Breitband für alle war auch 2013 eine populistische Forderung, mit der so manche Partei im Bundestagswahlkampf auf Stimmenfang ging. Dass von dieser Forderung im aktuellen Koalitionsvertrag nicht mehr viel zu sehen ist und man vorerst mit 2 Mbit/s zufrieden ist, steht auf einem anderen Blatt. Ebenso, dass die Koalitionäre die Finanzierung des Breitbandausbaus nicht wirklich geregelt haben.
DSL-Vectoring
Würze erhielt die Breitbanddiskussion 2013 durch das neue Zauberwort Vectoring. DSL-Vectoring beflügelt die Phantasie, weil die Technik Bandbreiten von bis zu 100 Mbit/s auf der Basis herkömmlicher Kupferleitungen verspricht. Sie geht auf eine Entwicklung der Bell Labs von Alcatel-Lucent zurück. Anders als bei den anderen DSL-Techniken betrachteten die Forscher nicht mehr ein Adernpaar in der Telefonleitung für einen Anschluss, sondern den Kabelstrang als Ganzes. Auf diese Weise waren sie in der Lage, Störungen (Nebensprechen, Cross Talking) mit komplexen, aber effizienten Algorithmen zu unterdrücken.
Mit dem neuen Verfahren verspricht Alcatel, bei VDSL Entfernungen von bis zu 1000 Metern per Kupfer-Telefonkabel überbrücken zu können. Und dies mit Bandbreiten von bis zu 100 Mbit/s. Gleichzeitig hat die Technik für die Carrier im heiß umkämpften Breitbandmarkt noch einen anderen Vorteil: Glaubt man den Berechnungen von Alcatel-Lucent, betragen die Kosten für eine VDSL-Vectoring-Implementierung nur ein Drittel der Investitionen, die für einen Glasfaserausbau bis zum Gebäude (Fibre to the Building/Home, FTTB/FTTH) erforderlich sind.
Das Ganze hat jedoch einen Haken: Damit Vectoring die wechselseitigen Störungen der einzelnen Leitungen in einem Kabelbündel unterdrücken kann, müssen diese koordiniert bearbeitet werden. Das heißt, alle Aderrnpaare eines Telefonkabels müssen in ihrer Gesamtheit kontrolliert und gemanagt werden. Dieser Ansatz widerspricht dem hierzulande verfolgten Regulierungsgedanken der entbündelten Teilnehmeranschlussleitung (TAL), die es jedem Netzanbieter und Service-Provider erlaubt, von der Telekom die nackte Kupferader zu mieten, um mit eigener Technik entsprechende DSL- und Telefonieangebote zu vermarkten.
Entsprechend groß war denn auch der Aufschrei, als die Telekom bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf Vectoring stellte. Bis Ende August zankten sich Telekom, Bundesnetzagentur und Konkurrenten, da diese eine Remonopolisierung des Netzes zugunsten der Telekom befürchteten. Schließlich gab die Bundesnetzagentur grünes Licht und erlaubte der Telekom unter bestimmten Voraussetzungen den Wettbewerbern den Zugang zur letzten Meile zu verwehren.
Glasfaser-Ausbau
Der Run auf das Vectoring hatte noch eine andere Konsequenz: Die Telekom reduzierte ihre Pläne zum Glasfaserausbau drastisch, wie auch etliche Wettbewerber. Und dies in Zeiten, wo es unter Experten unstrittig ist, dass der Bedarf an Bandbreite mittelfristig nur per Glasfaser befriedigt werden kann, wenn Video on Demand oder Cloud-Computing auf breiter Front salonfähig werden. Allerdings hat die Sache einen Haken - Experten schätzen, dass ein Glasfaserausbau in Deutschland zwischen 30 und 50 Milliarden Euro kosten würde. Deshalb wird das FTTH Council auch nicht müde, die deutschen Breitbandförderprogramme, deren Etat lediglich im Millionenbereich liegt, als ungenügend zu kritisieren, während etwa unser Nachbar Frankreich ein 20-Milliarden-Euro-Programm zum Breitbandausbau aufgelegt habe.
Diskussionen, die den betroffenen Bürgern allerdings wenig helfen. Sie können nur hoffen, dass sie einen engagierten Bürgermeister haben und dann in Eigenregie eine entsprechende Glasfaser-Infrastruktur aufbauen. Ein Weg, den etwa im Sommer die bayerische Gemeinde Essenbach einschlug. Die knapp 12.000 Einwohner zählende Gemeinde verlegt selbst rund 140 Kilometer Glasfaser, um so den Bürgern später Internet-Zugänge mit 100 Mbit/s zur Verfügung stellen zu können.
Genau diese Kosten für die Verlegung der Glasfaser waren im vergangenen Jahr die Chance der Kabelnetzbetreiber, die bundesweit mittlerweile auf eine durchschnittliche Anschlussdichte von rund 65 Prozent kommen: Sie können die Haushalte meist ohne teure Grabungsarbeiten mit Breitband versorgen, womit sich das einst ungeliebte Kabelfernsehnetz, das zwischen 2000 und 2003 nur schwer zu verkaufen war, als späte Breitband-Goldader entpuppt. Wie beliebt die TV-Netzbetreiber mittlerweile sind, zeigt sich bei der Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone. Der Mobilfunker ließ sich die Übernahme um die 7,7 Milliarden Euro kosten.
Kabel-TV als Alternative
Im Gegensatz zu den DSL-Anbietern sind die Kabelnetzbetreiber bereits heute in der Lage, 100 Mbit/s anzubieten. Und ohne viel Aufwand könnten sie per Kanalbündelung auf bis zu 400 Mbit/s gehen, wenn die Nachfrage dies verlangt. Werden dazu noch besondere Angebote für Geschäftskunden geschnürt - wie etwa bei Kabel Deutschland -, dann ist das TV-Netz im Business-Umfeld durchaus eine überlegenswerte Alternative. Für diese Klientel offeriert Kabel Deutschland etwa 24 Stunden Support und Entstörung.
Ferner erhalten die Business-Kunden einen erhöhten Upload von 6 Mbit/s. Allerdings ist auch bei den Kabelbetreibern nicht alles Gold, was glänzt. Genau betrachtet sind ihre Netze in der Fläche zur Zeit auf Breitbandzugänge von bis zu 32 Mbit/s ausgebaut, 100 Mbit/s sind nur in ausgesuchten Lokationen erhältlich - auch wenn deren Zahl steigt.
LTE
Ruhig wurde es im Jahresverlauf auch um eine andere Technik, die jetzt im Koalitionsvertrag der neuen Regierung als probates Mittel zur Vernetzung ländlicher Regionen propagiert wird. Die Breibandvernetzung per Funk, wobei hier besonders LTE als Mobilfunktechnik der vierten Generation (4G) im Vordergrund steht. In der Theorie liefert ist der UMTS-Nachfolger bis zu 300 MBit/s. Allerdings müssen sich die alle Teilnehmer einer Funkzelle teilen.
Typische Angebote der Provider lagen im vergangenen Jahr jedoch zwischen 7 und 50 MBit/s. Und diese Werte werden in der Praxis selten erreicht, wie unsere Versuche zeigten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Provider auch bei LTE an der Praxis der Volumenkontingente festhalten. Die monatlichen Limits liegen so zwischen 10 und 30 GB-. Überschreitet der User dieses Volumen, drosselt der Provider die Geschwindigkeit.
Dieses im Mobilfunk übliche Verfahren, den Verkehr zu drosseln, wenn ein bestimmtes Datenvolumen verbraucht ist, bescherte der Telekom im Jahr 2013 den wenig schmeichelhaften Spitznamen "Drosselkom". Der Carrier versuchte bei seinen neuen DSL-Tarifen, die zwar als Flatrate beworben wurden, eine Volumengrenze einzuführen und wollte diese später auch per AGB-Änderung auf Altkunden ausdehnen. Diesen Plänen schob das Landgericht Köln Ende Oktober nach einer Klage der Verbraucherzentrale NRW einen Riegel vor. Eine Flatrate, so die Richter, dürfe keine Einschränkungen beim Datenvolumen beinhalten.
Der Telekom-Vorstoß bot jedoch auch noch in anderer Hinsicht Zündstoff: Die Bonner wollten nämlich ihren eigenen IP-TV-Dienst Entertain von der Volumenbegrenzung ausnehmen. Damit trat der Konzern eine neue Runde in der Diskussion um die Netzneutralität los. Hier stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite sind die Verfechter der reinen Lehre, die bereits in der Bevorzugung einer Verkehrsart (etwa Video oder Voice) einen Verstoß gegen die Netzneutralität sehen. Ebenfalls lehnen sie die Bevorzugung gewisser Dienste in Form von Managed Services ab.
Ihnen schwebt ein Netz vor, in dem Daten nach dem Best-Effort-Prinzip weitertransportiert werden. Für dieses Prinzip spricht sich auch die Große Koalition in Berlin aus. Andere wiederum sehen in einer Bevorzugung gewisser Verkehrsarten (etwa Echtzeitanwendungen) keinen Verstoß gegen die Netzneutralität. Sie sehen darin vielmehr eine Chance, dass Carrier und Provider durch eine Priorisierung zusätzliche Einnahmen generieren könnten. Einig sind sich dagegen alle, dass es im Sinne der Netzneutralität kein Blocken einzelner Anbieter geben darf.
Das will die EU
Allerdings diskutieren die Deutschen die ordnungspolitischen Fragen von Telekommunikation und Internet nicht alleine. In diesem Bereich bestimmt auch die EU in Brüssel mit. Und diese legte 2013 mit der Initiative zum digitalen Binnenmarkt ein Positionspapier vor, das geeignet ist die bisherigen Grundzüge der europäischen TK-Regulierung komplett umzuwerfen. So sehen die Vorschläge aus Brüssel durchaus vor, dass die Carrier Spezialdienste mit garantierter Servicequalität anbieten dürfen.
Ferner schwebt der EU eine Konsolidierung des TK-Marktes vor. Nach Meinung der EU-Kommission sind die europäischen Carrier nämlich zu klein, um im globalen Wettbewerb gegen die Schwergewichte aus Asien und Nordamerika zu bestehen. Ihr schwebt deshalb ein konsolidierter EU-TK-Markt vor, auf dem nur noch drei bis vier große Carrier agieren. Diese hätten dann auch die finanzielle Kraft, die milliardenschweren Investitionen für den Glasfaserausbau zu stemmen.
Letztlich dürfte 2014 in Sachen TK und Internet ein spannendes Jahre werden, denn die wichtigen Fragen zur Breitbandzukunft wurden 2013 nicht geklärt.