Bei der Systemintegration haben die meisten Firmen vor allem Kosten und kurzfristige Erfolge im Blick. Auf Qualität und Nachhaltigkeit wird – insbesondere im Mittelstand – weniger geachtet. So lautet ein Ergebnis einer umfassenden Studie der Universität Leipzig, für die über 30 Integrationsdienstleister ausführlich nach ihren Erfahrungen befragt wurden.
Mit der Forschungsarbeit zur Systemintegration wollen die beiden Informatiker Fred Stefan und Martin Gebauer die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis auflösen. „Einerseits wollten wir mit unserer Studie klären, wann und warum gewisse Methoden in der Praxis angewandt werden, und andererseits interessierten uns ständig wiederkehrende Schritte eines Integrationsprojektes sowie deren methodische und werkzeugseitige Unterstützung", sagt Stefan. „Unsere Vermutung bestand darin, dass viele Entscheidungen im Rahmen eines Integrationsprojektes tendenziell kurzfristig orientiert sind und Kriterien wie Qualität und Zukunftsfähigkeit der Lösung eher eine untergeordnete Rolle spielen", erläutert Martin Gebauer.
Strategische Ausrichtung bestimmt vor allem in Großunternehmen Wahl der Integrationslösung mit
Diese Hypothese wird durch die frei erhältliche Studie in Teilen bestätigt, in Teilen aber auch widerlegt. Methodisch wurden die teilnehmenden Integrationsdienstleister ausführlich interviewt und gaben aus ihrer Sicht die Perspektive ihrer Kunden, also der Anwender, wieder. Dabei ergab sich, dass die strategische Ausrichtung des Unternehmens zumindest in vielen großen Unternehmen durchaus Einfluss auf die Wahl der Integrationslösung hat.
So legten rund vier Fünftel der Unternehmen, die mit großen Geschäftsprozesspartnern zusammenarbeiten, offenbar Wert auf eine zukunftsfähige Integrationslösung. „Ein anderer Befragter schilderte, dass vorzugsweise die Kunden, deren Wertschöpfung durch eine hohe IT-Durchdringung geprägt ist, sehr viel Wert auf eine flexible, ausbaufähige und wartungsfreundliche Lösung legen, da in diesem Bereich Unternehmenszusammenschlüsse, Akquisitionen und Allianzen häufig an der Tagesordnung sind“, heißt es weiter in der Studie.
Letztendlich machen etwa ein Drittel der Befragten die Berücksichtigung solcher strategischen Überlegungen an der Größe ihrer Kunden fest. In DAX-Unternehmen beispielsweise gebe in der Regel die Unternehmens- oder IT-Strategie den Rahmen für die Weiterentwicklung der IT-Landschaft vor. „Bei diesen Firmen werden Integrationsentscheidungen ausschließlich von der zentralen IT-Abteilung unter Berücksichtigung der strategischen Ziele und der Gesamtarchitektur getroffen“, schreiben Stefan und Gebauer. Um diesem Umstand besser gerecht werden zu können, versuche man die Integrationsprojekte entsprechend groß aufzuziehen und besonders auf zukünftige Erweiterbarkeit etwa durch Service-Orientierung zu achten. Gleichwohl können derartige Absichten nach Beobachtung der Dienstleister in der Praxis durch die Hausmacht von einzelnen operativen Abteilungen untergraben werden.
Billige Lösungen mit Risiken
In kleinen und mittleren Unternehmen herrscht demgegenüber eine Orientierung an rein fachlichen Bebauungsplänen vor. „Sie spezifizieren die fachlichen Funktionen und Anforderungen, welche künftig durch die IT-Systeme unterstützt werden sollen“, erläutern die Wissenschaftler. In der Regel sei der Planungshorizont viel kürzer und liege bei einer Laufzeit von maximal drei oder vier Jahren. „Durch die fehlende langfristige Planung können sie jedoch auch viel flexibler agieren als ein großer Konzern“, heißt es weiter über die Mittelständler.
Dennoch überwiegen letztlich die strategischen Defizite. „Den meisten Unternehmen dieser Größenklasse fehlt jedoch der strategische Weitblick“, fassen die Autoren zusammen. Diesen Kunden sei die Komplexität der eigenen Infrastruktur und Systemlandschaft oft nicht bewusst ist, berichteten die Dienstleister. Sie empfänden die eigene IT-Landschaft lediglich als Kostenfaktor, welcher vielmals außer Kontrolle geraten ist. Auswirkungen auf die IT-Landschaft würden in KMUs meistens erst dann analysiert, wenn unmittelbare Probleme und Entscheidungen anstehen. „Darüber hinaus handelt es sich bei den Integrationslösungen vorwiegend nicht um unternehmensweite Lösungen, sondern eher um punktuelle“, heißt es weiter in der Studie.
Insgesamt sind die Kosten mit Abstand der wichtigste Faktor bei der Auswahl von Integrationslösungen. Viele Anwender schauen dabei aber lediglich auf die Projektkosten und nicht auf die Gesamtkosten. Das kann mitunter fatal sein, wie die Forscher herausarbeiten. „Zwar können sehr billige Integrationslösungen gebaut werden, jedoch können diese dann später unter Umständen sehr teuer im Betrieb und in der Wartung sein, sie können eventuell sehr fehleranfällig sein oder aber auch mit einem gewissem Risiko behaftet sein“, so Stefan und Gebauer. „Demgegenüber kann man aber auch fantastische Integrationslösungen bauen, die jedoch die gesamte Architektur des Kunden umkehren und mit entsprechend hohem Aufwand verbunden sind.“
Strategisch denkende Unternehmen achteten deshalb auf die Gesamtkosten. Zweitwichtigstes Kriterium bei der Lösungswahl ist Flexibilität und Skalierbarkeit. Dahinter folgen gleichauf die Zeit bis zur Fertigstellung der Lösung, Bedienbarkeit und Zuverlässigkeit.