Schummeln im Homeoffice

Das ungute Gefühl der Arbeitgeber

29.06.2020 von Hans Königes
Viele Mitarbeiter arbeiten weiterhin aus dem Homeoffice, womit die arbeitgeberseitige Kontrollmöglichkeit über die Arbeitszeit sinkt. Ob die so gewonnene Freiheit etwa für andere Aktivitäten genutzt wird, interessiert immer mehr Arbeitgeber - allerdings sind die rechtlichen Hürden, das zu überprüfen, hoch.

Es mehren sich Berichte über Fälle von Beschäftigten, die trotz angeordneter Arbeit im Homeoffice kaum noch erreichbar sind beziehungsweise sogar während ihrer Arbeitszeit Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern nachgehen, um sich so ihren Verdienst "aufzubessern".

Muss man erreichbar sein, wenn sich der Chef im Homeoffice meldet? Je länger die Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten, desto mehr arbeitsrechtliche Fragen entstehen.
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Wer im Homeoffice seine Arbeitszeit eigenmächtig reduziert, weil es keiner bemerkt, begeht eine erhebliche Pflichtverletzung. Diese stellt regelmäßig einen sogenannten wichtigen Grund gemäß Paragraf 626 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar und kann selbst im erstmaligen Fall eine außerordentlich fristlose Kündigung nach sich ziehen.

Arbeitsrechtler sprechen dann von einem Arbeitszeitbetrug zu Lasten des Arbeitgebers. "Sicherlich muss es sich dabei um mehr als ein paar Minuten handeln, die einmal versehentlich zu wenig gearbeitet werden", so Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg. "Wer hier aber bewusst handelt, riskiert damit seinen Arbeitsplatz", warnt Fuhlrott und verweist auf entsprechende Urteile des Bundesarbeitsgerichts (zum Beispiel BAG, Urteil vom 9. 6. 2011- 2 AZR 381/10).

Homeoffice-Betrug - Arbeitgeber sind beweispflichtig

Der Arbeitgeber muss allerdings in einem späteren Kündigungsschutzprozess den Arbeitszeitbetrug darlegen und ihn im Zweifelsfall beweisen. "Hierfür wird es nicht genügen, dass der Arbeitnehmer schlecht erreichbar war oder etwa am Vormittag beim Bäcker gesehen wurde", so Fuhlrott. "Der Arbeitnehmer wird im Homeoffice seine Pausen regelmäßig selbst einteilen können. Vorgaben des Arbeitgebers wie feste Zeiten für eine Erreichbarkeit oder tägliche Abstimmungsmeetings per Telefon oder Video dürfen aber angeordnet werden", so der Arbeitsrechtler. "Wird der Arbeitnehmer aber während seiner Arbeitszeit bei einem zweistündigen Einkaufsbummel beobachtet oder geht er sogar einem Zweitjob bei einem Dritten nach, ist die Grenze definitiv überschritten", so Fuhlrott weiter.

Effizient Arbeiten im Home Office
Wie wird Arbeiten im Home Office effizient?
Unify gibt einige praktische Tipps, mit denen Mitarbeiter auch ihr Home Office möglichst produktiv gestalten können.
Grenzen setzen - auch zu Hause
Im eigenen Heim lauern zahlreiche Ablenkungen: Nicht abgespültes Geschirr, der Kühlschrank, Radio oder Fernseher üben ungeahnte Anziehungskräfte aus und stören die produktive Arbeit.
Ein festgelegter Arbeitsbereich, ...
... der vom übrigen Wohnraum abgetrennt ist, verhilft auch zu klaren Grenzen im Kopf. Die Gefahr der Ablenkung wird geringer.
Einen Fensterplatz buchen
Stress bremst die Produktivität. Ein Blick aus dem Fenster bietet Abwechslung, noch mehr wenn er direkt ins Grüne geht. Außerdem ist es für Bildschirmarbeiter sinnvoll, regelmäßig in die Ferne zu sehen, zumindest einige Meter hinter den Monitor.
Ein Fensterplatz ...
... verringert die Belastung der Augen und damit auch den Arbeitsstress. Tipp für alle, die keinen Platz am Fenster haben: Auch Zimmerpflanzen oder ein Zimmerbrunnen sorgen für entspannte Atmosphäre.
Mit Farben spielen
Farbe ist ein wichtiger Faktor für jeden Büroraum, egal ob in der Firma oder zu Hause. Farben beeinflussen die Stimmung wesentlich.
Neutrale Farben wirken beruhigend, ...
... während manche Orange- und Gelbtöne sogar das Hungergefühl fördern. Besonders zu empfehlen für eine produktive Arbeitsumgebung sind Zitronentöne, Pastellblau oder Cremefarben.
Auf einen ergonomischen Arbeitsplatz achten
Mitarbeiter können nur produktiv sein, wenn sie gesund sind und einen komfortablen Arbeitsplatz haben.
Das Büro zuhause ...
... soll auch nach ergonomischen Vorgaben eingerichtet werden, um gesund und leistungsfähig zu bleiben. Hier sind ebenfalls die Arbeitgeber gefragt: Sie sollten unbedingt dafür sorgen, dass alle ihre Mitarbeiter die nötigen Informationen zur Ergonomie am Arbeitsplatz bekommen.
Für Flexibilität sorgen
Auch wenn das Home Office seinen festen Platz in der Wohnung haben sollte: Stuhl und Schreibtisch festzuschrauben, hilft auch nicht weiter.
Dagegen fördert es die Kreativität ...
... gelegentlich die Position und damit den Blickwinkel auf die aktuelle Arbeit zu wechseln. Es ist ebenfalls hilfreich, Dinge neu sortieren zu können oder die Arbeit anders anzuordnen - dafür sollte auch im Home Office Platz sein.

Der Einsatz eines Detektivs zur Gewinnung von Beweismitteln einer Pflichtverletzung ist im deutschen Arbeitsrecht nur ausnahmsweise möglich. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erlaubt einen solchen Einsatz gemäß Paragraf 26 Absatz 1 nur dann, wenn konkrete Verdachtsmomente eines Arbeitszeitbetrugs im Raume stehen. "Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft im Homeoffice kaum erreichbar ist, dafür keine Erklärung abgeben kann und insbesondere noch weitere Umstände wie etwa eine stark verminderte Produktivität hinzutreten", so Fuhlrott. In einem solchen Fall kann ein Detektiveinsatz, also eine heimliche Überwachung des Arbeitnehmers, ausnahmsweise zulässig sein.

Unzulässige Überwachung im Homeoffice und die Folgen

Fuhlrott rät jedoch zur Vorsicht: "Insbesondere eine anlasslose Überwachung von Arbeitnehmern aufs Geratewohl, also ins Blaue hinein, ohne einen solchen auf Tatsachen gestützten Verdacht, stellt eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung des Betroffenen dar".

Selbst wenn sich in einem solchen Fall eine Pflichtverletzung durch die anlasslos durchgeführte Überwachung dokumentieren lässt, wird diese als Beweismittel in einem Arbeitsgerichtsverfahren regelmäßig nicht verwertet werden dürfen, wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (zum Beispiel im Urteil vom 29.6.2017 - 2 AZR 597/16) urteilt. Daneben drohen dem Arbeitgeber auch empfindliche Bußgelder der jeweiligen datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde.