In der IT gab es häufig Trends, denen Unternehmen folgen konnten - oder sich bewusst entschieden, das nicht zu tun. Die Verantwortlichen in den Unternehmen hatten also eine Wahl: Man wägte Vor- und Nachteile ab, machte Pläne, Aufstellungen und Powerpoints und kam schließlich zu einem Ergebnis - zu dem allerdings meist auch mehrere Alternativen existierten. Nicht so bei der Digitalisierung. Wer im aktuellen, anspruchsvollen Wettbewerbsumfeld überleben will, hat zur Digitalisierung keine Alternative. Sie stellt mehr dar als nur Automatisierung oder die bloße Einführung von "neuer" IT.
Im Zentrum der Digitalisierung steht die Verbindung der realen (physische Objekte) mit der virtuellen (Geschäftsprozesse) Welt. Der Kunde bildet dabei in einem Maße den Dreh und Angelpunkt, neben dem das bisherige Dogma "Der Kunde ist König!" wie eine unscheinbare Banalität wirkt: Heute geht es darum, dem Kunden exakt die Informationen und Services bereit zu stellen, die er zu jeder Zeit, an jedem Ort, noch dazu maßgeschneidert auf die eigenen Konsumgewohnheiten, benötigt - die "digitale Konfektionsgröße" im übertragenen Sinne. Kunden bekommen mehr Einfluss auf die Unternehmen, als das bisher vorstellbar war.
Dazu muss man den Nutzer der eigenen Produkte oder Dienstleistungen jedoch bestmöglich kennen - seine Eigenschaften, Vorlieben, Interessen, Besonderheiten. Nur so lassen sich Streuverluste bei der Ansprache vermeiden. Für Unternehmen mutiert der Kunde somit vom weitestgehend unbekannten Objekt, das am Ende der Wertschöpfungskette steht, zu einem individuellen Partner, der als das höchste Gut im Unternehmen zu behandeln ist und langfristig gebunden werden will. Customer Engagement Management ist das Zauberwort, das sich Unternehmen der Zukunft auf die Fahnen schreiben werden (müssen).
Doch wie gelingt die Umsetzung? Kein leichtes Unterfangen kommt da auf die Unternehmen zu, und nur mit Hilfe von IT kann die digitale Transformation gelingen. Die IT ist das Business und macht den Unterschied im Kampf gegen die Konkurrenz. Mit Hilfe von IT können Unternehmen alle relevanten Daten sammeln, sie analysieren und so dem Kunden passgenaue Informationen sowie Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Und das Ganze in Echtzeit.
Datenmonopol wird aufgebrochen
IT entwickelt sich damit zum Kerngeschäft und so zum zentralen Wettbewerbsfaktor eines Unternehmens - unabhängig davon, in welcher Branche die Firma eigentlich tätig ist. So sind zum Beispiel Finanzdienstleistungen nicht mehr länger nur Banken oder Versicherungen vorbehalten. Unternehmen wie etwa Google, Alibaba oder Amazon verfügen mittlerweile über mehr und bessere Daten von ihren Nutzern als je zuvor. Auf dieser Basis könnten sie nun selbst Banking-Dienstleistungen anbieten oder Versicherungen verkaufen.
Daten bilden mittlerweile den wichtigsten Rohstoff für Unternehmen. Auch die Maschinenbauer und Automobilhersteller werden immer mehr "IT" in ihre Produkte einbauen, um damit Daten zu sammeln, auf deren Basis wiederum innovative Services entwickelt werden können. Wer den Rohstoff Daten in ausreichender Menge besitzt und effektiv einsetzt, wird Erfolg haben. Mit der Digitalisierung wird das Datenmonopol der existierenden Unternehmen aufgebrochen.
Um für die neuen Herausforderungen gewappnet zu sein, brauchen Unternehmen eine flexible Applikationsinfrastruktur, mit der sich Anwendungen zu jeder Zeit schnell und einfach entwickeln und an die aktuellen Gegebenheiten anpassen lassen. Die Wirklichkeit sieht aber noch anders aus. Ursprünglich versuchten die Firmen mit Individualsoftware die Anforderungen ihrer Fachbereiche zu erfüllen. Aber deren Entwicklung ist teuer, dauert lange und führt häufig nicht zum gewünschten Ergebnis. Alles muss alleine erarbeitet werden.
Standardsoftware sollte dieses Dilemma auflösen, jedoch sind standardisierte Lösungen häufig das Gegenteil von Agilität und kurzen Innovationszyklen. Sie standardisieren die Unternehmensprozesse, bieten aber kaum Möglichkeiten, sich von der Konkurrenz abzuheben und damit zu differenzieren. Standardapplikationen sind nicht dafür gebaut, um sich ständig an die sich schnell ändernden Anforderungen des Geschäfts anzupassen. Das war nie das Ziel ihrer Entwicklung. Es ging eher um Konsolidierung und Automation. Diese Systeme (ERP, SCM, CRM, HR, etc.) werden zwar nicht verschwinden. Keinesfalls - sie werden noch lange eingesetzt. Aber sie sind definitiv nicht mehr die Basis für die zukünftigen Innovationen.
Die Digital Business Platform - Weg in die Zukunft
In einer digitalisierten Welt brauchen Unternehmen vielmehr eine Digital Business Platform, auf der sich flexible, wandlungsfähige Anwendungen schnell und einfach erstellen lassen. Sie bildet die Basis für die Fähigkeit zur ständigen Veränderung. Built to change - nicht built to last - lautet das Mantra der Zukunft.
Eine solche hochskalierbare Plattform vereint alle Technologien, um Daten zu integrieren, zu analysieren und zu visualisieren. Sie arbeitet mit Big-Data-Technik und kann Informationen aus vielen Datenströmen in Echtzeit verarbeiten. Dazu zählen die Daten aus mobilen Anwendungen, aber auch die Inhalte von Social-Media-Seiten, zum Beispiel Tweets, Blog-Posts oder die Einträge auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder LinkedIn. In ihnen kann Wissen stecken, das sehr wertvoll für Unternehmen ist - etwa als Sentiment-Analyse für das Marketing.
Cloud-Technologie bildet eine wichtige Basis für derartige Plattformen, denn die Cloud ist die Voraussetzung für eine moderne Anwendungsarchitektur. Die Struktur zeichnet sich durch Skalierbarkeit, Multi-tenancy, Self-Services und webbasierte Clients aus. Selbst wenn die Plattform dann on-premise - also im Anwenderunternehmen - betrieben wird, lassen sich die Kostenvorteile der Cloud-Architektur nutzen.
Die Grundlage einer solchen Lösung ist das Datenmanagement mithilfe von In-Memory-Technologie und der Analyse von Ereignisströmen, dem sogenannten "Complex Event Processing" (CEP). Erst das Verarbeiten der Daten und Ereignisströme im Hauptspeicher macht extreme Geschwindigkeitsschübe bei der Auswertung der Informationen möglich. Das hohe Tempo ist nötig, damit Unternehmen ihre Daten in Echtzeit analysieren können.
Die Echtzeit-Verarbeitung verschafft Unternehmen die nötige Transparenz. Statt wie im klassischen Business-Intelligence-Verfahren nur den Blick in die Vergangenheit zu werfen, liefert die Echtzeitanalyse nun Klarheit über die Gegenwart und prognostiziert zukünftiges Verhalten.
Eine IT-Plattform für das digitalisierte Unternehmen muss daher dazu befähigen, intelligente Geschäftsoperationen auszuführen. Diese Technologie ist in letzter Zeit unter dem Stichwort IBO - Intelligent Business Operations bekannt geworden. Die Analysten von Gartner definieren IBO als eine Vorgehensweise, die Echtzeit-Analysen mit Entscheidungsunterstützung verknüpft.
Das heißt konkret: Innerhalb einer Lösung müssen Analytics-Module mit Technologien zusammengebracht werden, mit denen die passenden Aktionen ausgelöst werden können. Letzteres kann zum Beispiel ein Geschäftsprozess sein, der angestoßen wird.
Erst die intelligente Verknüpfung von Datenanalyse und Prozessmanagement führt zu einer Optimierung des Geschäfts und somit zu zählbaren Ergebnissen. Daher gehören auch Themen wie Business- und IT-Transformation sowie das Managen von Prozess- und Programmlogik zu den Bestandteilen einer Digitalen Business Plattform.
Ein Framework für das digitale Unternehmen
Ein wesentlicher Aspekt einer Digital Business Platform ist ihre Integrationsfähigkeit. Sie muss sich an die verschiedensten IT-Systeme andocken lassen. Im Zeitalter der Digitalisierung ist dies unerlässlich, denn das digitalisierte Unternehmen schöpft sein Wissen aus vielen verschiedenen Quellen. Je mehr unterschiedliche Daten miteinander verknüpft werden, desto genauer ist das Gesamtbild, das sich daraus ergibt.
Dazu zählen Informationen aus ERP- und CRM-Systemen, Smartphones und Tablets, aber auch Daten von Maschinen und Geräten. So schlägt die IT die Brücke zum Internet der Dinge. Dort kommunizieren nicht mehr nur Menschen mit Computern, sondern auch Computer miteinander und mit allen anderen Dinge, die einen Chip enthalten und vernetzt sind - von der Verkehrsampel über den Kühlschrank bis hin zur Zahnbürste.
Über Internettechnologie werden Informationen zwischen Menschen, Maschinen oder Geräten ausgetauscht. Die Daten, die die involvierten Systeme liefern, können wertvolle Informationen enthalten, um das wichtige Customer Expectation Management umzusetzen.
Die wichtigste Voraussetzung: Offenheit
Für all diese Innovationen benötigt man eine IT-Plattform, welche die betriebswirtschaftliche Welt mit der der Maschinen verbindet. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist Offenheit, denn während es im klassischen Internet bereits Standards wie SOAP oder WSDL gibt, die eine einheitliche Kommunikation ermöglichen, fehlen diese noch im Internet der Dinge. Bisher werden Sensordaten in unterschiedlichen Formaten verschickt, und jeder Maschinenhersteller spricht quasi seine eigene Sprache.
Eine IT-Plattform, die neben anderen Informationen auch die Daten aus dem industriellen Umfeld verarbeiten soll, muss sich daher vollkommen agnostisch verhalten. Langfristig dürften die notwendigen Standards aber auch für das Internet der Dinge umgesetzt werden. Sie werden ein wichtiger Enabler sein, um Industrie 4.0 und die Digitalisierung der Unternehmen voranzubringen.
Entscheidend wird neben der Standardisierung das Thema Sicherheit sein. Mit der Digitalisierung der Unternehmen und der stärkeren Vernetzung von Maschinen wächst auch die Gefahr von Cyber-Attacken. Das Risiko von Sabotage oder Datendiebstahl steigt. Daher sind Technologien für Datensicherheit und -schutz wichtige Elemente einer umfassenden IT-Lösung.
Doch Security-Maßnahmen dürfen nicht der Hemmschuh für Innovationen sein. Gerade Unternehmen in Deutschland sind gut beraten, das Thema Sicherheit mit etwas mehr Pragmatismus anzugehen. Wichtig ist die Balance zwischen Innovationsgeschwindigkeit und dem Entdecken neuer Möglichkeiten auf der einen Seite und der Aufrechterhaltung des hohen Gutes Datenschutz auf der anderen Seite.
Disruptive Technologien tragen immer beides mit sich: neue Chancen und neue Risiken. Dieser Tatsache ist Rechnung zu tragen. Die guten Aspekte müssen gefördert, die weniger guten gemanagt werden. Bei einer Konzentration auf die weniger guten Seiten besteht die Gefahr, dass andere die Innovationen entwickeln, die man selbst hätte in die Welt hätte setzen können.