2021 war für viele das Jahr der Neuausrichtung und des Aufarbeitens dessen, was die Corona-Pandemie hinterlassen hat. Dennoch bedeutete das keine Rückkehr zum gewohnten Leben davor. Das Arbeitsleben nach der Pandemie (und vor der nächsten pandemischen Welle) war nicht mehr dasselbe - gerade auch in der Informationstechnologie.
Eine Reihe von Trends der großen Marktforscher sind als Folge der Pandemie entstanden und einige haben sich gerade aufgrund der Pandemie durchgesetzt. Bei näherer Betrachtung stellt sich die Frage, welche davon 2022 noch etwas theoretisch daherkommen und welche das tägliche Leben der CIOs jenseits der Leuchtturmprojekte ein aufs andere Mal beschäftigen.
Es folgen einige Trends für 2022, die in den Köpfen und auf den Prioritätenlisten vieler CIOs ganz oben stehen. Diese haben nicht immer etwas mit dem letzten technologischen Gimmick zu tun. Sie erfordern neben Inspiration auch immer viel Transpiration der gesamten CIO-Organisation. Denn: Eine der größten Herausforderungen, um neuen Technologien umzusetzen, liegt in deren Skalierung. Aufstrebende Technologien werden erst dann ausgereift sein oder sich durchsetzen, wenn sie über den Experimenten- und Prototypen-Status hinausgehen.
Legacy weiter mit strategischem Charakter
Altsysteme auf Cloud-Plattformen umzustellen ist ein oft zitiertes Beispiel für die digitale Transformation. Meist wird der Anschein erweckt, als sei es eine Sache von Monaten, die alte Welt zu modernisieren. Die Praxis sieht in vielen Branchen anders aus.
Was im Industrieumfeld alte SAP-Systeme sind, repräsentieren im Finanzumfeld die immer noch weit verbreiteten Mainframes. Die Modernisierung der Legacy-IT wird weitere Jahre in Anspruch nehmen. Hybride Architekturmodelle - Gartner nennt dies "Composable Applications" - bestimmen das Tagesgeschäft. Sie werden viele CIOs beschäftigen, wenn sie 2022 ihre IT-Strategien gestalten oder aktualisieren.
Sind wir nicht alle ein bisschen agil?
Zentrale, in starre Linien organsierte IT-Strukturen, die Entwicklung und Betrieb trennen, werden weiter aufgebrochen. Interdisziplinäre Teamarbeit, oft im Zusammenspiel mit dem Geschäft, lösen sie ab. Laut Forrester steht die Reorganisation der IT bei rund 70 Prozent der Unternehmen weltweit auf der Agenda. 2022 werden sich IT-Vernatwortliche weiter mit der Organisationsstruktur der Zukunft beschäftigen.
Eins ist sicher: Es gibt nicht die Musterlösung von der Stange und den Blue-Print der IT-Organisation für alle Unternehmen. Jeder CIO muss deshalb den Weg für seine spezifische Situation finden, wie ein struktureller und organisatorischer Wandel gelingen kann. Im Kern geht es dabei immer darum, Struktursilos zu überwinden, die Anforderungen des Business besser zu verstehen und die Transformation zu beschleunigen.
Hyperautomation kombiniert Trendtechnologien
Hyperautomatisierung wird im Jahr 2022 weiter Technologien wie Robotic Process Automation (RPA), künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) kombinieren. Ziel ist es, effektiver und effizienter zu werden, die Qualität zu verbessern sowie Geschäftsprozesse im Ganzen produktiver zu machen. Dabei zählt der echte Anwendungsfall mehr als Tests im Digitallabor.
Process-Mining als Ausgangspunkt der Hyperautomation kann in diesem Zusammenhang mit verbesserten Analysen laufend Transparenz in Echtzeit bieten. Aufgrund dessen lassen sich Abläufe und Prozesse weiter verbessern.
Cyber Security - Einschläge werden häufiger
Laut ehemaligen FBI-Direktor Robert Mueller gibt es zukünftig nur solche Unternehmen, "die gehackt wurden, und solche, die es noch werden". Der Dauerbrenner "Cyber Security" der letzten Jahre auf der CIO-Agenda wird deshalb auch 2022 noch einmal mehr an Bedeutung gewinnen.
Hohe Security-Standards und Konformität mit (zurecht) stetig wachsenden regulatorischen Anforderungen sind keine "Kür" mehr. Im Gegenteil: Sie beanspruchen immer größere Anteile im Transformationsbudget. Eine Kehrtwende ist für 2022 keinesfalls in Sicht. Die neue Welt "Arbeiten zwischen Büro und Homeoffice" eröffnet neue Einfallstore und Chancen für Attacken. Entsprechende Sicherheitsvorfälle und Schlagzeilen wünscht sich kein Unternehmen und erst recht nicht der CIO.
Digitalisierte Kundenschnittstelle wird überlebenswichtig
Mit fortschreitender Digitalisierung sinkt das Verständnis von Kunden für nicht-digitale Interaktion. In ihrem eigenen Ökosystem orientieren sich die Kunden im Sinne einer "Total Customer Experience" an Unternehmen, die sich pro-aktiv in ihr Umfeld integrieren. Finanzinstitute schaffen über Portallösungen Finanzierungsmöglichkeiten auf "Knopfdruck" im ERP-System. Versicherer bieten beim Kauf von Produkten schon die passende Versicherung mit an.
Die digitale Nähe zum Kunden wird erfolgskritisch.Dies erzeugt Handlungsdruck bei vielen CIOs insbesondere mittelständischer Unternehmen.
Raus aus dem Datenmüll
Daten- und Anwendungssilos haben sich in den letzten Jahren stark vermehrt und sind komplexer geworden. Millioneninvestitionen in riesige Data-Warehouse-Kraken und neueste KI-Technologien haben darüber hinweggetäuscht, dass die Grundlagen oft fehlen: Wie lange dauert ein Prozess vom Kunden zum Kunden? Wie viel Menge wird produziert? Einfachste Fragen können oft nicht beantwortet werden.
Virtuelle Datenintegration (Data Fabrics) über Plattformen und Geschäftsbereiche hinweg kann einfache Zugriffsmöglichkeiten schaffen. Dies gilt auch für die CIO-Organisation. Sie ist beispielsweise die Basis für Software Process Mining. Das wiederum hilft Krisen in IT-Projekten zu erkennen und unter Umständen Millionen zu sparen.
Basics beherrschen
Um Unternehmen effektiv und intelligent zu steuern, braucht es nicht die neuesten technologischen Trends. Die transformatorische Herausforderungen bestehen darin, ein paar wenige Basics zu beherrschen und im Zusammenspiel mit Kunden, Geschäft und Partnern das eigene Drehbuch für Meisterschaft zu schreiben. Gerade hier kommt den CIOs mehr denn je eine Schlüsselrolle als Gestalter zu. (jd)