Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren einige Neuerungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) eingeführt, die sich auch auf die Vorgaben an Verträge in einem IT-Projekt auswirken können. Die wesentlichen Auswirkungen erklären wir im folgenden Text.
Ein- und Ausbaukosten
Eine zentrale Auswirkung betrifft die Ein- und Ausbaukosten mangelhafter Produkte im Kaufrecht. Die Ein- und Ausbaukosten sind dann erstattungsfähig, wenn der Käufer die im Gesetzestext genannte 'Sache' eingebaut oder angebracht hat, bevor der Mangel offenbar wurde. Es ist für den Käufer nicht mehr schädlich, wenn er zum Zeitpunkt des Einbaus grob fahrlässige Unkenntnis von der Mangelhaftigkeit der Sache hat. Unverändert bleibt der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs bei Mangelhaftigkeit einer Sache. Im Rahmen der Gewährleistung wird das Entfernen dieser Sache und der Einbau einer reparierten (oder neuen, mangelfreien) Sache geschuldet.
Eine weitere Regelung, die ebenfalls in § 439 BGB geregelt ist, betrifft die Rücknahmepflicht der mangelhaften Sache. Der Verkäufer ist danach verpflichtet, diese auf seine Kosten zurückzunehmen. Diese Regelung war bereits vor der letzten Reform anerkannt, jedoch nicht gesetzlich geregelt. Für IT-Unternehmen kann diese Gesetzesänderung im Bereich von "Peripherie-Geräten" Bedeutung erlangen. Denn durch die gewählten Formulierungen kann zum Beispiel auch der Anschluss von Druckern und Scannern oder der Einbau von Festplatten erfasst sein.
Abschlagszahlungen
Abschlagszahlungen sind bei der Software-Entwicklung und anderen IT-Projekten möglich und verbreitet. Die Berechnung der Abschlagzahlung erfolgt dabei auf Basis des Wertes der vom Auftragnehmer vertraglich geschuldeten und erbrachten Leistungen. Die Parteien können durch Vereinbarung von der Regelung zur Abschlagzahlung abweichen und solche Zahlungen individuell vereinbaren. Denkbar ist dies auch durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
Dem Auftraggeber bleibt das Recht, einen angemessenen Teil der Abschlagszahlungen zu verweigern. Hierfür muss er lediglich behaupten, dass die Leistung nicht vertragsgemäß sei. Der Auftragnehmer muss dann die Mängelfreiheit seiner Leistung nachweisen. Dies könnte insbesondere Freelancer treffen, die auf vereinbarte Abschlagszahlungen angewiesen sind und dann unter Umständen einen hohen Aufwand zur Fehlersuche betreiben müssen, um ihre Vergütung zu erhalten.
Dauerbrenner Abnahme
Für IT-Projekte ist die Abnahme oder deren Fiktion von besonderer Bedeutung. Eine Abnahme liegt vor, wenn der Besteller nicht innerhalb der gesetzten Frist die Abnahme unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert.
Dies hat verschiedene Konsequenzen: Der Besteller muss nun aktiv auf ein Abnahmeverlangen des Auftragnehmers reagieren, wenn dieser das bestellte Werk vollendet hat und die Abnahme verlangt. Tut er dies nicht, so tritt die fingierte Abnahme und die damit verbundene Beweislastumkehr (§ 477 BGB) bezüglich des Mangels ein. Umgekehrt kann schon durch Angabe eines lediglich unwesentlichen Mangels die Abnahme verweigert werden. Insoweit wäre nach dem Gesetz das tatsächliche Vorliegen eines Mangels unerheblich, vielmehr würde nach dem Wortlaut des Gesetzes die bloße Behauptung ausreichen.
Aufgrund des Zeitdruckes in IT-Projekten ist ferner darauf zu achten, dass der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer keine Teilabnahme ungewollt erklärt und so den möglichen Verlust von Mängelrechten zu befürchten hat. Vorsorglich sollte daher vertraglich vereinbart werden, dass auch bei Teilabnahmen die Mängelrechte vorbehalten bleiben.
(Teil-)Kündigung auch bei agilen Projekten?
Im Bereich der Kündigung hat es in jüngerer Vergangenheit keine Neuerungen gegeben. Neben der Möglichkeit (sowohl für Auftraggeber als auch Auftragnehmer) wegen eines wichtigen Grundes kündigen zu können, gibt es auch die Alternative einer Teilkündigung. Letztere ist jedoch nur dann möglich, wenn sie einen nach dem Vertrag abgrenzbaren Teil der Leistung zum Gegenstand hat. Notwendige Voraussetzung hierfür (z. B. im Hinblick auf eine vertraglich vereinbarte Teilkündigungsmöglichkeit) ist die klare Abgrenzbarkeit von verschiedenen Teilen des jeweiligen IT-Projekts, die von den Projektteilnehmern gewährleistet und vertraglich festgehalten werden muss.
Durch die Möglichkeit der Teilkündigung kann flexibel auf sich ändernde Umstände reagiert werden. Sollte im Laufe eines IT-Projektes deutlich werden, dass bestimmte Teile nicht mehr von Bedeutung für das Gesamtprojekt sind (sei es aufgrund technischen Fortschrittes, finanziellen Schwierigkeiten oder gesetzlichen Reformen) so ist nicht die gesamte Leistung betroffen. Vielmehr kann der nicht mehr benötigte Teil ausgesondert und getrennt gekündigt werden. Nachteilig kann dies hingegen für die sogenannte "agile" Softwareentwicklung sein: Durch die Notwendigkeit klar abgrenzbarer Teileinheiten eines Projektes könnte die Flexibilität der Programmierer eingeschränkt werden.
Mitwirkungspflichten
Im Fall einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 648a BGB bestehen für die Parteien Mitwirkungspflichten bei der Leistungsstandfeststellung. Wer gegen diese Mitwirkungspflichten verstößt, trägt die Beweislast, wenn er sich auf einen abweichenden Leistungsstand berufen möchte. Diese Wirkungen treten nicht ein, wenn die fernbleibende Partei das nicht Erscheinen nicht zu vertreten hat oder dies unverzüglich der anderen Vertragspartei mitteilt.
Auch die Mitwirkung bei der Abnahme eines Werkes ist Pflicht (§ 640 BGB). Diese trifft den Auftraggeber. Verstößt er gegen diese Pflicht, kann der Unternehmer nach dem erfolglosen Ablauf einer gesetzten Frist eine angemessene Entschädigung verlangen oder ggf. den Vertrag kündigen.
Sachmangelbegriff im Kaufrecht
Seit 2022 gilt ein neuer kaufrechtlicher Sachmangelbegriff gem. § 434 BGB, der insbesondere für den Kauf von Software relevant ist. Der zentrale Unterschied zum bisherigen Sachmangelbegriff liegt in der Aufgabe des subjektiven Verständnisses eines Mangels.
Primärer Anknüpfungspunkt war in der Vergangenheit die Vereinbarung über die vertragliche Beschaffenheit. Erst bei fehlender Vereinbarung knüpfte der Mangelbegriff an die gewöhnliche und/oder vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit an. Mit dem neuen Mangelbegriff stehen diese beiden Anknüpfungspunkte nun gleichwertig nebeneinander. Ein Mangel kann also auch bei Vorliegen einer subjektiven Vereinbarung vorliegen, wenn der Kaufgegenstand den objektiven Vorgaben nicht entspricht.
In IT-Projekten ist es weiterhin möglich, die Gewährleistung in einem Vertrag über eine negative Beschaffenheitsvereinbarung zu begrenzen. Aktuell ist aufgrund fehlender Rechtsprechung noch offen, inwieweit der neue Sachmangelbegriff derartige Beschränkungen zulässt. Es bleibt jedoch anzunehmen, dass er weiterhin bei Individualvereinbarungen größer ist als bei der Verwendung von AGB.
Abweichende Regelungen für Verbraucherverträge
Zusätzliche Vorgaben gelten für IT-Verträge mit Verbrauchern, wenn es sich bei der vereinbarten Leistung um eine Ware mit einem digitalen Element oder ein digitales Produkt, wie z.B. Sprachassistenten, Navigationssyste oder Computerprogramme und Apps auf mobilen Endgeräten handelt (§ 327 BGB). Es gelten dann gesonderte Vorgaben für die Gewährleistung, die Beweislast, die Leistungserbringung und die Vertragsbeendigung. Ebenso ist erstmalig eine Aktualisierungspflicht des Unternehmers geregelt. Eine Abweichung von diesen Vorgaben ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich.
Neben der Herausforderung diese Vorgaben in den Verträgen mit Verbrauchern einzuhalten, erwächst für Auftraggeber und Auftragnehmer auch eine wesentliche Änderung im Rahmen eines vorgeschalteten IT-Projekts. So kann ein Unternehmer gegenüber seinen Vertriebspartnern teilweise seine Aufwendungen ersetzt verlangen, die er gegenüber dem Verbraucher (etwa aufgrund eines anfänglichen Mangels) aufgewendet hat. Insoweit entfalten die neuen Vorgaben auch im Verhältnis zwischen Unternehmen eine Wirkung. Unternehmen sollten daher die Vorgaben im Blick behalten, um einen Aufwendungsanspruch zu vermeiden.
Daneben bestehen weitere Risiken durch die neuen Vorschriften, deren Bedeutung für die Praxis derzeit noch nicht sicher abzusehen sind:
Es kann sich auswirken, dass nun gegenüber Verbrauchern eine nicht abdingbare Aktualisierungspflicht besteht. Dadurch kann ein Unternehmen länger zur Aktualisierung gegenüber den abnehmenden Verbrauchern verpflichtet sein als die Verträge mit den eigenen Auftragnehmern laufen (§ 475c BGB).
Der neue Sachmangelbegriff kann sich in gleicher Weise auswirken. Er sieht vor, dass von bestimmten Vorgaben und Erwartungen des Verbrauchers an eine Ware mit digitalen Elementen oder ein digitales Produkt allenfalls unter Einhaltung strikter Vorgaben abgewichen werden kann. Auch hier kann ein Gewährleistungsrecht durch die neuen Vorgaben weiter ausgestaltet sein als die Rechte eines Auftraggebers gegenüber seinem Auftragnehmer.
Auswirkungen auf das IT-Vertragsrecht - Zusammenfassung
Für IT-Projekte sind durch die gesetzlichen Anpassungen im BGB folgende Änderungen zu beachten:
Auftraggeber, die beispielsweise Freelancer beschäftigen, große IT-Projekte betreuen oder aber "agile" Softwareprojekte beauftragen, sollten entsprechende Vereinbarungen treffen, welche die gesetzlichen Vorgaben berücksichtigen.
Für den nach wie vor relevanten Bereich der Abnahme erscheint ein Fristenmanagement bei einer Vielzahl von in Auftrag gegebenen IT-Projekten obligatorisch. Ansonsten könnte das Eintreten der Abnahmefiktion dazu führen, dass zum Beispiel für eine Softwareentwicklung die vereinbarte Vergütung gezahlt wird, obwohl tatsächlich wesentliche Mängel vorliegen.
Für Auftraggeber und Auftragnehmer sind klare Vereinbarungen für die reibungslose Abwicklung von IT-Projekten bezüglich Abnahme, Abschlagszahlungen und Mitwirkung Pflicht.
In Zusammenhang mit Kaufverträgen ist es empfehlenswert, eine detaillierte Beschaffenheitsvereinbarung in den Vertrag aufzunehmen, die den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Eine detaillierte wirksame Beschaffenheitsvereinbarung kann insbesondere spätere Sachverständigenkosten zur Bestimmung der zu leistenden Beschaffenheit vermeiden.
Für IT-Projekte in Zusammenhang mit Verbraucherverträgen ist bei Waren mit digitalen Elementen und bei digitalen Produkten darauf zu achten, dass diese die neuen Vorgaben an den Sachmangel und die Aktualisierungspflicht im Blick haben. Bei Verbraucherverträgen im Anschluss an die Durchführung eines IT-Projekts (etwa die Nutzung einer App oder einer Cloud) ist der Vertrag ebenfalls nach den neuen gesetzlichen Vorgaben auszugestalten. (bw)