Wie trägt Digitalisierung zum Wachstum bei - diese Frage wollte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) genauer beantwortet haben. Die VBW hat bei der Prognos AG eine Studie mit dem Titel "Digitalisierung als Rahmenbedingung für Wachstum" in Auftrag gegeben. Eines der Ergebnisse: Ein Drittel des jährlichen Anstiegs der Bruttowertschöpfung lässt sich direkt auf die Digitalisierung zurückführen.
Zum Verständnis: Grundlage der Studie ist die Analyse von Patenten. "Der Einfluss der technologischen Entwicklungen und Trends auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche lässt sich über den jeweiligen Digitalisierungsgrad ablesen. Dieser ergibt sich aus dem Anteil der digitalen Patente an der Summe aller Patente", so die Studienautoren.
Nach dieser Lesart ist der Digitalisierungsgrad über alle Branchen hinweg von etwa 15 Prozent Anfang der 1990-er Jahre auf knapp 23 Prozent im Jahr 2011 gestiegen.
Als hochdigitalisierte Branchen gelten beispielsweise audio-visuelle Medien und Rundfunk, Telekommunikation, Hersteller von Datenverarbeitungs-, Elektronik- und Optikgeräten und Hersteller elektrischer Ausrüstungen. Sie weisen einen Digitalisierungsgrad von mehr als 50 Prozent auf.
Generell sind Dienstleistungsunternehmen stärker digitalisiert als das produzierende Gewerbe. Neue Technologien wie etwa 3D-Printing können aber Impulse in der Produktion setzen. Als Beispiel für digitale Prozesse im Management-Bereich nennen die Studienautoren IT-gestützte Methoden in verwaltungstechnischen und betriebswirtschaftlichen Abläufen.
Nach Berechnungen der Marktforscher sorgt die Digitalisierung Deutschlandweit für eine zusätzliche Wertschöpfung von mehr als zehn Milliarden Euro. Bayern hält daran 1,5 Milliarden Euro.
"In einer reifen Volkswirtschaft mit einer schrumpfenden Bevölkerung wie unserer gehen Wachstumsimpulse in erster Linie vom technischen Fortschritt aus", erklärte Bertram Brossardt, VBW-Hauptgeschäftsführer. Er fordert nun den Ausbau einer hochleistungsfähigen IT-Infrastruktur und vor allem auch im ländlichen Raum eine flächendeckende und schnelle Breitbandversorgung. Wirksame Ansätze dafür seien die Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit auf nationaler und europäischer Ebene. Das soll mehr private Investoren locken. "Wir müssen uns beim Breitbandausbau endlich auf einen Standard einigen", so der VBW-Chef weiter.
Die VBW will sich außerdem für neue Bildungsangebote stark machen, die die digitale Kompetenz vom Kindergarten bis zur Universität fördern sollen. "Erzieher, Lehrer und Ausbilder sind viel stärker als bisher gefordert, Medienkompetenz und neue Arbeitsweisen zu vermitteln", so Brossardt.
Gesetzliche Rahmenbedinungen hinken dem Arbeitsalltag hinterher
Stichwort neue Arbeitsweisen: Dem VBW-Chef ist bewusst, welche Risiken die Digitalisierung der Arbeit mit sich bringen. Die Vereinigung hat denn auch ein Positionspapier dazu erarbeitet. Unter dem Titel "Moderne Arbeitswelt - modernes Arbeitsrecht" schreibt die VBW beispielsweise zu flexiblen Arbeitszeiten und -orten: "Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Telearbeit sowie für die Arbeit mit Smartphones und internetfähigen Laptops sind nicht mehr zeitgemäß und müssen angepasst werden. Bei ihrer Einführung gab es diese Geräte häufig noch nicht."
Brossardt will hier keine Probleme sehen, lieber spricht er von "Herausforderungen". Wenn sich der Arbeitnehmer schon räumlich der Kontrolle des Arbeitgebers entzieht, will der VBW-Chef eine menschliche Dimension wieder einführen: "Wir müssen dem Individuum mehr vertrauen", sagt er.
In den kommenden Monaten wird die VBW in Sachen Digitalisierung Lobby-Arbeit betreiben. Der Austausch mit Unternehmen und Politikern solle intensiviert werden, kündigt Brossardt an.