Sie sind klein, bunt, unkompliziert zu handhaben - und bergen aus Sicht von Kritikern Probleme: Elektronische Einweg-Zigaretten sind in Deutschland stark im Kommen. Der Anteil der Wegwerfprodukte am Umsatz mit allen E-Zigaretten - also auch Liquids für das Nachfüllen und Elektrogeräte zum Wiederaufladen - liegt in diesem Jahr bei schätzungsweise 40 Prozent, wie das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) am Donnerstag auf der Tabakmesse Intertabac in Dortmund mitteilte. Da die Produkte in nennenswerten Mengen erst Anfang 2022 auf den deutschen Markt kamen, ist das ein steiler Aufstieg. Der bereitet Umweltschützern und der Müllbranche Sorgen.
Bei elektronischen Zigaretten wird kein Tabak verbrannt, sondern eine aromatisierte Flüssigkeit verdampft. Üblich sind Elektrogeräte, bei denen "Liquids" nachgefüllt werden - die Geräte sind also wiederbenutzbar. Nun aber werden die alternativen Einwegartikel, die nach circa 600 Zügen zum Elektroschrott werden, zum Verkaufsschlager.
Die Entwicklung ist erstaunlich, schließlich warnte die Branche noch vor nicht allzu langer Zeit vor herben Einbußen, wenn sich die Steuerlast Mitte 2022 deutlich erhöht und Preise anziehen. Nun heißt es aus der E-Zigaretten-Branche: Bei wiederverwendbaren Geräten und den Liquids werden zwar Rückgänge verzeichnet, aber die werden dank der neuen Einweg-Ware mehr als kompensiert. Die Wegwerfartikel aus China haben die deutschen Firmen gewissermaßen vor Finanzlöchern bewahrt. Dieses Jahr schätzt BfTG den Gesamtumsatz mit E-Zigaretten in Deutschland auf 575 Millionen Euro, 160 Millionen mehr als 2021.
Vom Erfolg überrascht
Die Firmen selbst sind überrascht. "Wir dachten, dass solche Produkte in Deutschland ein Flop wären - in einem Land mit intensiven Umweltdiskussionen und hohen Wahlergebnissen der Grünen", sagt Mohammad Amiri, Geschäftsführer des Großhändlers Intrade Concepts aus Euskirchen (NRW). Hinzu komme, dass andere Produkte, die ebenfalls Wegwerf-Komponenten hatten, gescheitert seien. Er meint E-Kippen, an die man vorgefüllte Kartuschen steckt und diese später wegschmeißt. Das Elektrogerät wird dabei wiederverwendet. "Offenbar war das den Konsumenten auch noch zu kompliziert: Sie mussten ans Wiederaufladen des Akkus denken und an neue Pods in der Tasche."
In Staaten wie Großbritannien werden Einweg-E-Zigaretten schon seit längerem gut verkauft. Vor etwa einem Jahr tauchten solche Artikel abseits des Fachhandels auch in Deutschland auf, und zwar an Kiosken und in Shisha-Bars. Man habe dann gehandelt, sagt Amiri. "Wir wollten nicht, dass diese Entwicklung komplett am Fachhandel vorbei geht." Seine Firma vertreibt die chinesische Marke Elfbar in Deutschland. Ihm sei bewusst, dass die Produkte wenig mit Nachhaltigkeit zu tun hätten. "Aber es gibt eine Nachfrage, die gestillt werden will."
Spagat zwischen Umweltbewusstsein und Wegwerfgesellschaft
Auch Wladimir Eichmann von der Firma VoVan aus Bergisch Gladbach steuerte etwas um und nahm die Einweg-Marke VQUBE ins Sortiment auf. "Das war eine Geschäftschance, die ich wahrnehmen musste." Er spricht von einem "Spagat zwischen Umweltbewusstsein und Wegwerfgesellschaft" und betont, dass ihm eine sachgerechte Entsorgung wichtig sei. Seine Firma stellt Fachhändlern Recyclingboxen bereit. Wenn die voll sind, werden sie zurückgeschickt an VoVan - "auf unsere Kosten", sagt Eichmann.
Auch dem Vorsitzenden des Branchenbündnisses BfTG, Dustin Dahlmann, ist nicht ganz wohl bei dem Wegwerf-Boom. Er findet es aber positiv, dass viele vorherige Raucher die Einweg-E-Zigaretten attraktiv fänden und dadurch vom Tabakkonsum loskämen. "Ein Umstieg verbessert die Lebensqualität von Rauchern enorm", sagt er. "Wir meinen deshalb, dass Einweg-E-Zigaretten trotz des Umwelt-Aspekts ein sinnvolles Produkt für den Umstieg sind, und es bewahrheitet sich, dass Konsumenten nach einiger Zeit auf wiederaufladbare Modelle wechseln."
Reine Rohstoff-Verschwendung
Kritik kommt von der Entsorgungswirtschaft. Das sei "eine reine Rohstoff-Verschwendung", die die Politik verbieten sollte, sagt der Chef des Abfallwirtschaftsverbandes BDE, Peter Kurth, in Berlin. Nach seiner Einschätzung schmeißen die meisten Nutzer die Einweg-E-Zigaretten nach Gebrauch in den Restmüll oder in die Gelbe Tonne. Das sei gefährlich, weil später Kurzschlüsse drohten und es zu Bränden in Entsorgungsanlagen kommen könnte. Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist für ein Verbot der Produkte.
Solche Kritik dürfte die Hersteller und Händler wohl kaum zum Umdenken bewegen. Wahrscheinlicher ist, dass der Verkauf noch weiter anzieht. Auch in Reihen großer Tabakkonzerne wurde das Geschäftspotenzial erkannt. British American Tobacco (BAT) vollzog dabei eine bemerkenswerte Kehrtwende. Noch 2019 schrieb dessen E-Zigaretten-Marke Vuse auf ihrer Webseite, sie lege bei ihren wiederbenutzbaren Produkten "großen Wert auf eine hohe Haltbarkeit und schadstoffarme Herstellungsmethoden". "Deshalb findest du in unserem Sortiment auch keine Einweg-E-Zigaretten." Nun preist sie Einweg-E-Zigaretten an, die ab Oktober in Deutschland zu kaufen sind.
Warum der Sinneswandel? Hierzu heißt es von BAT, die Markteinführung sei "ein weiterer Meilenstein auf unserem Weg hin zu einem Konsumgüterunternehmen, das sich über die Erfüllung von Verbraucherbedürfnissen statt über den bloßen Verkauf von Produkten definiert". Mit Blick auf den absehbaren Elektroschrott teilt BAT mit, man werde Rücknahme-Sammelstellen einrichten.
Aber bringen die Konsumenten die Wegwerfartikel wirklich zurück in den Laden, wenn sie leer sind? Torsten Löffler vom Handelsverband Tabak (BTWE) sagt, das seien momentan keine nennenswerten Mengen. Einzelne Hersteller böten zwar Rücknahmesysteme an, aber ein einheitliches System - etwa eine lila Box für alle solche Produkte - gebe es leider nicht. Der Kunde akzeptiere die derzeitigen Rücknahmesysteme nicht. Nur manche Stammkunden brächten ihre Altgeräte mit - "ansonsten wird es irgendwo anders entsorgt". (dpa/ad)