BMW gibt Gas - und zwar nicht nur bei der Entwicklung neuer Automodelle. Der deutsche Automobilhersteller führt als eines der ersten großen Unternehmen Windows 7 ein. Bislang läuft auf den 85.000 Windows-PCs an 250 Standorten seit 2001 Windows XP. Das Nachfolgebetriebssystem Vista übersprang Bernhard Huber, der für die IT-Arbeitsplätze bei den Bajuwaren verantwortlich ist. Nun aber wird modernisiert.
Bis Ende 2009 soll eine Gruppe von 200 bis 500 Anwendern mit Windows 7 arbeiten. 2010 schließen sich Kompatibilitätstests im Produktivbetrieb mit rund 5000 Mitarbeitern an. 2011, wenn ungefähr das erste Service Pack erschienen ist, soll Windows 7 auf allen BMW-Systemen laufen. Huber erwartet keine großen Probleme: "Ein großer Teil der Windows-7-Installation wird parallel zum Tagesgeschäft ablaufen."
Mit seiner Einschätzung, dass Windows 7 keine Vista-artigen Desaster produzieren wird, die die IT-Mannschaft monatelang auf Trab halten, steht er zumindest nicht allein da. Die CIOs und IT-Fachleute, die bereits Erfahrungen mit Windows 7 sammeln konnten, sind zufrieden.
Schon dass Windows 7 am 22. Oktober 2009 und damit fast sechs Monate früher als erwartet auf den Markt kommt, hat viele beeindruckt. "Dass ein Microsoft-Betriebssystem für März 2010 angekündigt wurde, aber schon im Mai 2009 fertig war, ist eine Sensation", sagt Thomas Hemmerling-Böhmer, IT-Chef des Medizintechnikherstellers Karl Storz GmbH & Co. KG in Tuttlingen und Vorstandssprecher des Microsoft Business User Forums (mbuf). "Wann gab es das schon?"
Doch Microsoft musste beim neuen Betriebssystem nicht nur unbedingt einen ähnlich langen Verspätungsmarathon wie bei Vista vermeiden. Auch die Qualität des neuen Hoffnungsträgers musste absolut stimmen. Zum Verkaufsstart sorgte Vista seinerzeit durch fehlende Gerätetreiber, Software-Aussetzer und andauernde Sicherheitsabfragen für negative Schlagzeilen. Microsoft ignorierte die Beschwerden und verwies auf angebliche Kampagnen von Apple und den Medien.
Aber nicht nur die Häme der üblichen Redmond-Kritiker aus dem Open-Source- und dem Mac-Lager mussten Steve Ballmer und Bill Gates schlucken. Sie mussten auch erleben, dass ihr mit technischen Neuerungen gespicktes Code-Paket selbst von Microsoft-Nutzern nach Möglichkeit gemieden wurde. Profi-Nutzer, die Vista nicht über den im Elektronikfachmarkt gekauften Rechner zwangsweise reingedrückt bekamen, zeigten dem System größtenteils die kalte Schulter und entschieden sich massenhaft, ihre Clients mit dem guten, alten XP weiterzubetreiben.
Deshalb schlug sich die Vista-Pleite auch in den Büchern von Microsoft nieder: Der Gewinn brach im letzten Jahr um 30 ein, der Umsatz um 17 Prozent. Pflichtschuldigst verwies Microsoft-Chef Steve Ballmer auf die Wirtschaftskrise. Forrester verglich das System mit der verkorksten Einführung der New Coke von Coca-Cola, Gartner machte es sogar für die Entlassungen verantwortlich, die Microsoft als Reaktion auf die schlechten Zahlen erstmals verkündete. "Das Vista-Erlebnis war für Microsoft dramatisch", sagt mbuf-Chef Hemmerling-Böhmer.
"Windows 7 wird in vielerlei Punkten besser sein als Vista"
Für Microsoft-Deutschland-Chef Achim Berg ist Windows 7 folgerichtig "das wichtigste Thema des Jahres". Microsoft gelobt diesmal, die Hausaufgaben gemacht zu haben, und scheint nicht das Prinzip Banane, demzufolge das Produkt beim Kunden reift, zu verfolgen. "Windows 7 wird in vielerlei Punkten besser sein als Vista, nicht zuletzt, weil wir viel Feedback der User umgesetzt haben", verspricht Berg.
Die Fachwelt interessierte Windows 7 ungemein. Mehrere Millionen Mal wurden die Beta-Version und der Release Candidate allein in Deutschland heruntergeladen. In den Vorabversionen des OS war tatsächlich ein Feedback-Button eingebaut, den die Testanwender intensiv nutzten.
Windows 7 ist von Anfang an stabiler und performanter als sein Vorgänger. Vista war aber auch technologisch ein großer Wurf, der alle Anwendungen auf die 64-Bit-Technologie hob und den Versuch unternahm, durch eine konzeptionell völlig neue Sicherheitsarchitektur Computer wirksamer als früher zu schützen.
Vista stellte aber auch hohe Anforderungen an die Rechner, auf denen es laufen sollte. Dieses Problem entfällt bei Windows 7. "Das OS läuft auch auf alter Hardware wie einem Pentium 5", sagt Hemmerling-Böhmer. Microsoft hat die 64-Bit-Technologie nun im Griff. Windows 7 bietet einige nützliche Funktionen wie den Bitlocker und den Branch-Cache. Mit der Bitlocker-Funktion können Inhalte externer Festplatten verschlüsselt werden.
Der Branch-Cache ist ein Netzwerk-Zwischenspeicher, den Zweigstellen fernab der Zentralen und Rechenzentren nutzen können, um die Geschwindigkeit ihrer Anwendungen im Firmennetz zu erhöhen. Die neue Taskleiste bietet eine erweiterte Vorschaufunktion und eigene Anwendungsfenster.
Vieles einfacher und logischer
Verbessert wurde auch die Dateiverwaltung durch den Windows Explorer. Der arbeitet nun mit virtuellen Verzeichnissen, den sogenannten Bibliotheken, in denen die Inhalte aus verschiedenen Ordnern gesammelt erscheinen. Dabei werden die Dateien nicht kopiert, sondern nur verlinkt.
Insgesamt ist Windows 7 das Ergebnis einer Evolution und kein radikaler technologischer Umbruch. "Wenn Sie Vistas Funktionen und Features mit Windows 7 vergleichen, treffen Sie auf nicht so viel Neues, aber die Dinge sind logischer und einfacher geworden. Windows 7 ist schneller und für den Nutzer leichter verdaulich", sagt Thomas Jescheck, CIO des IT-Dienstleisters Computacenter. Hemmerling-Böhmer bezeichnet Windows 7 verschmitzt als "Service Pack 3 von Vista". Windows 7 besitzt zwar technisch einen neuen Kernel, der aber in vielerlei Hinsicht auf Vista aufbaut und dessen Schwächen beseitigt hat.
Mit diesem Ansatz hat Microsoft den Nerv der Anwender getroffen, wie eine mbuf-Befragung von 40 CIOs, die insgesamt fast eine Millionen Clients betreiben, ergab. "Drei Viertel der Firmen haben sich bereits mit Windows 7 beschäftigt. Und bei denen, die Windows 7 ausprobiert haben, ist das Feedback zu 95 Prozent positiv", sagt Hemmerling-Böhmer. Vor allem die Geschwindigkeit und Stabilität des Betriebssystems beeindruckten die CIOs in den mbuf-Unternehmen.
Zu ähnlichen Ergebissen kommt IDC-Analyst Rüdiger Spies. Windows 7 sei so zuverlässig wie XP, biete aber einige Vista-Features und mit Funktionen wie der Compatibility-Box die Garantie, dass auch alte Geschäftsanwendungen laufen. "Dadurch sind die Voraussetzungen gut, dass viele, die bewusst bei XP geblieben sind und vielleicht noch das Abflauen der Krise für einen Gerätewechsel abwarten wollen, neue Hardware und damit Windows 7 anschaffen", sagt Spies. IDC geht davon aus, dass bis Ende 2010 weltweit 177 Millionen Einheiten Windows 7 ausgeliefert werden. "Das sind deutlich mehr als bei Vista im gleichen Zeitraum. Ende 2010 werden 19 Prozent der globalen IT-Workforce mit Windows 7 arbeiten", prophezeit Spies.
Heideldruck testet schon für 2010
Zu den ersten Windows-7-Testern gehören Heidelberger Druckmaschinen. Der Branchenriese verfolgt eine Life-Cycle-Strategie und tauscht seine 15.000 Clients alle drei Jahre aus. Weil aber vorher die Entscheidungen über die Hard- und die Software, die zum Einsatz kommt, getroffen werden müssen, hat sich Axel Junghans, Projektleiter bei der Heidelberger Druckmaschinen AG in Wiesloch, bereits intensiv mit Windows 7 beschäftigt. Für nächstes Jahr plant man den Wechsel auf die Client-Version 4.
Erste Leistungstests mit Microsofts Hoffnungsträger verliefen positiv. Weil Heidelberger ohnehin Enterprise-Agreement-Kunde des Softwareanbieters ist, konnte man problemlos auf Testversionen von Windows 7 zugreifen. Eine Handvoll Rechner bestückte Junghans mit dem neuen OS und merkte schnell: Die Leistung stimmt. "Microsoft hat viel getan, um Stabilität und Performance zu verbessern", sagt er.
Es ist ein Vorteil, dass Windows 7 im Grunde ein optimiertes Vista ist, weil die Vista-Technologie inzwischen gut funktioniert. Junghans weiß, wovon er redet, denn die Einführung von Vista hatte die IT-Abteilung von Heidelberger Druckmaschinen viel Engagement gekostet. "Im Code erkennen wir vieles wieder", sagt Junghans. "Aber der Benutzer bemerkt es kaum. Die Leute sind an die Oberfläche gewöhnt, während die Neuerungen im Inneren stecken."
Vor allem den Administratoren macht es Microsoft mit Windows 7 einfach, weil die Administrations-Distributions- und Entwicklungswerkzeuge bereits ausgereift sind. "Wir haben nur drei Wochen gebraucht, um aus der Ready-to-Market-Version von Windows 7 eine Heidelberg-Client-Version zu entwickeln", sagt Junghans. Die automatisierten Installationsroutinen sind geprüft. "Wir könnten sofort auf allen PCs Windows 7 installieren", sagt Heidelberger-CIO Michael Neff. "Aber natürlich wechseln wir erst, wenn es zu unserer Life-Cycle-Strategie passt und für Heidelberg wirtschaftlich sinnvoll ist."
Diesmal hilft Microsoft schnell
Organisatorisch scheint Microsoft besser aufgestellt als zum Vista-Start. "Richtig gut ist etwa das Antwortverhalten von Microsoft bei Windows 7", sagt Junghans. Ein Problem war beispielsweise, dass zum Installieren von Druckertreibern von Print-Servern unter Windows 7 Administratorrechte notwendig waren und die alten Einstellungen von Vista nicht mehr funktionierten. "Das geht natürlich für normale Benutzer nicht", sagt Junghans. "Also haben wir das Thema adressiert, und vier Tage später gab es einen Fix." Bei der Vista-Einführung mussten CIOs bis zu drei Monate auf Lösungen für ihre Detailprobleme warten.
Auch beim Bereitstellen von Windows 7 in unterschiedlichen Landessprachen hat Microsoft Gas gegeben. Windows-Clients unterstützt das OS bereits in 16 Sprachen. Als Vista auf den Markt kam, unterstützte es lediglich drei Sprachen. Auch der Support für Softwarehersteller, die ihre Anwendungen an Windows 7 anpassen wollen, scheint besser zu funktionieren als zu Vista-Zeiten. In der Branche berichtet man, Microsoft schicke regelrechte "SWAT-Teams" (Special Weapons and Tactics) zu den großen Software-Anbietern. Ein Ergebnis: Während es ein Dreivierteljahr dauerte, bis es etwa einen offiziellen SAP Support für Vista gab, bekommen SAP-Kunden bereits heute einen Pilot-Support für die laufende 7.1er-Version des SAP Graphical User Interface. Ab März 2010 soll dem Vernehmen nach der offizielle SAP Support starten.
Zu einer hohen Akzeptanz bei vielen Nutzern dürfte auch die Tatsache beitragen, dass alte Anwendungen problemlos in die neue Windows-7-Welt mitgenommen werden können. "Alle Applikationen, die wir getestet haben, laufen auf Windows 7", sagt Junghans. "Sogar zwei, die unter Vista Probleme machten." Für den Fall, dass alte XP-Anwendungen doch nicht vernünftig funktionieren, ist in das neue Betriebssystem eine virtuelle Maschine integriert, auf der die alten Anwendungen gekapselt laufen.
BMW etwa setzt fest darauf, mithilfe dieser Virtualisierungsfunktion die Kompatibilität älterer Anwendungen zu gewährleisten. Auch die sinnvolle, aber wegen ihrer vielen Warnhinweise nervenaufreibende Benutzerkontensteuerung hat Microsoft verbessert. Bei Benutzern ohne weitgehende Rechte spart sich Windows 7 die ewigen Nachfragen. Auch viele Hardwaretreiber stehen bereits zur Verfügung. Dass die bei Vista zunächst fehlten, sorgte in vielen Firmen für Frust - auch bei Computacenter.
Um zu prüfen, ob man Kunden des IT-Dienstleisters zu Windows 7 raten kann oder nicht, entschloss sich CIO Jescheck, dennoch am Microsoft Windows 7 First Wave Programm teilzunehmen. 50 Berater haben schon vor der offiziellen Markteinführung des Vista-Nachfolgers Erfahrungen mit dem Betriebssystem gesammelt. Intern wird CIO Jescheck bald umsteigen - um nicht mit XP, Vista und Windows 7 drei Systeme pflegen zu müssen und um die Vorteile zu nutzen.
Vista mit sanfter Gewalt migriert
Weil aber die Erfahrungen der Consultants mit Windows 7 durchweg positiv sind, freut er sich diesmal auf den Umstieg - während Vista ihm viel Kummer bereitete. "Vista war in den ersten Monaten wackelig und instabil", sagt Jescheck. "Wir haben die Mitarbeiter mit sanfter Gewalt migriert. Bei Windows 7 ist die Situation umgekehrt. Die Leute fragen: Kannst du mich nicht noch ins Testprogramm integrieren?“
Obwohl die Computacenter-IT den Consultants nur einen eingeschränkten Support bietet, ist die Resonanz auf das neue System hervorragend, sagt Jeschek. "Wir wollten drei Monate testen, bevor wir uns ein Urteil erlauben. De facto haben wir uns nach vier bis sechs Wochen interner Tests ein Urteil zugetraut. Man merkt, dass das System drei Jahre weiterentwickelt wurde und Kunden-Feedback eingeflossen ist." Ergebnis: Ja zu Windows 7, und dementsprechend wird Computacenter 2010 im Anschluss an eine größere Systemumstellung auf Windows 7 migrieren.
"Die meisten werden 2010 beginnen, Windows 7 einzusetzen", sagt Hemmerling-Böhmer. "Aber den großen Rutsch plant kaum jemand. Die meisten sagen, die neue Software kommt ins Haus, wenn Hardware erneuert wird." Pro Jahr tauschen laut Gartner zwischen einem Viertel und einem Drittel der Unternehmen ihre Rechner aus.
Berater wie Thomas Hansen von Accenture halten die Häppchenstrategie nur für den zweitbesten Weg, die alten XP-Systeme abzulösen. "Die Investition wird dann interessant, wenn man sie als einen Schritt zur Erneuerung der Arbeitsplatzstruktur betrachtet", sagt Hansen, Geschäftsführer im Bereich Technologieberatung bei Accenture. "Es ist ein Schritt, um die Möglichkeiten der Nutzer für mobile Computerarbeit und die Zusammenarbeit über Collaboration-Tools zu erweitern und zugleich die Infrastruktur für solche Dienste wirtschaftlicher zu gestalten."
Der Arbeitsplatz der Zukunft
Vor allem in Verbindung mit den für das Frühjahr 2010 angekündigten neuen Versionen von Office, dem neuen Sharepoint-Server und anderen Microsoft-Produkten soll das Betriebssystem seine Stärke als zentrales Verzahnungs- und Verwaltungselement einer flexiblen, aber dennoch homogenen Microsoft-Kommunikationswelt - Stichwort: Unified Communications - ausspielen. "Beim Thema ‚Next Generation Workplace‘ rechnen wir damit, dass viel Beratungsbedarf auf uns zukommt", sagt Hansen.
Mit der Windows-7-Einführung will CIO Hemmerling-Böhmer das ganze Microsoft-Ökosystems erneuern. "Wer Office nur als Schreibmaschine einsetzt, braucht keine neue Software", sagt er. "Ihren richtigen Vorteil entfalten die einzelnen Teile der Microsoft-Welt, wenn sie zusammenwirken." Bauchschmerzen bereitet ihm derzeit nur eines: Bis Ende 2009 will Microsoft 4400 Mitarbeiter in den Partnerunternehmen in Sachen Windows 7 geschult haben. "Ich frage mich, ob das ausreicht und Microsoft und die Partner auf den möglichen Beratungs-Tsunami eingestellt sind, der anlaufen könnte, wenn die Leute hören, dass Windows 7 gut funktioniert", sagt Hemmerling-Böhmer.