"Passion to perform" steht an der gläsernen Schiebetür. Die Kollegen im dritten Stock an der Theodor-Heuss-Allee 72 in Frankfurt setzen ein ehrgeiziges Projekt um: Die Deutsche Bank migriert auf ein neues Kernbankensystem. Magellan heißt die SAP-Hochleistungsplattform, die die Bank als "modernste Technologie- und Prozessplattform für Bankdienstleistungen in Europa" preist.
Magellan umfasst die gesamte IT und alle Abwicklungsprozesse des Geschäftsbereichs Privat- und Geschäftskunden (PBC) in Deutschland. Seit Juli 2012 werden mehr als fünf Millionen Sparkonten der Deutschen Bank auf der neuen Hochleistungsplattform geführt. Die Plattform bietet das künftige gemeinsame Fundament für die Filialen von Deutscher Bank und der 2012 übernommenen Postbank. Sie soll die Industrialisierung von Geschäftsprozessen ermöglichen und Kosten senken. Die Bank gibt rund eine Milliarde Euro für die SAP-Einführung aus.
Was das weltweite Transaction Banking betrifft, entschied sich Wolfgang Gaertner, CIO Retail, Deutsche Bank, 2010 für den indischen Anbieter Tata. Er will das Global Transaction Banking in mehr als 30 Ländern vereinheitlichen und hat dafür das Kernbankensystem TCS BaNCS von Tata Consultancy Services eingeführt. Die Anwendung startete Ende 2010 in einer neu eröffneten Filiale in Abu Dhabi.
"Wir haben die Entscheidung für das Projekt Magellan Anfang 2010 getroffen", sagt Gaertner. Das Geldinstitut stand vor der Alternative, das bestehende proprietäre Kernbankensystem Stück um Stück zu erweitern - oder einmal in einem großen Schritt zu erneuern. Die Deutsche Bank entschied sich für Letzteres. "In der intensiv diskutierten Grundsatzfrage 'Make or buy' war am Ende klar, dass wir nur mit dieser grundlegenden Veränderung alle folgenden Veränderungen auslösen können", erklärt Gaertner. Er wollte Standardsoftware und entschied sich für SAP. Die Walldorfer bieten großen Banken eine bewährte Plattform, so der CIO. "Wir brauchen daher nur zu parametrisieren und müssen nicht Software entwickeln", sagt Gaertner.
Banken wechseln wie Hemden
Das Projekt ist kein Selbstzweck: Steigender Compliance-Druck durch Regularien wie Basel III und IFRS, Kunden, die Apps und mobile Banking fordern und heute weit schneller zum Institutswechsel bereit sind als früher, dazu die Folgen der Finanzkrise - Banken haben zu kämpfen. Gaertner, von der Ausbildung her Wirtschaftsingenieur und damit nicht frei von Business-Denke, sieht die IT-Modernisierung denn auch in der Mitte des Unternehmens angesiedelt.
Als das Magellan-Projekt 2011 in die Praxis ging, zog sein Team in den großen Raum an der Theodor-Heuss-Allee in der Retail-Zentrale der Deutschen Bank. Hier hat auch der IT-Chef ein Büro. Diese Ortswahl sei "Symbol und Absicht" zugleich. "Wir wollen zeigen, dass das Projekt Business-getrieben ist", sagt Gaertner. Hinter der "Passion to perform"-Glastür arbeiten nicht nur IT-ler, sondern auch Kollegen aus dem Fachbereich und natürlich Externe von SAP und weiteren Dienstleistern.
Zum Projektstart spielte die Übernahme der Postbank keine Rolle. Gaertner sah sich ab 2012 zusätzlich zur Einführung der neuen Plattform mit der Integration der Postbank betraut. Er musste also beide Vorhaben miteinander verbinden und seinen Plan entsprechend anpassen.
Fremd waren sich die Banken aber nicht: Über ihre Tochter Betriebscenter für Banken (BCB) wickeln die Bonner bereits seit 2004 den Inlandszahlungsverkehr für die Deutsche Bank ab. Außerdem bringt die Postbank SAP-Erfahrung mit. Das Institut gilt als Vorreiter und hatte bereits 1999 eine Kooperation mit den Walldorfern über die Entwicklung von SAP Banking vereinbart.
"Als Nächstes die Spar-Anwendung"
Die Synchronisation von Postbank-Integration und Plattformaufbau umreißt Gaertner mit den Worten "Build jointly, migrate stepwise". Er begann mit der Sparanwendung der Deutschen Bank. Im Juli 2012 schloss sein Team die Umstellung auf SAP-Banking nach 18 Monaten Arbeit ab, da waren fünf Millionen Datensätze der Deutschen Bank aus der Altanwendung auf die neue Plattform migriert. Als Nächstes kommt die Sparanwendung der Postbank. "Und so setzt sich das dann mit anderen Modulen fort", erklärt Gaertner.
Über die kulturellen Unterschiede der beiden Banken will er nicht viel sagen. Lieber erklärt er, wie er die Kollegen ins Boot holt. Schlüsselpositionen in Architektur und Programmleitung besetzt die Deutsche Bank intern, dabei bezieht Gaertner die Postbank-Kollegen ein. Noch sind sie in der Minderzahl, doch in wenigen Monaten hält Gaertner pari für möglich. Das sei wichtig, um die gemeinsame Lieferverantwortung zu verdeutlichen. Insgesamt zählt Gaertners Team - Interne, Externe und Kollegen aus den Fachbereichen zusammengerechnet - 1200 Mitarbeiter.
Magellan ist bis 2015 angesetzt. Nach der Migration der Sparanwendungen sind etwa die Migration des Zahlungsverkehrs, das Zusammenlegen von Rechenzentren und die Vorbereitung auf SEPA-Erfordernisse (das Kürzel umschreibt den Zahlungsraum Single Euro Payment Area) weitere Schritte. Gaertner will jedes Jahr zwei Releases verwirklichen. Im großen Projektarbeitsraum hängt ein Abreißkalender, der den Countdown bis zum jeweiligen Release herunterzählt.
1,7 Milliarden Euro sparen
Die Erwartungen sind hoch: Ab 2015 will die Deutsche Bank pro Jahr viereinhalb Milliarden Euro einsparen. Das erklärten Jürgen Fitschen und Anshu Jain, die Co-Vorsitzenden des Vorstands und des Group Executive Committee, anlässlich der berühmten "ersten hundert Tage" im neuen Job. "Strategie 2015+" nennt sich ihr Plan. Davon sollen 1,7 Milliarden Euro Einsparungen aus dem Bereich Infrastruktur kommen, zu dem auch die IT zählt. Das Kostensenkungspotenzial in der IT wird auf 1,1 Milliarden Euro beziffert. Magellan ist ein Teil davon.
Die IT soll in der Endausbaustufe Einsparungen von circa 250 Millionen Euro pro Jahr ermöglich. Das will Gaertner vor allem mit dem Abbau externer Mitarbeiter erreichen. Vom Zusammenlegen der Rechenzentren verspricht er sich weitere große Reduzierungen bei den Sachkosten.
Der IT-Entscheider sieht das Projekt noch unter einem ganz anderen Aspekt: Er will seine Bank als attraktiven Arbeitgeber für junge Informatiker positionieren. Das zeigt sich auch im großen Projektraum: Die Arbeitsplätze sollen als Desktop-on-Demand Flexibilität bieten, alle Arbeitsplätze können frei gewählt werden.
Wer etwas ausdrucken will, identifiziert sich per Bankausweis am jeweils nächsten Drucker. Die Deutsche Bank forciert hier ein junges Arbeiten, das den Bedürfnissen kommender Mitarbeitergenerationen entsprechen soll. Gaertner sagt: "Wir nutzen Technologie, um die Bank zu verändern. Das interessiert Absolventen." Umgekehrt interessiert ihn, was Absolventen können.
Auch während der Finanzkrise habe die Deutsche Bank jedes Jahr junge Mitarbeiter eingestellt. "Viele Innovationen im X86-Umfeld oder Technologien wie In-Memory werden von jungen Leuten getrieben", beobachtet er. "Hier können sie das umsetzen."
Das Unternehmen Deutschen Bank
Unternehmen |
Deutsche Bank AG |
Bilanzsumme |
2103 Milliarden Euro |
Mitarbeiter |
100 682 (davon ca. 24 000 in Technology & Operations) |
IT-Budget |
2,184 Milliarden Euro für EDV (2011) |
IT-Projekt "Magellan" |
|
IT-Mitarbeiter |
ca. 1200 interne und externe Projektmitarbeiter |
IT-Budget |
ca. 1 Milliarde Euro bis 2015 |
Produkte |
SAP Banking Release 8.0 |