Professor Andreas Engel ist CIO der Stadt Köln und spricht auf der diesjährigen MEMO, der Fachtagung zu Methoden und Werkzeugen zur Verwaltungsmodernisierung am 25. und 26 Juni an der Universität Münster. Unsere Schwesterpublikation CIO.de sprach mit dem Leitenden Stadtverwaltungsdirektor der Domstadt über Verwaltungskooperation und Vernetzung.
CIO.de: Wie weit ist die Verwaltungskooperation und Vernetzung gediehen?
Andreas Engel: Ich möchte zunächst als Geschäftsführer des KDN, des Dachverbands Kommunaler IT-Dienstleister in Nordrhein-Westfalen, antworten. Wir haben uns damit in der Rechtsform eines Zweckverbands einen Rahmen geschaffen, um interkommunale Kooperationen im IT-Bereich besser organisieren zu können. Ihm gehören derzeit 21 kommunale IT-Dienstleister als Mitglieder an, die zusammen über zehn Millionen Einwohner betreuen. Das ist schon ein recht großer Verband.
Auch darüber hinaus ist einiges in Bewegung: Regio IT Aachen und Infokom Gütersloh haben gerade zu einer GmbH fusioniert. Die ITK Rheinland und die Stadt Düsseldorf sind in einem Zweckverband verbunden. Zwischen der Stadt Dortmund und dem Kreis Recklinghausen ist eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet worden. In NRW ist die Landschaft der IT-Dienstleister in Bewegung.
IT-Dienstleister werden enger zusammenarbeiten
CIO.de: Es gibt an die 100 Dienstleister in NRW, ist das nicht eine ganze Menge? Ist diese Kleinteiligkeit nicht zu kritisieren?
Engel: Die kommunale Selbstverwaltung war und ist in NRW immer sehr ausgeprägt. Es ist aber auch nicht verwunderlich, dass es in den großen Städten und Kreisen aus der Vergangenheit heraus auch selbständige IT-Dienstleister gibt, wie in den großen Ruhrgebietsstädten. Es gab aber auch immer schon eine nennenswerte Anzahl von Zweckverbänden, die mehrere Kreise und deren Gemeinden versorgt haben.
Aber es stimmt: Wir müssen uns selbst besser organisieren. Kommunale IT-Dienstleister – gerade in NRW – sind im Vergleich zu anderen öffentlichen IT-Dienstleistern im Süden und Norden der Republik, aber auch zu IT-Betrieben der Privatwirtschaft von „unterkritischer" Größe. Daher zwingt schon die betriebswirtschaftliche Vernunft zu engerer Zusammenarbeit.
CIO.de: Wird es da weitere Zusammenschlüsse geben?
Engel: Der Konzentrationsprozess hat begonnen. Wir werden am Ende eine deutlich geringere Zahl von IT-Dienstleistern haben, die aber auch miteinander vernetzt sind. Vernetzung ist aber mindestens bundesweit zu denken: Die neuen Dienste sind ja Dienste, die nicht nur auf eine Region oder ein Bundesland beschränkt sind.
Demographischer Wandel macht das Fachpersonal knapp
CIO.de: Was sind die anderen Gründe, die für die Vernetzung sprechen? Sind es nicht auch Einsparzwänge?
Engel: Natürlich ist es auch der Kostendruck, aber es ist auch der demographische Wandel. Das Fachpersonal wird knapper, unser Tarifsystem kann den IT-Fachkräften keine marktgerechten Löhne und Gehälter offerieren. Auch deswegen drängt es uns zu Fusionen und einer engeren Zusammenarbeit bis hin zu Fusionen. Hinzu kommt die Komplexität der Anwendungen in der öffentlichen Verwaltung. Ein kommunaler Full-Service-Dienstleister muss das gesamte Kompetenzspektrum der IT abdecken. Auch das zwingt uns zu einer Bündelung der Kräfte und zur Spezialisierung, etwa im Geo-Informationsbereich.
CIO.de: Werden die Bürger dadurch auch einen unmittelbaren Gewinn sehen, oder spielt sich das alles im Backoffice ab?
Engel: Die Konzentration an sich wird nicht direkt durch das Thema Bürgerorientierung getrieben. Mit der Ertüchtigung der IT als Backoffice setzen wir aber Ressourcen frei, die für bürgerorientierte Anwendungen genutzt werden können. Da kommt noch einiges auf uns zu. Für neue Themen wie Open Data, Open Government und Open Budget, werden wir Ressourcen frei schaufeln und neue Kompetenzen aufbauen müssen – oder die Aufgaben gemeinsam angehen, um sie zu bewältigen.
CIO.de: Was sind die Leuchtturmprojekte, die Beispiele für gelungene Zusammenarbeit?
Engel: Beim KDN ist es die Organisation eines gemeinsamen Betriebes für die Nutzung des allgemeinen Liegenschaftskatasters. Derzeit bauen wir eine gemeinsame Betriebsplattform auf und konzentrieren den Betrieb dafür in einem Shared Services Center. Das Zweite ist der gemeinsame Betrieb für die Nutzung des elektronischen Personenstandsregisters und den Austausch der Standesamtsdaten. Die dritte Anwendung ist in Planung: Es geht um den Aufbau eines Cloud Services für die elektronische, revisionssichere und dauerhafte Langzeitarchivierung. Mit der immensen Ausdehnung der elektronischen Datenbestände wird der Bedarf dafür schon sehr bald da sein.
CIO.de: Was sind die Haupthindernisse für Vernetzung, und wie kann man diese überwinden?
Engel: Ein Hindernis ist das Vergaberecht. Jede Zusammenarbeit, jeder Leistungsaustausch zwischen kommunalen IT-Dienstleistern ist dem Vergaberecht unterworfen. Jede Kooperation ist ein Vergabevorgang. Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Hürde zu überwinden: man kann eine gemeinsame Organisation schaffen, um so die Inhouse-Fähigkeit zu schaffen. Darum haben wir den KDN-Zweckverband gegründet. Im Zweckverband ist eine gemeinsame Beschaffung, ein gemeinsamer Betrieb oder der Aufbau einer gemeinsamen privaten Cloud auch ohne jeweils neue Vergabeentscheidung möglich.
Außerdem beschränkt die Gemeindeordnung die wirtschaftliche Betätigung kommunaler IT-Dienstleister. Im Grunde dürfen sie nur als Selbstversorger für ihre Träger und nicht am Markt auftreten. Dazu kommen steuerrechtliche Aspekte bei der Zusammenarbeit, die geklärt werden müssen.
Online-Formulare elektronisch übermitteln
CIO.de: Kann man diese Gesetze nicht ändern?
Engel: Das ist nicht so einfach, es geht um sehr dauerhaft angelegte Verwaltungsstrukturen, die hier wirken. Im IT-Bereich, der deutlich schnelllebiger ist, erweisen sie sich als besonders hinderlich.
CIO.de: Es bewegt sich ansonsten ja eine Menge, sind das E-Government-Gesetz, De-Mail und der neue Personalausweis Wind von hinten für Sie?
Engel: Mich macht diese Entwicklung froh. Durch das E-Government-Gesetz erwarte ich eine deutliche Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem, was die Lockerung der Schriftformerfordernis angeht. Denn heute kann die Schriftform im elektronischen Verfahren nur durch die qualifizierte elektronische Signatur gewährleistet werden. Ich wünsche mir, dass diese auch durch die elektronische Identifikation des neuen Personalausweises und die zertifizierte De-Mail gewährleistet werden kann. Das würde die Verwaltungsarbeit deutlich erleichten, viele heute schon online gestellte Formulare können dann elektronisch übermittelt und weiter verarbeitet werden. Der elektronischen Kommunikation würde dies einen deutlichen Push geben.
CIO.de: Sie sprechen auf der MEMO dieses Jahr, was ist der Inhalt des Vortrags?
Engel: Ich werde dieses Jahr zum Thema Verwaltungsmodernisierung durch elektronische Vernetzung sprechen und in diesem Zusammenhag auch über die Chancen des E-Government-Gesetzes. Mit den aktuellen Leuchtturmprojekten im KDN werde ich erfolgreiche Beispiele der elektronischen Vernetzung vorstellen.
Zum siebten Mal veranstaltet die Universität Münster am 25. und 26. Juni 2012 in Zusammenarbeit mit dem European Research Center for Information Systems, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund die Fachtagung MEMO. Auch in diesem Jahr ist der Dachverband Kommunaler IT-Dienstleister (KDN) Partner der Tagung. Die Rolle der IT-Dienstleister bei der für Kommunen so wichtigen verwaltungsübergreifenden Vernetzung ist auch Thema des Vortrags von Prof. Andreas Engel. Programminformationen und Online-Anmeldung unter: www.memo-tagung.de.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.