Herr Lowitsch, am Rande der Europäischen Gesundheitstage in München geht man davon aus, dass etwa 700 Kliniken vor der Insolvenz stehen. Was setzt die Kliniken derzeit so stark unter Druck?
Durch die Fallpauschalen werden von Beginn der DRG-Phase 2003 bis zum Ende der Konvergenzphase 2009 die Erlöse um rund 20 Prozent sinken. Zudem kommen durch den Tarifabschluss, die Modernisierung von Medizingeräten und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Bereitschaftsdienst für Ärzte zusätzliche Kosten auf die Kliniken zu. Der Marburger Bund schätzt, dass dadurch, dass Bereitschaft als Dienstzeit zu werten ist, Kliniken zehn bis 15 Prozent mehr Ärzte einstellen müssen.
Wie steht es um die Solvenz der Uniklinik Aachen?
Wir sind - wie in den Jahren zuvor auch - bei einer schwarzen Null gelandet, haben in 2006 83.000 Euro Gewinn gemacht. Der Gewinn lag in den letzten Jahren zwischen 83.000 und rund zwei Millionen Euro. Allerdings führen die sinkenden Erlöse und steigenden Kosten dazu, dass die Uniklinik Aachen um 35 Prozent effektiver werden muss.
Wie soll das geschehen?
Seit 2003 haben wir eine neue Betriebsstruktur für die Uniklink, die wir modulares Krankenhaus nennen. Das bedeutet zum einen, dass wir durch die Definition von Behandlungsprozessen eine industrieähnliche Effizienz schaffen wollen. Wir haben Serviceeinheiten gebildet – für die Logistik und für den medizinischen Bereich.
Was heißt das für das Tagesgeschäft in den 35 Kliniken?
Es gilt das Motto "Planen, buchen, bezahlen". Am Ende eines Jahres planen die Klinikchefs ihre Behandlungsleistungen für das Folgejahr. Hieraus resultiert das Klinikbudget. Auf Basis dieses Budgets planen sie unter anderem ihren Bedarf an Laborleistungen, OP-Stunden, Intensiv,- Intermediate Care und Normalpflege-Betten. Leistungen, die sie gekauft haben, müssen sie auch bezahlen. Dafür stellen wir Steuerungs- und Analysesysteme zur Verfügung.
Sie haben recht früh damit begonnen, Business Intelligence in die Krankenhausinformationssysteme zu integrieren. Wie ist der derzeitige Status?
2003 fiel die Entscheidung für den Anbieter SAS. Wir wollten eine BI-Anwendung etablieren, Informationen auswerten - mit der Datenbasis aus dem Krankenhausinformationssystem. Die Ressourcen lassen sich so besser managen, Auslastungsgrade und die mittlere Verweildauer für Patienten bestimmen. Je nach der Schwere und Art der Behandlung bekommt der Arzt die mittlere Verweildauer genannt. Dies ist die Zeit, die im DRG-System bei normalem Behandlungsverlauf zu einer Kostendeckung führt. Die Berechnung dieser mittleren Verweildauer für über 1.000 Diagnosis Related Groups (DRGs) übernimmt das Analyse-Tool.
Gerade in Hinsicht auf die Verweildauer haben Universitätskliniken ja einen schweren Stand …
Bei uns liegt die Verweildauer für die DRG-Fälle derzeit bei 8,2 Tagen. Da müssen sicher noch zehn bis 15 Prozent eingespart werden. Allerdings liegen die Unikliniken im Case Mix Index, der ein Gradmesser für die Behandlungsschwere ist, naturgemäß höher als kleine Krankenhäuser, die etwa keine Intensivstationen haben. Gerechterweise müsste man also die Verweildauer und den Case Mix Index (CMI) miteinander verknüpfen.
Die BI-Verknüpfung mit dem KIS führt auch zu einem rationelleren Einsatz von Personal. Mussten deswegen Mitarbeiter gehen, weil ihre Arbeit nun überflüssig wurde?
Nein, es gab keine betriebsbedingten Kündigungen. Allerdings haben wir ja Service-Einheiten geschaffen, die nun Leistungen intern verkaufen und verrechnen. Es entsteht ein neues Kostenbewusstsein. Da wird sicher besonders im kaufmännischen Bereich künftig noch Personal eingespart werden. Sämtliche Leistungen der Servicezentren und Kliniken sind in rund 600 Produkte erfasst. Allein für den IT-Bereich gibt es seit 2005 etwa 50 Produkte, die die IT-Leistungen erfassen.