Ingenieurwissenschaften stehen anderen Disziplinen bei der Mehrung des Wissens in nichts nach. Der Praxisbezug, die vergleichsweise geringe Veröffentlichungstätigkeit sowie die Arbeit der Großforschungseinrichtungen außerhalb des universitären Bereichs führen jedoch dazu, dass Erkenntnisse zurückhaltend verbreitet werden.
Die 2002 verabschiedete Erklärung der Budapest Open Access Initiative (BOAI) fordert, dass Literatur, die Wissenschaftler ohne kommerzielles Interesse veröffentlichen, auch im Internet frei zugänglich sein soll. Die Gedanken der Open-Access-Bewegung setzt die Bundesanstalt für Wasserbau für ihren Tätigkeitsbereich seit Juli 2017 im Fachrepositorium Hydraulic Engineering Repository um.
Digitalisierung hat bei der BAW Tradition. Zum Beispiel stellte sie als eine der ersten Behörden auf ein elektronisches Vorgangsbearbeitungs- und Dokumenten-Management-System um. Mit HENRY sollen nun Ergebnisse von mit Steuergeldern finanzierter Forschung für jedermann nutzbar werden. HENRY beschränkt sich nicht auf Deutschland, sondern stiftet weltweit gesellschaftlichen Nutzen.
Nicht einmal ein Jahr nach dem Start im Juli 2017 umfasst HENRY über 5.000 deutsch- und englischsprachige Publikationen verschiedener Einrichtungen. Auf deren Metadaten und Volltexte und können Interessierte jederzeit zugreifen, sie herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, auf sie verweisen und sie ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren nutzen. Einzige Voraussetzung ist ein Internet-Zugang.
Das Projektteam entschied sich, HENRY auf der Repositoriums-Software DSpace aufzubauen. DSpace kommt bei knapp 40 Prozent der Repositorien weltweit zum Einsatz. Es kann damit als erprobtes System gelten. Dank einer eigenen Entwicklergemeinde scheint die Weiterentwicklung gesichert. Ein weiterer Pluspunkt waren aus Sicht des Projektteams die Strukturen zur Langzeitarchivierung sowie Schnittstellen und Metadatenaufbereitung für Suchdienste, aber auch die Erfüllung der Qualitätsstandards für eine DINI-Zertifizierung (Deutsche Initiative für Netzwerkinformation).
Allerdings machten die Anforderungen der BAW, zum Beispiel Mehrsprachigkeit, aufwendige Anpassungen erforderlich. Für die wurde ein externer Dienstleister hinzugezogen. Dennoch gelang es, HENRY auf Basis von DSpace binnen zehn Monaten zu entwickeln.
Nicht allen Wissenschaftlern der BAW behagte die Vorstellung, die Ergebnisse ihrer Arbeit künftig neben Experten und Beteiligten auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Durch ein behutsames Akzeptanz-Management mit Informationsveranstaltungen und Roadshows konnten die Bedenken allmählich ausgeräumt werden.
Mittels HENRY konkurriert die BAW mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, für die die Sichtbarkeit ihrer Publikationen ein wichtiger Gradmesser des Erfolgs ist. Daher müssen die Verantwortlichen für HENRY engagiert um die Bereitstellung von Publikationen Dritter werben. Das übergeordnete Ziel ist die Mühe jedoch wert.