Jetzt, da es vorbei ist, mischt sich doch Wehmut in die Aussagen treuer Cebit-Besucher. Viele sind mit der Cebit in Hannover in der ITK-Branche groß geworden. Die einstmals führende IT-Messe hat viele bereits das ganze Berufsleben begleitet.
"Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist"
"Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist! Diesen Zeitpunkt hat die Cebit wohl am Ende verpasst. Ganz im Gegenteil, die ehemalig erfolgreichste B2B-Messe für internationale Informationstechnologien hat leider ein schlechtes Change-Management vollzogen", meint Monika Jacoby, Marketing-Spezialistin bei Network Partner Public Images. Jacoby hatte Jahrzehnte die Cebit-Auftritte ihres damaligen Arbeitgebers Kyocera mitgestaltet.
"Mit einem sehr fokussierten, unverwässerten Business-Konzept hätte die Cebit bestimmt eine Chance gehabt", glaubt sie. "Ich persönlich finde es sehr schade, denn ich verbinde nicht nur ein Stück IT, sondern auch PR-Geschichte damit. Spannende Innovationen und Aufbruchstimmung, hochkarätige Pressegespräche und Konferenzen sowie intensive Standgespräche, ein wahres Schlaraffenland für Zukunftssuchende. Jetzt findet die Zukunft leider wo anders statt", so Jacoby.
ChannelPartner-Kommentar: Nach der Cebit die Sintflut
"Wir werden die gewonnene Zeit anders nutzen"
Lancom-Gründer und -Geschäftsführer Ralf Koenzen hat der Cebit bis zum bitteren Ende die Treue gehalten. "Mehr als 30 Jahre Cebit werden mir in angenehmer Erinnerung bleiben. Danke an alle, die diese Veranstaltung immer wieder ermöglicht haben. In dieser Zeit ist durch und mit der Cebit eine ganze neue Industrie entstanden.
Viele Arbeitsprozesse wurden dramatisch beschleunigt und die Informationsbeschaffung revolutioniert. Und genau das führt nun dazu, dass die Cebit nicht mehr in dem Maße gebraucht wird wie früher - sie wurde von ihren eigenen Themen überholt. Wir werden die gewonnene Zeit anders nutzen, um mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben. Sei es über die Hannover Messe Industrie, Branchenmessen oder unsere LANupdate-Veranstaltungen", kündigt der Lancom-Chef an.
"Der Brand 'Cebit' ist weltweit noch stark"
"Ich selbst war mehr als 20 Jahre vor Ort in Hannover um Produkte auszustellen, Kundengespräche zu führen, Interviews zu geben, die Presse zu treffen und vor allem Spaß zu haben. All das hat sich aufgrund einer gefühlten 'Nichtanpassung' an die 'Neuzeit' Schritt für Schritt reduziert" erzählt Florian Bock, Geschäftsführer bei Estos. Er will aber die Cebit noch nicht ganz aufgeben: "Schade, denn der Brand 'Cebit' ist sicherlich heute noch weltweit sehr stark und es ist wahrscheinlich noch nicht viel verloren. Lösung: Pragmatisches Konzept. Tolle eventuell wechselnde Messestädte. Gute Mischung aus Information und Spaß. Schon läuft's wieder", schlägt er vor.
Hätten Sie es gewusst? Warum heißt CeBIT eigentlich CeBIT?
"Es bleiben sehr positive Erinnerungen an die Cebit-Zeit"
Für Gerald Holler, Chef des Channel-Beratungsunternehmen Compris, hat sich in den letzten Jahren abgezeichnet, dass sich die IT wieder in die Fach- & Anwendungsbereiche integriert: "Die 'echte' IT-Lösung ist eben keine reine 'IT Lösung' mehr, sondern ein Anwendungsszenario im Unternehmen. Es bleiben sehr positive Erinnerungen an die Cebit-Zeit, meine Wehmut stelle ich den neuen Chancen der wirklich digitalisierten Prozesse gerne zurück", sagt Holler.
Lesen Sie auf den folgenden Seiten, warum Händler mit dem neuen Cebit-Konzept nichts mehr anfangen konnten und warum die Messe in den letzten Jahren einem Palliativinstitut glich.
"Die Cebit war keine Plattform mehr für uns und unsere Fachhändler"
Unvergessen sind die Cebit-Jahre, in denen die Aussteller in der legendären Halle 1 mit riesigen, mehrgeschossigen Ständen um die Aufmerksamkeit der Messebesucher buhlten. Auch Büromaschinenspezialist Brother war ein Aussteller der ersten Stunde und bis 2017 immer vertreten.
Matthias Schach, Direktor Vertrieb, Marketing und Unternehmenskommunikation bei dem japanischen Unternehmen, bedauert das Ende der Cebit als ehemals weltgrößte IT-Messe und deutsche Tradition: "In den letzten Jahren zeigte sich jedoch schon immer deutlicher, dass die Cebit sich schwer tat, sich den veränderten Anforderungen der Aussteller und Besucher anzupassen. Spätestens mit der Neuausrichtung im letzten Jahr wurde uns dann klar, dass die Cebit nicht mehr die Plattform für uns und unsere Fachhändler ist", stellt Schach fest. Ob die geplante Integration einiger Themen in die Industriemesse für Brother eine Option ist, müsse man abwarten und prüfen.
"Die Cebit war eine hervorragende Plattform, um sich mit anderen Anbietern zu messen"
Während viele ehemalige Aussteller die Neuausrichtung zunächst abwartend begegnet sind, war HPE auch beim veränderten Cebit-Konzept aktiv dabei. Umso mehr bedauert HPE Channel-Chef Gerry Steinberger, dass die Messe nicht mehr stattfinden wird: "In den letzten Jahren haben wir zusammen mit unseren Channel-Partnern gemeinsame Themen positioniert, die von unseren Kunden durchweg positiv aufgenommen wurden. Die Cebit war dabei nicht nur eine hervorragende Plattform, um unsere Technologien und Anwendungsfälle zu präsentieren, sondern auch, um uns mit anderen Anbietern aus der Branche zu messen", so Steinberger.
"Die spürbare Lücke wird nicht leicht zu kompensieren sein"
Für Karin Hernik, Channel Director DACH der IT-Division bei Schneider-Electric, geht mit dem Aus der Cebit ein wichtiger Branchen-Treffpunkt verloren: "Mit der Cebit in Hannover hat einst eine wichtige Ära begonnen, über die sich viele Jahre lang die IT-Branche definiert hat.
Sie war nicht nur als wirtschaftliches Aushängeschild für Deutschland und als 'Computerleitmesse' prägend, sondern auch als fixer Treffpunkt für viele persönliche Kontakte mit Partnern aus dem IT-Channel und Fachjournalisten, aber auch Mitbewerbern", meint die Managerin. Sie ist sich sicher, dass gerade dieser wichtige, fast schon familiäre Aspekt eine spürbare Lücke in der Branche hinterlassen wird, die nicht leicht zu kompensieren sein wird.
"Die Foren und Diskussionen waren nur Labervereine"
Bernd Tischler vom IT-Dienstleister TeC.de aus dem westfälischen Verl, geht mit dem neuen Cebit-Konzept hart ins Gericht, das er maßgeblich für das letztendliche Scheitern der Messe verantwortlich macht. Seit 1997 hat Tischler die Cebit jedes Jahr besucht, auch im Juni diesen Jahres. Ihn stört die mangelnde Selbstkritik der Messegesellschaft. "Trotz der Reduzierung von 200.000 auf 120.000 Besucher haben sich die Herren gefeiert. Ich frage mich, wo ist da der Erfolg?".
Beim neuen Konzept seien viele Ansprechpartner nicht mehr da gewesen. "2018 war ein Schuss in den Ofen", konstatiert der Systemhaus-Vertreter. Die angebotenen Foren und Diskussionen seien "Labervereine" ohne konkreten Praxisbezug gewesen. "Für ein qualifiziertes Systemhaus uninteressant, da muss man nicht hin", lautet sein Fazit. "Ich bin betrübt, dass die Tradition endet", gibt er zu Protokoll. Es sei "ein Skandal und eine Schande", dass das passieren konnte.
"Die Cebit glich einem Palliativinstitut, in dem das Sterben Schritt für Schritt ausprobiert wird"
Heinz-Paul Bonn (Jahrgang 1945) besuchte bereits die Industriemesse und war seit 1986 auf jeder Cebit. Für sein eigenes Unternehmen, den Kölner ERP-Spezialisten GUS Group, hat er das Geschäftsjahr sogar so gelegt, dass es am 31. März endete. "Mir gab die Cebit einen zuverlässigen Brancheneindruck. Sie taugte als Standortbestimmung und Grundlage für die Vorhersage, wie das kommende Geschäftsjahr ausfallen wird."
Das Aus für die Cebit findet Bonn "schade - egal wie sinnvoll es ist. Wir leisten uns damit den Verzicht auf ein ganz wichtiges Element für den IT-Standort Deutschland. Mit der Cebit in Hannover haben wir eine Marktplattform aufgegeben." Schuld daran sei aber nicht die Messeleitung alleine, deren Mitarbeitern Bonn für ihre Motivation und ihr Engagement in all den Jahren dankt, in denen er mit ihnen zusammengearbeitet hat. "Wir alle sind verantwortlich. Es ist bedauerlich, dass wir es alle zusammen zugelassen haben, dass es so weit gekommen ist."
Die Neuausrichtung im vergangenen Jahr fand Bonn nicht komplett gelungen, aber nach einem Versuchsballon abzubrechen hält er nicht für richtig. "Das Aus jetzt ist der falsche Zeitpunkt. Mindestens 2019 hätte man es mit dem überarbeiteten Konzept noch einmal versuchen sollen." Dass das schwierig war, räumt er aber auch ein. "Einige große Firmen haben ja schon vorher gesagt, dass sie sich eher bei der Industriemesse sehen. Damit hatte die neue gestaltete Cebit eigentlich schon vor ihrem Start keine echte Chance." Sie habe so eher einem Palliativinstitut geglichen, in dem das Sterben Schritt für Schritt ausprobiert wird.
Riesenrad gefahren ist Bonn auf seinem Messebesuch 2018 übrigens nicht. "Riesenräder sind die falsche Metapher dafür, wie die IT die Gesellschaft verändert. Bespaßung im Stile von Club Med und Europapark tragen den Anforderungen nicht Rechnung." Gut findet Branchen-Urgestein Bonn, dass der Bitkom das Erbe antritt und nennt ausdrücklich dessen internationales hub-Festival mit Artificial Intelligence Summit im April 2019 in Berlin sowie die für November 2019 ebenfalls in Berlin geplante Smart Country Convention.
"Danke Cebit!"
Ein versöhnliches Fazit zieht Christian Seidl, Geschäftsführer D/A/CH bei Tie Kinetix, der es bei seinen beruflichen Stationen geschafft hat, die gesamte Channel-Handelskette abzudecken. So konnte er die Cebit als Hersteller am eigenen Stand und als Besucher aus Fachhandels- und Distributionssicht besuchen. "Danke Cebit! Danke Hannover für die extrem erfolgreiche Zeit der Cebit. Die Branche hat sich verändert und neue, andere Formate sind nun erfolgreich", schließt Seidl.