IT-Arbeitsmarkt

Das Werben um Fachkräfte nimmt zu

21.02.2011 von Alexandra Mesmer
Unternehmen beklagen den Mangel an IT-Fachkräften und bemühen sich im Jahr eins nach der Krise wieder um Einsteiger. Ältere, Frauen und Migranten sollen auch ihre Chance bekommen.
Foto: M. Schuckart/Fotolia.de

Die drei Männer richten ihren Blick in die Ferne, ihre Ellenbogen ruhen gelassen auf dem Mauervorsprung, die Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, die Schultern straff. Frank-Jürgen Weise, Heinrich Alt und Raimund Becker bilden den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit und wollen in ihrer aktuellen Studie "Perspektive 2025: Fachkräfte für Deutschland" Zuversicht ausstrahlen.

Sie zeigen Strategien auf, wie sich das Fachkräfteangebot in einer alternden Gesellschaft steigern lässt. Unter anderem gelte es, mehr Menschen über 55 Jahren und Frauen im Arbeitsmarkt zu halten oder über Zuwanderung ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Soweit die Theorie. Doch wie sieht die Praxis aus, etwa in der IT-Branche, in der es laut Branchenverband Bitkom derzeit 28.000 offene Stellen gibt, und immer mehr Unternehmen über Fachkräftemangel klagen?

IT-Dienstleister stellen im großen Stil ein

Fachkräftemangel ist ein Wort, das Oliver Tuszik elektrisiert. Fragt man den Vorstandschef von Computacenter, ob man im Jahr eins nach der Krise schon von einem Mangel sprechen könne, bleibt angesichts der vielen Zahlen und Argumente kaum zum Luftholen. Der IT-Dienstleister sucht unter anderem Experten für Windows-7, Security, Netzwerke und Virtualisierung, über 300 offene Postionen, einige davon sind schon über ein Jahr unbesetzt. Zum Vergleich: Im Krisenjahr 2009 suchte Computacenter 50 neue Mitarbeiter, "den Mangel gab es auch während der Krise", sagt Tuszik. Fehlen die geeigneten Mitarbeiter, bestehe die Gefahr, dass zu wenig Zeit für interne Projekte bleibt und das Portfolios des Unternehmens nicht so wie geplant ausgebaut werden kann.

Darum muss Tuszik an vielen Schrauben drehen: Zu Traineeprogrammen für den Nachwuchs kommen interne Ausbildungsprogramme, etwa für die 3000 Servicetechniker. Mit Programmen wie einer Work-Life-Balance-Beratung, Gesundheitstrainings oder einem Familienservice versucht Computacenter als attraktiver Arbeitgeber zu punkten, doch am erfolgreichsten ist die Recruiting-Methode, die zugleich die persönlichste ist. "Wir fordern unsere Mitarbeiter auf, Freunde und Bekannte für die Firma zu gewinnen ", sagt Tuszik. "Das wirkt am besten. Jeder Kollege, der einen neuen Mitarbeiter wirbt, erhält auch eine Prämie." Bei allem Werben um die Gunst der Fachkräfte ist er aber nicht bereit, Abstriche in der Qualifikation zu machen: "Als Dienstleister haben wir kein Produkt, sondern nur die Qualität unserer Mitarbeiter. Wenn wir da Kompromisse machen würden, würden wir uns selbst in die Tasche lügen, mit unseren Kunden Probleme bekommen sowie unserem Image schaden."

Wir stellen ein
Wir stellen ein!
Seit Herbst 2010 hat sich die Situation auf dem IT-Arbeitsmarkt für die Jobsuchenden entspannt. Viele Unternehmen stellen wieder neue Mitarbeiter ein. Die CW befragte Firmen und Personalberater, welche IT-Profis gesucht sind.
August-Wilhelm Scheer, Präsident Bitkom
Der Branchenverband beziffert die Zahl der offenen IT-Stellen auf 28.000, vor allem Softwarehäuser, IT-Dienstleister und Internet-Firmen stellen ein. 11.200 Stellen entfallen auf die Kernbranchen Informationstechnik und Telekommunikation, 16.800 auf andere Wirtschaftszweige.
Georg Pepping, Geschäftsführer Personal T-Systems
"Wir benötigen hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise für die Funktionen IT-Architekt, IT Consultant, Projekt- oder Service Manager. Aber auch Spezialisten für Themen wie SAP oder Java werden gesucht. Die Talente auf diesem Gebiet werden von vielen umworben und die Nachfrage übersteigt das Angebot. Hier haben wir Maßnahmen aufgelegt, diese Fachkräfte zum einen ins Unternehmen zu holen und zum anderen möglichst langfristig ans Unternehmen zu binden."
Oliver Tuszik, Vorstandschef Computacenter
Der IT-Dienstleister hat derzeit 300 offene Stellen und sucht unter anderem Experten für Windows 7 in den Bereichen Desktop, Security und Virtualisierung, aber auch IT-Profis, die sich auf Netzwerke, Security oder Data Center spezialisiert haben. Für Einsteiger gibt es Traineeprogramme.
Herbert Wittemer, Personalleiter msg systems AG
Über 200 offene Stellen hat der IT-Dienstleister msg systems. Personalleiter Wittemer sucht vor allem Softwareentwickler, Berater, Projekt-Manager und Softwarearchitekten. „Wir suchen auch verstärkt Nachwuchskräfte, die wir in Java oder Abap selbst ausbilden.“
Claudia Gharavi, Geschäftsführerin Mesh GmbH
Der Rechenzentrumsbetreiber beschäftigt derzeit 30 Mitarbeiter und will weiter wachsen. Geschäftsführerin Gharavi sucht Techniker, die auf Vmware spezialisiert sind, aber auch Storage-Experten für den Kundensupport. Aber auch in den Bereichen Sales und Marketing hat Mesh Personalbedarf.
Roland Fesenmayr, Geschäftsführer Oxid eSales
Derzeit beschäftigt der E-Commerce-Hersteller in Freiburg und Halle 50 Mitarbeiter. Aktuell sucht Roland Fesenmayr unter anderem Entwickler mit sehr guten PHP-Kenntnissen und entsprechenden Soft Skills. Stimmt die Motivation und Begeisterung für agile Entwicklungsmethoden, ist Fesenmayr auch offen für Quereinsteiger.
Mauricio Matthesius, Gründer und CFO sones GmbH
Das junge Startup aus Erfurt hat gerade die zweite Finanzierungsrunde hinter sich. CFO Matthesius ist froh, bislang viele Bewerbungen bekommen zu haben, zumal auch ein enger Kontakt zu den Hochschulen der Region besteht. Gesucht werden .net-Entwickler und Mitarbeiter für Vertrieb und Marketing.
Jan Wilfarth, Personalchef Innogames GmbH
Der Hamburger Hersteller von Online-Spielen will seine Mitarbeiterzahl auf 200 verdoppeln. Personal-Manager Jan Wilfarth sucht neben Mitarbeitern in den Bereichen Grafik, Online-Marketing, Personal und Finanzen vor allem Programmierer. Die Entwickler sollten PHP und Javascript beherrschen. Innogames bildet auch Azubis und duale Studenten aus.
Klaus Eberhardt, Geschäftsführer Iteratec
Der mittelständische IT-Dienstleister sucht etwa 30 neue Mitarbeiter im Jahr. bevorzugte Jobprofile sind Softwareentwickler Java EE, Softwarearchitekten, IT Management- / Strategieberater und Senior Consultant Business Intelligence.
Dagmar Schimansky-Geier, Personalberatung 1a Zukunft
In SAP-Markt ist der Bedarf an Beratern mit Projekterfahrung groß. Nach Erfahrung von Personalberaterin Schimansky-Geier hat jeder, der fachlich gut ist und keine persönlichen Defizite hat, wenig Probleme bei der Jobsuche. Für ihre Kunden fahndet Schimansky-geier nach Softwarearchitekten, Business-Intelligence-Beratern und Netviewer-Experten. Zunehmend gesucht sind Application Manager, die die SAP-Systeme beim Kunden aktuell halten und den Support organisieren.
Jürgen Rohrmeier, Personalberatung Pape Consulting
„Senior Consultants, Projektleiter und Systemarchitekten sind besonders gefragt.“ Personalberater Rohrmeier hat die Erfahrung gemacht, dass so genannte Business Consultants schwer zu finden sind: Diese müssen nicht nur verstehen, wie eine IT-Lösung funktioniert, sondern brauchen auch Prozess- und Projekt-Management-Wissen.

Keine Chancen für Quereinsteiger

Keine Kompromisse in der fachlichen Qualifkation - keine Chancen für Quereinsteiger? In der Tat scheint der Mangel bei vielen Unternehmen noch nicht so akut, als dass sie sich Umsteigern aus IT-fernen Branchen wie Ende der 90er öffnen und sie qualifizieren würden. Dagmar Schimansky-Geier, Geschäftsführerin der Bonner Personalberatung 1a Zukunft, sucht für ihre Kunden vor allem nach SAP-Beratern, die zu den umworbensten Zielgruppen auf dem IT-Arbeitsmarkt gehören: "Im SAP-Umfeld haben zwar Hochschulabsolventen wieder bessere Chancen, aber Quereinsteiger ohne Projekterfahrung sind nicht gefragt." Auf der Wunschliste der Unternehmen stünden vielmehr Berater zu den Themen Business Intelligence und Netviewer, Softwarearchitekten sowie Application Manager. Letztere halten die Applikationen, die die Berater beim Kunden eingeführt haben, aktuell, unterstützen die Anwender und organisieren den Support. "Obwohl ein Application Manager deutlich weniger reisen muss als ein Berater, ist er schwer zu finden. Auch er braucht fundiertes SAP-Wissen", schildert Schimansky-Geier.

Stellen sind schwerer zu besetzen, wenn sie mit häufigen Reisen verbunden sind. Diese Erfahrung musste Martin Wunderli machen. Der Chief Technology Officer (CTO) des IT-Dienstleisters Trivadis war selbst überrascht, wie schnell sich das IT-Geschäft nach der Krise erholte und wie rasch sich die Lage auf dem Jobmarkt veränderte: "Der Arbeitsmarkt ist sehr trocken, er ist wieder mehr zum Arbeitnehmermarkt geworden." Technische Berater, die auch Konflikte beim Kunden lösen können und zur Firmenkultur passten, seien rar. Wunderli wünscht sich neugierige Mitarbeiter, die eigene Ideen ausprobieren, Machertypen, die anstatt sich durch Powerpointfolien zu klicken selbst Hand anlegen und im Team die Probleme lösen.

Firmen investieren wieder in Absolventen

Offen zeigen sich Arbeitgeber dagegen gegenüber Hochschulabsolventen. Während der Krise stellten viele Unternehmen nur verhalten ein, es gab vereinzelte Jobs für berufserfahrene Experten und kaum Einstiegsprogramme für den IT-Nachwuchs. Mittlerweile sind Traineeprogramme nicht nur wieder en vogue, sondern mitunter auch gut dotiert - Microsoft zum Beispiel zahlt seinen Trainees ein Jahresgehalt von 50.000 Euro, was deutlich über den Anfangsgehältern der Branche liegt. Auch der Münchner IT-Dienstleister Msg Systems AG braucht neben erfahrenen Projekt-Managern und Projektleitern für große Softwareintegrationsprojekten vor allem Einsteiger. Dazu Personalleiter Herbert Wittemer: "In diesem Jahr wollen wir 120 Berufseinsteiger in der Softwareentwicklung und Systemintegration einstellen. Wir suchen verstärkt Nachwuchsinformatiker, die wir in Java oder Abap selbst ausbilden. Heute nehmen wir die Kosten in Kauf, um Einsteiger weiterzuqualifizieren." Den Nachwuchs lädt Msg Systems zu Bewerbertagen ins Unternehmen ein, was ebenso erfolgreich ist wie das Instrument "Mitarbeiter werben Mitarbeiter und bekommen dafür eine Prämie". Den Kontakt zu potenziellen Bewerbern sucht der IT-Dienstleister auch über Foren und soziale Netzwerke, erwartet sich davon aber keine kurzfristigen Erfolge.

Die Msg Systems AG gehört mit 3000 Mitarbeitern schon zu den größeren mittelständischen Dienstleistern. Auch junge Startups sind auf Wachstumskurs und würden gern schneller wachsen, wenn sie sich genug Mitarbeiter fänden. Bei der Hamburger Innogames GmbH, einem Entwickler von Online-Spielen, haben im Januar 14 neue Mitarbeiter begonnen, bis Ende des Jahres soll die Belegschaft von derzeit 100 auf 200 verdoppelt werden. Gesucht sind vor allem Entwickler, die PHP und Javascript beherrschen. Ein ehrgeiziges Ziel für Personalmanager Jan Wilfahrt: " Die Spielebranche muss etwas für ihr Image tun, sie ist als Arbeitgeber nicht angesehen, die Zukunftsaussichten gelten als unsicher." Innogames, obwohl selbst erst vor vier Jahren gegründet, bildet Fachinformatiker und angehende Wirtschaftsinformatiker ( über ein duales Studium) aus, präsentiert sich auf Ausbildungsmessen und lädt Schüler zu Projekten ein.

Bewerbung mit 50+

Wenn die Zahl der Stellen mehr und die Zahl der jüngeren Bewerber abnehmen wird, kann die Wirtschaft nicht mehr auf die älteren Arbeitnehmer verzichten. Zu dem Schluss kommt nicht nur die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Sudie. Zudem hat der Gesetzgeber der Rente mit 60 Gesetzgeber seit 1. Januar 2011 einen Riegel vorgeschoben. Langsam entdeckt auch der ein oder andere Arbeitgeber eine neue Zielgruppe. Dazu Msg-Systems-Personalchef Wittemer: " Wir bauen genauso auch auf ältere Mitarbeiter, daher gibt es bei uns keine Altersteilzeitregelung. Wir laden auch ältere Bewerber zum Vorstellungsgespräch ein und haben schon einige über 50-Jährige eingestellt. Vor allem für große Softwareintegrationsprojekte brauchen Berater Erfahrung und nicht nur Methodenwissen. Bei älteren Softwareentwicklern ist es wichtig, dass sie nicht in ihrer Technologie verharren, sondern sich für andere Programmiersprachen öffnen und sich weiterqualifizieren."

Georg Moosreiner, Vorstand der SEP AG, setzt auf einen Mix aus Jung und Alt.
Foto: Moosreiner Georg_SEPAG

Auch Georg Moosreiner, Vorstand der SEP AG, einem Hersteller von Backup- und Recovery-Software mit Sitz im oberbayerischen Weyarn, kennt den Wert der älteren Mitarbeiter: Da viele Kunden eine sehr heterogene IT-Infrastruktur mit zahlreichen alten Systemen haben, die die Software abbilden muss, ist die Erfahrung der Älteren notwendig. Moosreiner setzt auf einen Mix aus Jung und Alt, erwartet aber von den erfahrenen Mitarbeitern, dass sie "teamfähig sind und mit den Jüngeren zusammenarbeiten." Die Tätigkeitsfelder für Mitarbeiter ab 55 Jahren sieht der Unternehmer eher im Service und Vertrieb, aber nicht in der Entwicklung: "Als Softwareentwickler muss man geistig jung sein und darf keinen eingeengten Blick haben."

Wenn in der Öffentlichkeit die Rente ab 67 diskutiert wird, bemüht man gern den Dachdecker als Paradebeispiel, warum die gesetzlichen Vorgaben in der Praxis nicht umzusetzen sind. IT-Profis müssen zwar nicht auf Dächern herumklettern, sind aber in der schnelllebigen Branche Belastungen anderer Art ausgesetzt: In der Krise müssen sie um ihren Arbeitsplatz bangen und viel mehr investieren, um an neue Aufträge zu kommen. Stress löst auch der boomende Markt aus, wenn das Unternehmen zu wenig Ressourcen hat, um die Kundenaufträge abzuarbeiten.

Thomas Leibfried, Personalchef von Computacenter, hat schon etliche Bewerber über 50 eingestellt.

Thomas Leibfried fällt auf Anhieb kein einziger IT-Beruf ein, in dem man stressfrei altern könnte. Auch wenn das Gros seiner Mitarbeiter zwischen 36 und 50 Jahren sind, beschäftigt sich der Personalleiter von Computacenter schon heute damit, wie sich eine Karriere in der zweiten Hälfte des Berufslebens gestalten lässt. "Überall dort, wo Erfahrung eine große Rolle spielt, sind ältere Mitarbeiter gut aufgehoben, etwa im Projekt- oder Service- und Key Account Management. Auch unsere Kunden werden älter und fühlen sich mitunter wohler, wenn sie gleichaltrige Ansprechpartner haben." Den IT-Berater sieht er dagegen nicht als einen Beruf an, den man jahrzehntelang und bis zum Rentenalter ausüben könne. Dafür sei die Belastung durch parallele Projekte und das ständige Reisen zu hoch. Auch wenn Leibfried in den vergangenen Jahren schon etliche Bewerber über 50 einstellte, hat er noch kein Patentrezept für die zweite Karriere in der IT gefunden: "Ein Ansatz könnte es sein, dass erfahrene Mitarbeiter zehn bis 20 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, um als Mentoren oder Trainer ihr Wissen weiterzugeben. Es reicht nicht aus, das Wissen nur schriftlich zu dokumentieren."

In welchen IT-Berufen kann man bis 67 Jahren arbeiten? Kann eine lineare Gehaltsentwicklung - je älter ich werde, desto mehr verdiene ich - Bestand haben, wenn es immer ältere Mitarbeiter gibt? Auf diese Fragen gibt es heute in der IT-Branche noch keine Antworten, da die Unternehmen erst beginnen, sich mit dem Thema Demografie zu beschäftigen. Unternehmer wie Moosreiner oder Personalchefs wie Leibfried sind aber der Ansicht, dass man gehaltliche Abstriche von älteren Bewerbern durchaus erwarten könne.

Vergebliches Werben um Frauen

Neben den älteren IT-Mitarbeitern gelten die Frauen als die Zielgruppe, um die sich die Wirtschaft mehr bemühen sollte - insbesondere vor dem Hintergrund, wenn Fachkräfte rar werden. Doch für Frauen ist die IT-Branche schon lange, bevor sie in die Familienphase eintreten, nicht attraktiv. Zwar entscheiden sich jedes Jahr mehr Abiturienten für ein Informatikstudium, 2010 gab es 39.400 Erstsemester -, aber der Frauenanteil unter den Informatikstudenten bleibt seit Anfang der 70er Jahre konstant unter 20 Prozent. Claudia Gharavi, Geschäftsführerin des Rechenzentrumsbetreibers Mesh GmbH, hätte gern eine Frau in ihrer Technikabteilung etabliert, es aber bisher nicht geschafft.

Das fängt schon damit an, dass sich auf eine Technikerstelle zwar 80 bis 100 Kandidaten bewerben, darunter aber nur fünf Prozent Frauen. Gharavi musste die Erfahrung machen, dass sich Praktikantinnen in dem männerbesetzten, sehr technikorientierten Umfeld nicht durchsetzen konnten. Durchsetzungsfähigkeit bräuchten die Frauen in der IT aber genauso wie Ausdauer, sagt die Managerin, die selbst zwei kleine Kinder hat: "Frauen, die Beruf und Familie verbinden wollen, müssen eine lange Durstrecke überstehen. Schließlich ist auch unser Steuersystem so gestrickt, dass sich ein Teilzeitjob nicht auszahlt, wenn man die schlechtere Steuerklasse hat." Und mit den Teilzeitjobs verhält es sich so wie mit den Berufen für die zweite Karrierehälfte: Diese werden in Zukunft noch mehr gebraucht, wenn die Wirtschaft das Potenzial der Älteren und der Frauen für sich erschließen will. Doch in der Praxis sind qualifizierte IT-Jobs in Teilzeit genauso so rar wie stressfreiere IT-Jobs für Ältere.

T-Systems sucht 1400 Mitarbeiter

Georg Pepping, T-Systems
Foto: Pressestelle T-Systems

Drei Fragen an Georg Pepping, Geschäftsführer Personal von T-Systems International GmbH

Sie haben in den vergangenen zwei Jahren 1500 Stellen in der Softwareentwicklung abgebaut, heute suchen Sie 1400 Hochschulabsolventen und Young Professionals. Warum ist das so?

Pepping: Weiterentwicklung ist bei uns ein kontinuierlicher Prozess. Es gilt, die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Qualifikationen an Bord zu haben. Wir benötigen dringend Experten, die entsprechend gut ausgebildet und bereit sind, global zu agieren. Das sind Systemarchitekten, Branchen-, SAP- und Service-Experten sowie Berater. Das sichern wir einerseits, indem wir Mitarbeiter in diese Jobprofile hinein entwickeln Stichwort lebenslanges Lernen. Andererseits können wir unseren Bedarf nicht nur auf diesem Weg decken. Wir müssen diese Skills auch am Markt rekrutieren. Übrigens nicht nur aus Hochschulabsolventen und Young Professionals, wir suchen auch Top-Experten.

Was müssen Entwickler können, damit sie bei Ihnen eine Chance haben?

Pepping: Das hängt stark vom Einsatzbereich ab, wobei das Thema Entwicklung besonders in der Systemintegration von Bedeutung ist. Momentan haben wir Bedarf vor allem in den Feldern Java, Microsoft im .Net/Azure-Umfeld und Standardsoftware wie SAP . Auch spezielle Anforderungen an Makro- beziehungsweise Programmierkenntnisse sowie Reportgenerierungssprachen kommen zum Tragen.

Welche Strategien haben Sie gegen den Fachkräftemangel?

Pepping: Bei der Talentgewinnung konzentrieren wir uns auf junge Talente, zu denen wir Kontakt direkt über die Hochschulen und über Social Media aufnehmen. Wir setzen dabei zunehmend auf weibliche und auch auf ausländische Fachkräfte. Unseren eigenen Nachwuchskräften, also den Auszubildenden und den dualen Studenten, eröffnen wir nach dem Prinzip der Bestenauswahl früh die Chance zur Übernahme in den Konzern. Zudem beziehen wir in der Ausbildung bewusst Bewerber aus bildungsferneren Schichten ein. So haben wir im Konzern ein Einstiegsqualifizierungsprojekt gestartet mit Jugendlichen aus Hartz IV-Verhältnissen mit erstaunlichem Erfolg: Fast 80 Prozent haben nach einem Jahr den Übergang in die reguläre Berufsausbildung, 70 Prozent sogar ins zweite Ausbildungsjahr geschafft.

10 Jahre Green Card: Die magere Bilanz

Seit dem Jahr 2000 erhielten rund 33.000 ausländische IT-Experten eine Arbeitserlaubnis, 2009 kamen über die so genannte Green Card, die 2005 eine nahezu gleich lautende Regelung im Zuwanderungsgesetz abgelöst hat, nur noch 2500 Experten nach Deutschland. Für Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer ist die Green Card dennoch eine Erfolgsgeschichte, auch wenn sie verbesserungsfähig ist: So ist die Aufenthaltsgenehmigung auf fünf Jahre befristet, die Ehepartner erhalten automatisch keine Arbeitsgenehmigung. Wer eine unbefristete Niedererlassungserlaubnis will, muss einen Arbeitsplatz mit einem Jahresgehalt von 66.000 Euro vorweisen können - so sieht es das aktuelle Zuwanderungsgesetz vor. Eine zu hohe Hürde, jedes Jahr kommen nur 150 Hochqualifizierte über diese Regelung ins Land. Zum Vergleich: Projektleiter in Softwarehäusern erhalten im Schnitt 64.000 Euro.

Dass die Green Card nicht mehr IT-Profis nach Deutschland lockt, liegt nach den Erfahrungen von Roland Fesenmayr nicht nur an den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Fesenmayr ist Vorstandschef des Freiburger Softwareherstellers Oxid eSales und arbeitet schon seit Ende der 90er erfolgreich mit Entwicklern in Litauen zusammen: "Für Mitarbeiter in Osteuropa ist Deutschland als Zuwanderungsland nicht sehr attraktiv. Litauische Entwickler bevorzugen Großbritannien, das Fachkräfte umwirbt. Man möchte dorthin, wo man mit offenen Armen empfangen wird. In Deutschland signalisieren wir nicht, dass wir ein Einwanderungsland sind." Andere Länder fahren eine ganz andere Strategie: Nach Singapur können Bewerber mit einem Touristenvisum einreisen und sich einen Job suchen. Die Arbeitserlaubnis kann man online beantragen, im Schnitt hat man nach drei Tagen eine Antwort.

Deutschland indes scheint nicht einmal das Potenzial der Migranten, die schon hier sind, zu nutzen: Ausländische IT-Studenten, die hier ihr Examen ablegen, bleibt nur ein Jahr Zeit, um sich eine Stelle zu suchen. Auch unter den Hartz-IV-Empfängern sind zahllose Migranten, deren Studienabschlüsse nicht anerkannt werden. Das soll sich künftig ändern, so die Ankündigung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Quelle: Computerwoche