44.000 Tankstellen weltweit. Bohrtürme, die jeden Tag 3,3 Millionen Barrel Öl fördern. Eine Flotte von Tankschiffen sowie mehr als 30 eigene Raffinerien und Chemiebetriebe. Bei Shell kann eigentlich niemand so richtig viel mit der Idee anfangen, dass Daten jetzt das neue Öl sein sollen. Selbst die IT-Verantwortlichen bei der Nummer sieben auf Forbes’ Global-2000-Liste (467 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2012) halten den Vergleich für leicht überzogen. Sicher, auch bei Shell sei das Datenwachstum unübersehbar, sagt Jay Crotts. Aber die Metapher mit dem Öl des 21. Jahrhunderts, so wie es die Big-Data-Protagonisten gerne propagieren, hält er für unangemessen.
Dabei kann sich Crotts durchaus für Big Data und Data-Mining begeistern. Nicht umsonst nennt sein Dienstleister T-Systems die wachsende Datenmenge eine der anspruchsvollsten Aufgaben beim Kunden Shell. Crotts hat nur überhaupt keine Ambitionen, selbst die Infrastruktur für das Thema vorzuhalten. Wozu sollte jemand nach Daten bohren, wenn er gleichzeitig das Zeug hat, Bodenschätze wie Gas und Öl zu fördern? Auf einer Skala von eins für "viel Outsourcing in der IT" bis fünf für "wenig Outsourcing" gibt sich Crotts die glatte Eins: "Kommt wahrscheinlich nicht allzu oft vor, oder?", fragt der Infrastruktur-Chef seinen Gesprächspartner Ferri Abolhassan von T-Systems.
"Nein", entgegnet der Geschäftsführer Delivery: "Eine Eins in Outsourcing - das behaupten vielleicht einige Firmen von sich, nur bei Shell stimmt es definitiv." An IT-Dienstleistern mischen in der Muschel-Infrastruktur mit: HP für die Endgeräte und AT & T für Hosting und Storage. Außerdem unterstützen noch weitere Provider, namentlich IBM, Accenture, Wipro, Oracle und Microsoft, um nur die Größten zu nennen. Und mittendrin unter den internationalen Namen: T-Systems. Irgendwie klingt ein gewisser Stolz in der Stimme Abolhassans durch.
Ausgerechnet das kleine hässliche Entlein aus dem Telekom-Konzern kann einen so schicken und internationalen Kunden vorweisen. Vor nicht allzu vielen Jahren hatte sich die Bonner Mutter noch überlegt, ob sie die Kistenschubser aus der IT nicht vielleicht doch besser verkauft. Jemals zu einem Global Player aufzusteigen schien illusorisch, zugleich aber zwingend, um im Markt der IT-Services zu bestehen. Derlei Bedenken zerstreuen sich nun, wenn Kunden wie Shell aufspringen beziehungsweise zum zweiten Mal einen Fünfjahresvertrag unterschreiben - so wie 2012 geschehen.
T-Systems ist im Juni 2008 zunächst als Rechenzentrumsbetreiber bei Shell eingestiegen. Die Deutschen betreiben mittlerweile alle vier "Gigacenter" in Houston, Malaysia, München und Amsterdam. Bei Shell hatte damals niemand viel mehr als Virtualisierung bei diesem Projekt erwartet. "T-Systems hat unser SAP erst mal so gelassen, wie es war", erzählt Crotts. Erst später sei man auf die Lösung migriert, die konzernintern den Namen "Munich Solution" trägt. "90 Prozent sind schon da. 100 wären besser", sagt Crotts, "dann wären wir wirklich vorbildlich virtualisiert."
120.000 Mitarbeiter nutzen SharePoint
T-Systems präsentiert die Lösung als Cloud Solution. Es sei aber eine On-Premise-Lösung, ergänzt Crotts: "Unsere Kundendaten dürfen in ganz vielen Fällen das Land nicht verlassen." In diesen sensiblen Bereichen ließe sich also maximal eine private Cloud einsetzen. "SharePoint und Microsoft machen wir aber auch", fügt Abolhassan hinzu. Seit März nutzen 120.000 Mitarbeiter von Shell und Lieferanten SharePoint als Collaboration-Tool. In verschiedenen Ecken der Welt laufen neben den vier großen Rechenzentren nun auch kleine Server-Farmen mit der Microsoft Business Productivity Online Suite (MS BPOS), um die Gesetzesvorgaben und die Performance vor Ort sicherzustellen.
Okay, am Ende einigen sich Crotts und Abolhassan darauf, dass es eine hybride Cloud sei. Viel wichtiger als die Diskussion über privat, hybrid oder public ist beiden, dass sie jetzt globaler sind. Nicht nur bei Microsoft, auch im SAP-System hat Shell da soeben einen Satz nach vorne gemacht: Im Geschäftsbereich Downstream (Mineralöl und Chemikalien) hat T-Systems gerade eine einheitliche Lösung für die 37.000 Mitarbeiter in 36 Ländern implementiert - nach Angaben des Dienstleisters der weltweit bislang größte Roll-out dieser Art: von 16 SAP-Landschaften auf eine.
Die Verfügbarkeit ist auf 99,98 Prozent gestiegen. Das mag in zivilisierten Regionen keinen IT-ler beeindrucken. Für Shell ist das jedoch ein guter Wert. "Wir bewegen uns rund um den Globus", erzählt Crotts. Gebohrt wird auch in Regionen, wo weder Infrastruktur noch Politik stabil sind. Der Infrastruktur-Chef nennt eine ehemalige Sowjetrepublik als Beispiel: "Am Anfang kannte T-Systems da einige Lokationen gar nicht", sagt Crotts. Ob es schwierig gewesen sei, an so abgelegenen Orten Standards zu etablieren? "Nein", sagt Abolhassan: "Bei Shell folgen die Länder tatsächlich den zentralen Vorgaben." Das sei wirklich außergewöhnlich. "Und außerdem", fügt der globale Dienstleister hinzu: "Es gibt gar keine abgelegenen Plätze in der Welt."
Die Unternehmensdaten von Shell
Hauptsitz |
Den Haag (in Deutschland: Hamburg) |
Mitarbeiter |
87.000 (in Deutschland: 4100) |
Umsatz |
467 Mrd. Dollar (in Deutschland: 53,4 Mrd. Euro) |