Wie sieht Ihre Integrationsstrategie aus?
Issimahos Hatzidimoulas: Die Integration der bestehenden Systeme im Rahmen der Fusion der drei Hypothekentöchter Rheinhyp, Deutsche Hyp und Eurohypo Alt wurde zwischen 2001 und 2003 weitgehend abgeschlossen. Wir haben gar nicht erst mit SherryPicking begonnen, sondern uns für das System Mark der Eurohypo Alt - der ehemaligen Tochter der Deutsche Bank - entschieden.
Mit Blick auf unsere Zielarchitektur sind uns die Effizienz für das traditionelle Hypothekengeschäft wichtig, Time-to-Market für die neuen Investment-Banking-Möglichkeiten sowie Datenkonsistenz für unsere Banksteuerung - unser magisches Dreieck. Die Systemwelt wird komplexer werden, deswegen ist die dringende Anforderung da, dass die Datenqualität bestehen bleibt. Zur Trennung zwischen bestehenden Lösungen und modernen Technologien zu Datenintegration wollen wir EAI nutzen. Die Vorgabe dafür: maximale Flexibilität in der operativen Architektur.
Günter König: Die Strategie heißt: modulare Systeme aufbauen, die flexibel eingesetzt werden können. Wie aus einem Baukasten müssen sich Geschäftsprozesse aus Teilapplikationen zusammensetzen lassen. Dies wirkt sich in jeder Schicht aus: vom User-Interface, dem SAP-Enterprise-Portal, auf dem der Anwender die Funktionen zu seinen Geschäftsprozessen ausführt, bis hin zur SAP Exchange Infrastructure, die die Informationswege und Datenströme im Hintergrund routet und transformiert.
Volker Lowitsch: Wir haben 2001 in der IT-Struktur eine reine Integrationssektion neben dem IT-Betrieb geschaffen, um durchgängige integrierte Prozesse zu etablieren. Ich muss schließlich in einer elektronischen Patientenakte sämtliche Informationen rund um die Uhr verfügbar halten. Wir haben in den vergangenen drei Jahren die Systemkomplexität reduziert, indem wir einheitliche Systeme eingeführt haben. In Bereichen mit vergleichbaren Prozessen ist nur noch ein System im Einsatz. Der Kommunikationsserver HL 7 (Anm. d. Red.: Datenformat Health Level 7) ist für uns das, was man in der Industrie als EAI oder Integration Layer bezeichnet. Als Gesamtintegration setzen wir auf ein Data Warehouse von SAS. Hier soll künftig die strategische und operative Berichterstattung abgewickelt werden.
Hans Rösch: Wir machen konzernweite Vorgaben und geben Empfehlungen zu wichtigen IT-Architekturen und deren Bausteinen sowie zu den IT-Anwendungen - für SAP R/3 Classic, das als Ein-Mandanten-System in zirka 50 Konzernunternehmen eingesetzt wird, sowie für SAP HR und das Abrechnungssystem IS-U. Als EAI-Tool haben wir 2002 Microsofts BizTalk ausgewählt. Alle Schnittstellen zwischen SAP und den Anwendungen sollten darüber laufen. Über das SAP Business Warehouse bekommen wir die wichtigen kaufmännischen und technischen Informationen zusammen. An der Oberfläche werden alle Anwendungen über ein Web-Interface bedienbar, sodass man sie leicht in Portalen verknüpfen kann.
Was ist eine effektive Integration?
Hatzidimoulas: Die Roadmap der IT-Zielarchitektur ist stark von geschäftlichen Aktivitäten abhängig. Wir wollen nicht einfach eine tolle Architektur bauen und dann auf die Projekte warten. Wir haben die Devise: Start small mit Produktprojekten und dann scale as needed - nicht mehr scale fast. Dabei orientieren wir uns eher an Projekten als an der Zielarchitektur.
Aktuell müssen wir das neue Investment-Banking-Geschäft mit in die Systeme einbinden. Dafür läuft derzeit ein EAI-Pilot in den USA. Die Integration erfolgt lokal in den USA, soll aber für den Aufbau der Zielarchitektur des Head Office dienen. Das ist eine gute Gelegenheit, ein Proof of Concept für die EAI-Software zu machen. Die Kriterien: Wie viel Datentransformation und wie viel Workflow brauche ich?
König: Ich möchte dies am Beispiel unserer E-Service-Plattform erläutern: Mit unserer E-Service-Plattform haben wir eine gesellschaftsübergreifende Kommunikationsdrehscheibe geschaffen, die in der Kunden-Lieferanten-Beziehung allen Beteiligten einen gemeinsamen Blick auf dieselben Informationen ermöglicht. Statt das vermeintlich Gleiche zu sehen, das durch Verteilen und Herunterladen von Daten, auch in Kundensystemen, allein durch Zeitinterferenzen nicht mehr dasselbe sein kann, arbeiten alle an der Kundenauftragsabwicklung Beteiligten auf einer gemeinsamen Auftragsakte. Sie beinhaltet neben Dokumenten auch eine Vielzahl dynamisch und personalisiert veränderbarer Business-Intelligence-Berichte.
Lowitsch: Ich muss heute nur noch fünf Systeme unterhalten - die Krankenhausinformationssysteme KIS und Medico/s, das Laborsystem Swisslab, SAS-Technologie als Data Warehouse und PACS für die Bildspeicherung und -verteilung sowie SAP für Finanz-, Material- und Personalwirtschaft. Ich könnte jede Klinik mit eigenen Systemen und Patientendaten ausstatten, die dann über Health Level 7 (HL7) Daten austauschen. Derzeit überführen wir sämtliche Labore auf das gleiche Laborsystem. Das hat den Vorteil, dass der Laborbefund digital im KIS-System angeschaut werden kann.
Rösch: Neben flexibler und belastbarer Technologie und den Experten für die technische Implementierung sind auch gute Sponsoren, Moderatoren und Kommunikatoren nötig. Als Moderatoren haben wir externe Berater eingesetzt, um die nötige kritische Distanz zu Einzelinteressen einzubringen. Aus technischer Sicht sollte das Tool offenen Standards wie XML folgen. Interessanterweise haben wir das bei Microsoft gefunden. Mit einer komplexeren Lösung, etwa von Tibco, hätten wir viel mehr Externe benötigt, um die Werkzeuge optimal einzusetzen. Die viel gepriesene Real-TimeIntegration ist bei vielen unserer Prozesse gar nicht nötig. Oft können wir mit einem gewissen Time Lag gut leben.
Wie gehen Sie mit Outsourcing in Ihrem Unternehmen um?
Hatzidimoulas: Alles, was Anwendungsentwicklung angeht, sehen wir als unsere Kernkompetenz an. Teile der IT-Infrastruktur haben wir ausgelagert - wie beispielsweise seit dem Jahr 1999 unser Handelssystem an T-Systems. Sinius macht den Arbeitsplatz-Support. Das Outsourcing der Netzwerkinfrastruktur steht uns noch bevor. Da müssen wir uns jetzt von den ehemaligen Mutterbanken abnabeln und suchen gerade einen Partner. Was uns von unseren Mitbewerbern unterscheidet, wollen wir intern aufbauen. Neue Anforderungen kommen besonders aus den Bereichen, in denen es um die Kapitalmärkte geht.
König: Intime Kenntnisse der Prozessabläufe erlauben es, Teilprozesse zu kapseln und dann in ein Outsourcing-Verfahren zu überführen. Wir betreiben hoch innovative Systeme, die im Notfall innerhalb einer halben Stunde wieder verfügbar sein müssen. Das können Spezialisten besser als wir. Wir nutzen unter anderem Storage on Demand. Ich nenne hier nur diese beiden Beispiele, um zu verdeutlichen, dass unter den genannten Prämissen Outsourcing sinnvoll und effektiv sein kann.
Lowitsch: In dieser Umbruchsituation macht es wenig Sinn, Technologien auszulagern. Wir brauchen diese Kompetenz, um die Restrukturierung voranzutreiben. Es ist sehr teuer, nach dem Outsourcing Prozesse zu verändern und vertragliche Vereinbarungen neu anzupacken. Im Rahmen der Neustrukturierung gehen wir zudem davon aus, dass wir das Produkt über eine Projektgesellschaft (Anm. der Redaktion: befindet sich gerade in Gründung) vermarkten wollen. Hier könnte es sein, dass wir Know-how brauchen, um zusätzliche externe Services anbieten zu können. Unser Ziel ist, dass wir über die IT-Gesellschaft das Know-how haben, um Gesundheitsnetzwerke selber treiben und steuern zu können. Auslagern kann man erst, wenn Prozesse beständig sind.
Rösch: Bis auf wenige Ausnahmen wird unsere IT durch die Konzerntochter Vattenfall Europe Information Services betrieben. Das Outsourcing von betriebseigenen Applikationen wird durch die fortschreitende Integration immer komplexer. Wir haben etwa eine Anwendung ausgelagert, die noch in der Entwicklung ist und eine Vielzahl von Schnittstellen hat. Doch schon vor dem Produktivbetrieb stellten wir fest, dass die Anbindung sehr komplex wird und die nötige IT-Sicherheit besonderen Aufwand erfordert. Wenn überhaupt, dann muss man sehr viel radikaler rangehen und über das Outsourcing ganzer Applikationsgruppen nachdenken.
Was hat sich in den letzten fünf Jahren auf dem Integrationssektor verändert?
Hatzidimoulas: Die Konsolidierung haben nur Anbieter mit reifen Technologien überlebt. Zudem ist der Integrationsansatz nach den vielen negativen Erfahrungen der vergangenen Jahre pragmatischer geworden. Die Technologie spielt nicht mehr die vordergründige Rolle wie vor ein paar Jahren, als sie das Geschäftsmodell vorangetrieben hat. Die Technik ist jetzt da, wo sie hingehört: Sie muss sich rechnen. Zudem ist man heute von der Risikomanagement-Seite weiter: Ich mache erst mal ein Proof of Concept - sammle in einem Pilotprojekt Erfahrungen, bevor ich den großen Wurf mache. Das ist ein regelrechter Paradigmenwechsel in der IT.
König: Integration von Geschäftsprozessen beschränkt sich heute nicht mehr auf rein technologische Aspekte. Die Daten- und Informationsströme mit kontextbasierten Regelsystemen in Form von Metadaten und Metaregeln zu verknüpfen macht den Unterschied aus. Wir haben beispielsweise Fertigungsleitsysteme mit unterlagerten Systemen an SAP R/3 gekoppelt. Hierbei war es nicht damit getan, syntaktisch korrekte Datenschnittstellen zu realisieren. Vielmehr waren auch semantische Brücken erforderlich, deren Abbildungsverfahren so flexibel gestaltet wurden, dass sie sich den schnelllebigen Veränderungen der realen Welt ebenso schnell anpassen konnten und können. Diese Methodik erlaubt uns, schnell Templates aufzubauen und diese dann flexibel zu produktionsfähigen Systemen zu verfeinern.
Lowitsch: Die Standards haben sich deutlich weiterentwickelt. Der HL 7-Standard kann heute viel breiter genutzt werden als noch in der Anfangsphase. Das gilt auch für die Übertragung von Bilddaten. Da gibt es den Dicom-Standard, mit dem Medizingeräte, Röntgengeräte und Modalitäten unterschiedlichster Hersteller angeschlossen werden können. Das war einer der Schlüssel, um Informationen zur elektronischen Patientenakte zusammenzuführen. Die Belange der Ärzte und des Pflegebereiches werden heute besser unterstützt. Vor zwei Jahren konzentrierten sich Krankenhausinformationssysteme mehr auf administrative Prozesse und nicht auf den Behandlungsprozess.
Rösch: Es gibt einen Trend zu flexiblen und modularen Lösungen mit überschaubarem Einführungsaufwand. Ich habe in meinem Vorleben schon Kontakt gehabt mit Tools wie Crossworld (Anm. der Redaktion: eine Technologie, die in IBMs Websphere aufging) und musste feststellen, dass es viele Versprechungen gab, benötigte Schnittstellenfunktionalität auch mit dem Einsatz teurer und seltener Spezialisten kaum zu machen war. 2001 haben wir uns dann SAP Exchange Infrastructure XI angeguckt. Das war damals noch mehr ein Versprechen, das aus Folien bestand und weniger ein funktionsfähiges Softwareprodukt. Mittlerweile gibt es einige brauchbare EAI-Lösungen. Der Umgang mit den Tools ist heute leichter zu erlernen. Wir gehen davon aus, dass SAP XI künftig für die Integration der verschiedenen SAP-Applikationen untereinander notwendig wird. Deshalb bauen wir nun das nötige Know-how dafür auf.
Wo sehen Sie mögliche Probleme für eine erfolgreiche Integration?
Hatzidimoulas: Nicht nur im Einsatz von Integrationstechnologien, weil sie relativ neu sind, sondern im Aufbau eigener Kompetenz. Das ist die Herausforderung schlechthin. Sonst begibt man sich beim Einsatz neuer Technologien schnell in Abhängigkeit von Externen. Das wird bei uns nicht passieren. Wir brauchen nach wie vor SAP-Kenntnisse. Allerdings gehen wir weg von der monolithischen SAP-basierten Welt hin in eine komplexere - in ein Spannungsfeld zwischen dem klassischen SAPbasierten Hypothekengeschäft und dem neuen Geschäft Investment-Banking, wo es um vertikalen Fähigkeiten geht, wie Kenntnissen von Handelssystemen.
König: Netweaver effizient zu nutzen bedeutete für uns, den Fokus nicht auf die Technologie, sondern auf die Geschäftsprozesse zu richten, die richtigen Bausteine aus dem Technologieportfolio auszuwählen und flexibel auszuprägen. Nicht eine "hartverdrahtete" Realisierung für einen Geschäftsprozess ist die dauerhaft erfolgreiche Lösung. Das heißt, auf Wiederverwendbarkeit der Lösungen zu achten. So wie Netweaver ein technologischer Baukasten ist, so müssen die hiermit realisierten Lösungen selber ein Baukasten für Geschäftsprozessfunktionen sein. Das ist wahre Integration. Einfach zwei Themen koppeln und das EAI-Strategie nennen, funktioniert nicht.
Lowitsch: Der Gesundheitsmarkt ist ein enger Markt. Damit ist der Kundenbereich eingeschränkt. Die finanziellen Möglichkeiten der Kliniken sind gering. Deshalb konnten die Hersteller nicht immer die erforderlichen Investitionen in die Entwicklung von Applikationen im Health-Bereich stecken - und die Anwendungen haben eine deutlich geringere Tiefe und Breite. Produktplanungssysteme etwa haben eine ganz andere Funktionalität als ein KIS-System, weil die Entwicklungsressourcen über eine andere Lizenz refinanziert werden können als im Health-Bereich. Das ist das Problem, das gelöst werden muss.
Rösch: Wir wollten Wartungs- und Betriebskosten nach dem Verursacherprinzip auf unsere Geschäftseinheiten umlegen. Es war sehr mühsam, alle Einheiten davon zu überzeugen, dass die gewählte Kostenverteilung fair ist. Die gesamten Betriebskosten der zentralen EAI-Plattform werden unter Berücksichtigung der Anzahl und Komplexität der Schnittstellen auf die daran angebundenen großen SAP-Anwendungen aufgeteilt und über die SLAs dieser Applikationen verteilt. Aufgrund unserer strategischen Vorgabe werden immer mehr Anwendungen über EAI verbunden, sodass die Kosten pro Schnittstelle sinken werden - für die Realisierung sowie im Betrieb.