Gartner nennt Kriterien

Das Rechenzentrum der nächsten Generation

09.08.2011 von Werner Kurzlechner
Ein nachhaltiger Energiemix wird laut Gartner immer wichtiger bei der Planung von Rechenzentren. Die Region entscheidet immer mehr.
Regionale Unterschiede werden nach Gartner-Prognose immer wichtiger. Neuseeland erscheint den Analysten angesichts des nachhaltigen Energiemixes dort als Standort für Rechenzentren prädestiniert. Deutschland eher nicht.
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Die Standortwahl beim Outsourcing war bislang in der Regel davon bestimmt, Preisunterschiede auf dem Arbeitsmarkt auszunutzen. Nach Einschätzung der Gartner-Analysten Stephen Stokes und Marcus Blosch wird sich das bald ändern. Immer wichtiger werden demnach Nachhaltigkeitsaspekte. Der Emissionsbilanz und ihren Folgen auf der Kostenseite kommt eine wachsende Rolle zu, wie die beiden Autoren in einer Studie im Herbst letzten Jahres herausarbeiten. „Grüne“ Aspekte gewinnen also an Gewicht bei der Planung von Rechenzentren – das gilt insbesondere auch für Cloud-Anbieter, die Data Storage-Aufgaben von Unternehmen übernehmen und deren Ansprüche auf Dauer erfüllen wollen

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„Bei der Entwicklung einer langfristigen Rechenzentrumsstrategie sollte nicht nur ein bisschen übers Prozessorgehäuse hinaus gedacht werden, sondern möglichst auch über regionale und nationale Grenzen hinaus“, empfehlen Stokes und Blosch. Durch Offshoring oder anderweitige Verlagerung von IT-Speicherkapazitäten ließen sich substanzielle Vorteile auf der finanziellen Seite sowie fürs Firmen-Image und die Umwelt realisieren, ohne dass zwingend negative Effekte bei der Zuverlässigkeit oder den Energiekosten in Kauf zu nehmen seien.

Im Kern werben Stokes und Blosch vehement für einen globaleren und weiter in die Zukunft gerichteten Blick bei Outsourcing- und Storage-Entscheidungen. Einerseits weist ihre Gartner-Studie noch einmal auf die klassischen Argumente für eine Green-IT hin: die positive Außenwirkung, wenn ein Unternehmen sich ökologisch verantwortungsbewusst präsentiert und auch Einspareffekte, da unter anderem auch der Gesetzgeber einen hohen Energieverbrauch immer mehr verteuert.

Andererseits beleuchten sie die Potenziale, die Trends wie Cloud Computing und Software-as-a-Service (SaaS) hier mit sich bringen. IT-Services und Data Storage können durch derartige Liefermodelle quasi überall von jedem Herkunftsort aus in Anspruch genommen werden. Das schafft wiederum neue Voraussetzungen für Near- und Offshoring-Entscheidungen. Denn über die Wahl eines Cloud-Providers lässt sich steuern, in welchem Rechenzentrum Daten tatsächlich gespeichert werden, mit welchem Energiemix das Data Center betrieben wird und wie hoch die Energiekosten am Standort sind.

Als Beispiel für die beträchtlichen regionalen Unterschiede führt Gartner den Energiemix von sieben Rechenzentren in den USA an. Google arbeitet am Standort Dallas immerhin mit einem Anteil erneuerbarer Energien von 51 Prozent, im doppelt so großen Rechenzentrum in Lenoir sind es hingegen nur 4 Prozent. Yahoo kommt in Lockport auf 28 Prozent, in La Vista aber nur auf 7 Prozent. Microsoft erreicht in San Antonio 11 Prozent, in Chicago aber nur 1 Prozent. Bei Apple in Maiden beträgt der Anteil erneuerbarer Energien 4 Prozent.

Microsoft: Wenig grün in Chicago

„Offensichtlich ist der Weg in die Wolke nicht unbedingt so vorteilhaft für die Umwelt, wie einige Provider glauben machen wollten“, so Stokes und Blosch. Insbesondere dann, wenn ein Rechenzentrum mit emissionsstarken fossilen Brennstoffen betrieben wird. Bei Microsoft in Chicago ist das zu 73 Prozent der Fall.

Die meisten Rechenzentren nutzen zumindest teilweise Atomstrom, was aber auch mit dem Risiko von Reputationsschäden bei NGOs und anderen Interessengruppen verbunden sei. „Die Reaktorkatastrophe von Fukushima ist in diesem Zusammenhang ein höchst unglücklicher Vorfall“, so Gartner. Die höchste Nuklearkraftquote der genannten Rechenzentren weist Microsoft in San Antonio mit 52 Prozent auf.

Inwieweit Unternehmen, Cloud-Anbieter und ihre Kunden den Energiecocktail aber überhaupt nach Wunsch mixen können, hängt schon grundsätzlich von der regionalen Standortwahl ab. Denn nicht überall ist Energie aus allen Quellen verfügbar. Gartner unterscheidet hier vier Gruppen.

Mit geringen Emissionen und zugleich keiner Atomenergie können US-Bundesstaaten wie Idaho und Oregon ebenso aufwarten wie Island, Norwegen, Brasilien, Neuseeland und Österreich. Relativ wenige Emissionen bei gleichzeitig hohem Nuklearanteil gibt es in Finnland, Frankreich, der Schweiz, Kanada und US-Bundesstaaten wie Kalifornien und New York.

Jede Menge fossile Energie, aber kaum Atomkraft prägt beispielsweise New Mexico, Kentucky und Utah, aber auch Polen, Australien, China, Israel, Indien, Griechenland, Indonesien und Malaysia. Deutschland und die USA zählen zur Kategorie der Nuklearkraftnutzer, die gleichzeitig relativ viele Schadstoffe ausstoßen. Hierzulande ist zudem die Kilowattstunde Strom 0,12 US-Dollar deutlich teurer als anderswo.

Schlechter Mix in Deutschland

„Die Verfügbarkeit von verlässlicher, kosteneffizienter und mit geringen Emissionen verbundener Energie ist einer von vielen Faktoren, die in die Planung von Rechenzentren der nächsten Generation einfließen sollten“, rät Gartner. Wegen des aktuell weithin niedrigen Kohlepreises und der kurzfristig geringen Wahrscheinlichkeit von nationalen oder internationalen Regulierungsoffensiven beim Emissionsschutz werde dieser Aspekt aber derzeit oft verdrängt. Gleichwohl werde er neben der Verfügbarkeit von gut ausgebildeten und bezahlbaren IT-Spezialisten, der Steuerpolitik und der Kommunikationsinfrastruktur über die IT-Offshoring-Standorte der Zukunft mitentscheiden.

Unternehmen, die Kosten- und Reputationsrisiken im Zusammenhang mit Schadstoffemissionen vermeiden wollen, sollten laut Gartner auf nachhaltige Konzepte ihrer Service-Provider achten. Einen Fingerzeig gibt dabei bereits, wo die Rechenzentren regional angesiedelt sind.

Die Studie „Greening the Cloud“ ist bei Gartner erhältlich.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.