beziehungsweise in der IT-Industrie.
Dies mag beim Vorstand eines Telekommunikationskonzerns wenig überraschen. Dafür verblüfft, dass der erste Mann des nach Umsatz weltgrößten Chemiekonzerns auch mal President für Logistik & Informatik war und dass der Henkel-Vorstandsvorsitzende mehr als zehn Jahre im Top-Management von Hewlett-Packard gearbeitet hat. Die drei genannten Top-Manager gehören damit zu einer noch kleinen, künftig aber wohl wachsenden Gruppe von Vorständen, die auf ihrem Karriereweg neben den "klassischen" betrieblichen Funktionen wie Vertrieb, Produktion oder Finance & Controlling auch in der IT Know-how und Kompetenz für ihren Manager-Handwerkskoffer gesammelt haben.
Wie eine Analyse von CIO-Magazin und der WHU - Otto Beisheim School of Management für diesen Artikel ergab, weisen von den aktuell 196 Dax-Vorständen (Stichtag 25. März 2013) heute bereits 22 in ihren Lebensläufen auf Tätigkeiten in der Konzern-IT oder in der IT-Industrie hin. Das sind etwas mehr als elf Prozent, wobei Kandidaten wie der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post Frank Appel noch gar nicht mitgerechnet sind, weil er in seinem Lebenslauf die ehemalige CIO-Funktion nicht ausweist.
Auch Heinrich Hiesinger von ThyssenKrupp wurde nicht mitgezählt, obwohl ihm Fachleute eine hohe IT-Kenntnis bescheinigen. Die IT ist auch direkt bei ihm aufgehängt, in seinem Lebenslauf weist Hiesinger sie trotzdem nicht als explizites Betätigungsfeld aus. Das ist anders als bei Kai Beckmann (Chief Administration Officer der Merck KGaA) und Frank Annuscheit (Chief Operating Officer der Commerzbank). Beide haben über den CIO-Posten den Sprung in einen Dax-Vorstand geschafft - und bekennen sich auch dazu.
IT in ausnahmslos allen Branchen
Man muss in diesem Zusammenhang zweifelsohne Edgar Aschenbrenner, dem CIO von E.ON, zustimmen. Dessen These aus dem CIO-Jahrbuch 2012 lautete: "Bald gibt es nur noch Jobs, die in irgendeiner Form mit IT zu tun haben". Mehr noch: Jede Branche wird durch die Strukturbrüche und Effizienzsprünge tangiert, die IT nun einmal auslöst. Das Zeitungs- und Verlagswesen, die Musikindustrie oder der Einzelhandel gehören dabei zu den prominentesten Beispielen. Aschenbrenner führt für den strategischen Veränderungsdruck aber auch die Landwirtschaft an.
Selbst in dieser so bodenständigen Branche ist vieles ohne IT heute nicht mehr vorstellbar. Der Umkehrschluss dieser Überlegungen darf dann aber nicht lauten, möglichst viele CIO-Positionen in Vorständen einzurichten. Die Bedeutung der IT im Unternehmen rein auf die Rolle des CIOs oder seine Platzierung im Vorstand zu reduzieren greift zu kurz und wäre die falsche Antwort auf die wichtige Frage, wie man die Durchdringung der Vorstandslandschaft mit IT-Know-how erhöht.
Grundsätzlich stehen die Chancen, in den kommenden Jahren deutlich mehr IT-affine Vorstände zu haben, nicht schlecht. Wie eine Studie von Roland Berger aus dem Jahr 2012 zeigt, lässt sich das typische Vorstandsmitglied eines Dax-30-Konzerns heute noch wie folgt charakterisieren: Jahrgang 1957, männlich, deutscher Staatsbürger, Universitätsstudium mit Fachrichtung Wirtschaft und anschließender Promotion. Als diese Manager-Generation die Schulbank drückte, war Computer noch ein Fremdwort, und als ihre Studienwahl anstand, richteten die ersten deutschen Universitäten gerade das Fach Informatik ein.
Im Gegensatz dazu ist die nächste Vorstandsgeneration aus den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er fast schon mit PCs groß geworden. Von "Digital Natives" kann zwar noch keine Rede sein, aber immerhin gab es zu ihrer Studienzeit schon Computer-Pools an den Hochschulen. Informatik etablierte sich in den 80ern flächendeckend und rangierte in der Gruppe der beliebtesten Studiengänge. Es ist daher nur eine logische Konsequenz, dass künftig mehr Top-Talente aus dem IT-Bereich - wie man im 68er-Jargon sagen würde - den Marsch in Richtung Vorstandsbüro antreten.
Zudem haben sich in den vergangenen zehn Jahren die Chancen für IT-ler verbessert, über neue Ausbildungsmodelle in Führungspositionen zu wachsen. Laut der bereits zitierten Roland-Berger-Studie gehen aktuelle Vorstände - gegen ihren eigenen Karriereweg - in der Mehrheit davon aus, dass künftig nicht die Promotion im Fach des Erststudiums, sondern MBA-Studiengänge ein wichtiger Erfolgsfaktor für Nachwuchskräfte auf dem Weg zu Führungspositionen sind.
Im Zuge der Bologna-Reform in Hochschulen und einer stärkeren Bedeutung des Life-long-Learnings bieten entsprechende MBA-Studiengänge gerade für IT-Talente optimale Möglichkeiten, sich berufsbegleitend auf den nächsten Karriereschritt vorzubereiten. Nach einer ersten guten fachlich-technischen Karriere werden in solchen Programmen gezielt General-Management-Skills aufgebaut. Strategie-Know-how muss dann nicht erst in Führungspositionen - also am offenen Herzen - gelernt werden.
Statt jetzt nur darauf zu warten, dass sich diese Entwicklung vollzieht, und weiter über nach wie vor fehlendes IT-Know-how im Management zu jammern, sind die interne IT und die CIOs gefordert, auch selbst aktiv zu werden. Ihnen kommt zwangsläufig eine wichtige Rolle zu, mit der sie diese Entwicklungen verstärken und beschleunigen können. Konkret sind es drei Empfehlungen, wie sich entsprechende Aktivitäten manifestieren sollten:
Machen Sie Talententwicklung zur ihrer wichtigsten Führungsaufgabe.
Unternehmen sehen sich heute mit einem "War for Talents 2.0" konfrontiert, bei dem qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte quer durch alle Altersstrukturen zum knappen Gut geworden sind. Talententwicklung ist daher zwangsläufig eine der wichtigsten Führungsaufgaben eines CIOs. Der CIO muss sich als oberster Talententwickler verstehen und dies tagtäglich vorleben.
Dies gilt im ersten Schritt für die Gruppe der klassischen IT-Spezialisten, die in einer Fachkarriere das Fundament der internen IT ausmachen. Denn nur mit Führungskräften allein lässt sich kein Unternehmen erfolgreich betreiben. Im zweiten Schritt sind es aber die Nachwuchsführungskräfte, die später dafür sorgen, dass die IT in den Fokus rückt. Die nachfolgende, zweite Empfehlung mag in Zeiten knapper Talent-Pools geradezu paradox anmuten.
Befördern Sie Ihre besten Talente mit Führungspotenzial aus der IT hinaus in die Business-Bereiche
Warum sollte ein CIO - wenn es ihm selbst stets an guten Fach- und Führungskräften mangelt - diese "quasi in die Business-Bereiche wegloben"? Die Antwort ist eine relativ einfache: Weil die Erfahrung zeigt, dass die besten Leute mittelfristig ohnehin gehen werden. Sie werden gehen, weil die Positionen, die sie interessant halten, vielleicht bereits besetzt sind oder es diese (noch) gar nicht gibt. Sie werden gehen, weil sie attraktivere Angebote aus anderen Konzernen bekommen. Sie werden gehen, weil sie in der Regel einfach "noch mehr" sehen wollen. Sei dies nun in Bezug auf internationale Erfahrung oder auf neue fachliche Erfahrungen.
Top-Talente haben keine Angst, den Schritt in ein unsicheres neues Feld zu machen. Falls Sie jedoch als CIO den Mut haben, den eigenen Nachwuchs aus dem Nest zu schubsen, wird sich schnell Ihr Netzwerk vergrößern, oder anders formuliert: Sie werden auf einmal viele IT-Alumni in den verschiedensten Business Units sitzen haben, die als Botschafter und Netzwerkknoten für die IT fungieren.
Vermarkten Sie die entsprechenden Entwicklungs- und Karrierepfade im Unternehmen aktiv und offensiv.
Wenn Sie der oben vorgestellten Leitlinie folgen, werden Sie hart arbeiten müssen, um Ihren Talent-Pool voll zu halten. Von "interner IT als Karriere-Booster" wird aktuell noch niemand sprechen wollen - ganz im Gegenteil! Der internen IT eilt teilweise der Ruf einer Karriere-Sackgasse voraus. Aber hier gilt es gezielt anzusetzen. Interne und externe Erfolgsbeispiele von Top-Karrieren, die über eine Rolle in die IT geführt haben, müssen in viel stärkerem Maße ins Bewusstsein der Bewerber und Mitarbeiter gerückt werden. Dann sollte es auch gelingen, IT-Know-how und Karrierezeiten in der IT zu dem zu machen, was sie sein sollten: Ein "Must have" im Lebenslauf für die Führungskräfte und Vorstände von morgen.
Korrekturen erbeten |
Für diesen Beitrag hat die CIO-Redaktion gemeinsam mit der WHU alle Lebensläufe der Vorstände auf eine IT-Vergangenheit durchsucht (Quelle: Dax-30-Websites, Stichtag 25. März 2013). Wissen Sie von einem Dax-Vorstand, der auf seinem Karriereweg eine IT-Rolle hatte und hier noch nicht erfasst ist? Wir freuen uns über einen kurzen Hinweis im Kommentarfeld dieses Artikels oder per E-Mail an Horst.Ellermann@cio.de. |