Autofahren im Umbruch

Das vernetzte Auto als Innovationsmotor

06.11.2014 von Dominik Hierl
Einmal ins Rollen geraten, ermöglicht der Trend Connected Car in naher Zukunft zahlreiche neue Funktionen und Services rund um die Fahrzeugvernetzung. Ein Ausblick.
Connected-Car-Szenario: Beim teilautonomen Fahren kommunizieren die Fahrzeuge miteinander.
Foto: BMW

In der Automobilindustrie beruhen fast neunzig Prozent aller Innovationen auf der Elektronik. Die ersten Bordcomputer sagten dem Mechaniker genau, was er sich anschauen sollte, wenn ein Auto zur Inspektion gebracht wurde. Heute verwandeln Machine-to-Machine- (M2M) und Wireless-Technologien das Auto dank Navigations-, Unterhaltungs- und Servicefunktionen immer mehr in ein Smartphone auf vier Rädern. Und der nächste Evolutionsschritt könnte das teilautonome Fahren sein: hier kommunizieren die Fahrzeuge miteinander, um zum Beispiel Kollisionen und Staus rechtzeitig zu vermeiden.

Dabei liegen die bescheidenen Anfänge des vernetzten Autos gar nicht so lange zurück. Obwohl die ersten Experimente zur Vernetzung von Kraftfahrzeugen bereits im Jahr 1946 unternommen wurden, war Telefonieren im Auto bis zur Einführung des OnStar-Systems von General Motors im Jahr 1995 ein nicht sehr weit verbreiteter Luxus. Bis zu diesem Zeitpunkt kannten wir Dinge wie Freisprechfunktion, automatischer Notruf, Ferndiagnose und Fernbedienung, Auffinden gestohlener Fahrzeuge und ähnliche standortgebundene Dienste nur aus Science Fiction- und Spionageromanen.

Mit OnStar war GM in der Lage, die Daten der Fahrzeug-Computer zu nutzen, um eine Reihe von neuen und nie da gewesenen Diensten anzubieten, wie zum Beispiel einen Diebstahlsschutz. Darüber hinaus erhielt GM plötzlich Zugriff auf eine riesige Menge Daten für die Marktforschung, die auf dem tatsächlichen Verhalten von realen Kunden beruhten - was wiederum eine Reihe weiterer Innovationen auf Basis von aktuellen Informationen nach sich zog.

Car IT
Das Auto im Zentrum der Vernetzung
Das Internet der Dinge macht vor dem Auto nicht halt und wird dadurch erst recht mobil. Fahrzeuge lernen, miteinander und mit der Umwelt zu kommunizieren. Speicher, Cloud und Business Intelligence oder Big Data kommen dabei eine zunehmende Bedeutung zu.
BMW Connected Drive
Alle Fahrzeughersteller haben sich irgendwie “Connected” für die Vernetzung auf die Fahne geschrieben. BMW hat den englischen Begriff praktisch gepachtet....
BMW Connected Drive
Eine von vielen Möglichkeiten ist, die nächstgünstige Tankstelle zu finden.
Audi zFas
Vor einem Jahr füllte Audis selbst lenkende Steuerzentrale noch einen halben Kofferraum...
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...im aktuellen Modell findet die elektronische Intelligenz bereits hinter den Verkleidungen Platz.
Auf Bertha Benz Spuren
Das Mercedes-Forschungsmobil „S 500 Intelligent Drive“ ist die rund 108 km von Mannheim nach Pforzheim im Überland- und Stadtverkehr Mitte 2013 völlig autonom nachgefahren.
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Alle Kfz-Hersteller unternehmen derzeit Anstrengungen, dem Auto das selbstständige oder autonome Fahren beizubringen, so auch Ford. Nur wo bleibt da noch der Spaß für den Halter?
Konzeptfahrzeug Akka Link & Go 2.0
Die Groupe Akka Technologies und MBtech haben zusammen dieses „Link & Go“-Konzeptfahrzeug entwickelt, das elektrisch fährt, selbst lenken und über Social Media auch zum Mitfahren oder neudeutsch „Teilen“ des Automobils einladen kann.
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VWs Vision von C2X
Die VW-Publikation ViaVision hat hier die Möglichkeiten von C2X der Kommunikation zwischen Autos und der Verkehrsinfrastruktur dargestellt.
Mercedes Benz: Car-to-X-Communication
Mercedes-Benz brachte die Car-to-X Technologie bereits 2013 auf die Straße - in Kombination mit einem Smartphone und der Digital DriveStyle-App.
Schluss mit langweiligen Navi-Bildern
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Google Glass im Auto
Noch in Erprobung und vermutlich sogar illegal: Google Glass im Auto
Singapur und seine teuren ERP Gantries
Wer in Singapur in die Innenstadt fahren will, muss mitunter mehrere Electronic Road Pricing (ERP) Gantries passieren und wird damit automatisch ordentlich zur Kasse gebeten.
Apple CarPlay Vorbild macht Schule
Nach dem Vorbild von Apple CarPlay...
Microsoft Windows in Car Preview
...will Microsoft mit Windows Phone im Metro-Look auf der Fahrzeugkonsole Spuren hinterlassen.
Smartphone-Display Spiegeln mit MirrorLink
MirrorLink, hier von VW schematisch dargestellt, erlaubt es, das Display des Smartphones oder Tablets auf die Fahrzeugkonsole zu bringen.
James Bond lässt grüßen
Mindestens zweimal hat 007 von Q schon einen BMW bekommen, den er fernsteuern konnte. Im Straßenverkehr ist das wohl zu gefährlich, aber Samsungs Smartwatch Galaxy Gear kann immerhin schon mal fürs richtige Klima im Fahrzeug sorgen.
Ford MyKey
Der MyKey von Ford bietet Eltern die Möglichkeit der Kontrolle über das Fahrverhalten ihrer Führerscheinneulinge. Denn der Spezialschlüssel erlaubt es, vorab die maximale Geschwindigkeit des Autos einzustellen.
Komfortzugang oder Keyless Go
Bei vielen Fahrzeugneuerungen kommen IT-nahe Technologien zum Einsatz. RFID ermöglicht zum Beispiel das wie magische Öffnen der Tür oder Heckklappe mit BMWs „Komfortzugang“ oder Mercedes-Benz‘ „Keyless Go“.
Audi A1/3 eKurzinfo
Der AR-Spezialist Metaio hat für Audi ein interaktives Benutzerhandbuch als App entwickelt.

Seitdem sind Automobilhersteller weltweit auf diesen Zug aufgesprungen. Für den heutigen Verbraucher ist es fast unmöglich, eine Automarke zu finden, die nicht irgendeine Art von Konnektivität anbietet - sei es, um Notrufe abzusetzen oder das Fahrzeug mit der Verkehrsinfrastruktur zu vernetzen. So hat beispielsweise Audi einen Ampel-Assistenten entwickelt, der Rot- und Grünphasen von Ampeln auf einer Strecke vorhersehen kann und daraus ein ideales Tempo errechnet - die perfekte grüne Welle könnte damit Realität werden.

Aber es gibt auch weitere Entwicklungen in der Fahrzeugvernetzung, die in den kommenden Jahren das Autofahren gravierend verändern können. Folgende Funktionen sind bereits möglich bzw. in Zukunft machbar:

Fahrstilabhängige Versicherung

Die Versicherungsgesellschaften zählten zu den ersten Unternehmen, die an den Echtzeit-Daten aus Kraftfahrzeugen interessiert waren. Zuvor mussten die Versicherer die Beitragszahlungen anhand komplexer Algorithmen berechnen und hierbei Fahrzeugtyp, Alter und Geschlecht des Fahrers berücksichtigen, um mehr oder weniger die Wahrscheinlichkeit zu erraten, mit der ein versichertes Fahrzeug einen Unfall haben wird.

Heute sind Versicherungsunternehmen auf der ganzen Welt in der Lage, Echtzeit-Fahrdaten abzurufen, um diese Wahrscheinlichkeit besser beurteilen zu können und die Versicherungsbeiträge individuell auf jeden Fahrer anzupassen.

Für alle diejenigen unter uns, die Geschwindigkeitsbegrenzungen einhalten und sich immer anschnallen, ist dies in der Tat eine gute Nachricht. Denn egal ob Sportwagen oder Familien-Limousine, jung oder alt - mit einem entsprechenden Fahrverhalten werden die Versicherungskosten sinken.

Wenn wir allerdings immer leicht die Tempogrenze überschreiten, oft und hart bremsen oder manchmal über Fahrbahnmarkierungen fahren, wird sich dieses Verhalten negativ auf unsere Versicherungsbeiträge auswirken.

Forrester Car IT
Capgemini über vernetzte Autos
Das vernetzte Auto - inwieweit theoretische Möglichkeiten und praktische Umsetzung auseinanderklaffen, haben die Analysten von Capgemini untersucht.
Besuch beim Händler
So schnell dürfte der stationäre Autohandel nicht aussterben. Schließlich wollen die Kunden das Auto "in echt" sehen und eine Probefahrt unternehmen. Das motiviert jedenfalls 72 Prozent beziehungsweise 61 Prozent der Befragten zu einem Besuch beim Händler, wie die Studie "Cars online 2014" zeigt.
Beliebte Services
Offenbar lassen sich Kunden in den aufsteigenden Märkten stärker von den neuen Services begeistern als Konsumenten in den reifen Märkten. Ob es um Sicherheit, Services oder Infotainment geht - überall ist das Interesse der Verbraucher in den aufsteigenden Ländern größer.
Daten teilen
Die Verbraucher wurden gefragt, wem sie Einblick in ihre Daten gewähren würden. Dabei liegen Hersteller und Händler vorn. Der Versicherung dagegen möchten noch nicht einmal vier von zehn Befragten Einblick geben.
Investitionen: Hersteller versus Händler
Ein anderer Aspekt ist die unterschiedliche Vorgehensweise von Herstellern und Händlern. Während 56 Prozent der Hersteller aktuell in ihre IT investieren wollen, sind es nur elf Prozent der Händler. Die Frage bezog sich auf den Einsatz von Smartphones und Tablets sowie Apps (Quelle: Studie "Neue Technologien im Autohaus).
Gründe für Investitionen in Apps
Motivation zum Investieren ist für Hersteller der Blick nach vorne. Sie nennen Zukunftsorientierung als wichtigsten Grund. Händler wollen vor allem die Kundenbindung stärken.
Auswirkungen der Smartphones
Hersteller schreiben Smartphones und Tablets stärkere Auswirkungen auf ihre Aktivitäten zu als Auto-Händler.

eToll/"Mobiler" Zahlungsverkehr

Es ist schon einige Jahre her, dass wir an der Mautstation Münzen einwerfen mussten: Heute hat die Integration von Fahrerdaten und drahtloser Kommunikation in Fahrzeugen zur Folge, dass an Mautstationen die "Schnellspur" immer öfter genutzt wird. Rein technisch ist es auch nicht länger notwendig, ein separates Gerät und Prepaid-Dienste für die Kommunikation mit der Mautstation zu verwenden. Autos können sich selbständig bei der Mautstation ausweisen, so dass die Gebühren auf der monatlichen Service-Abrechnung erscheinen. Diese Technologie ebnet auch den Weg dafür, dass das Auto in Zukunft selbst für sein Benzin - oder seinen Strom - bezahlt.

Fahrerassistenzsysteme

Die wohl interessanteste und potenziell lebensrettende Anwendung der M2M-Technologie für das Auto kommt heute in Fahrerassistenzsystemen bereits zum Einsatz - gut möglich, das dank dieser Technologie Fahrzeuge über kurz oder lang vollkommen automatisch fahren. Verknüpft mit Rückfahrkameras und Perimeter-Sensoren, die das Einparken erleichtern, machen Fahrerassistenzsysteme zum automatischen Einparken oder zur Abstandsregelung schon heute das Fahren leichter und sicherer.

Künftige Entwicklungen

Angesichts der rasanten Weiterentwicklung der Kommunikation im und rund um das Fahrzeug wird es nicht mehr lange dauern, bis alle Internetfunktionen direkt im Armaturenbrett verfügbar sind. Das bedeutet für uns als Fahrer vor allem kürzere Wege und mehr Service-Vorteile. Zum Beispiel, indem das Auto seine eigenen Inspektionstermine vereinbart und mit dem Smartphone-Kalender synchronisiert. Oder Schäden wie einen Ölverlust nicht nur meldet, sondern auch die nächsten freien Werkstatttermine selbstständig erfragt und vorschlägt. Theoretisch könnte das Auto sogar Hotelzimmer buchen, Blumen bestellen oder eine Tischreservierung für den Hochzeitstag vornehmen - bevor man es selbst vergisst.

Die wichtigsten, schon sehr bald normalen technischen Hilfen betreffen aber die Sicherheit. So hat Ford zum Beispiel bereits einen Sitz entwickelt, der den Puls des Fahrers misst. "OneStar" von GM ist ebenfalls noch mit Anwendungen wie einem Check der Fahrzeugflüssigkeiten im Einsatz und wird ständig weiterentwickelt. Gerade die Kombination von Standorterkennung, Kommunikation zwischen den Autos und von den Autos zur Infrastruktur ist aber keine ferne Zukunftsmusik mehr, sondern ein sehr wahrscheinliches Szenario.

Dank neuer Systemsensoren, die alles vom Reifendruck über Füllstände bis zur Drehzahl überwachen und ebenfalls mit fahrzeugübergreifenden Netzwerken verbunden sind, könnte sogar schon bald der Notruf über das Handy überflüssig werden. Den setzt das Fahrzeug im schlimmsten Fall selbst ab - oder lässt es im besten Fall wie im Beispiel der Puls-Kontrolle überhaupt nicht zu einem Unfall kommen.