IT-Manager Richard Wiedenbeck hat viele Hüte auf - er ist sowohl die oberste Technologie-Führungskraft als auch Leiter der Transformation bei Ameritas. Als Chief Technology Officer treibt Wiedenbeck die Automatisierung und IT-Modernisierung des Finanzdienstleister voran, um Komplexität und technische Schulden zu reduzieren. In seiner Funktion als Chief Transformation Officer (CTO) besteht seine derzeitige Aufgabe darin, eine Unternehmenstransformation anzuführen, die auf die betriebliche Effizienz abzielt.
Um beide Ziele zu erreichen, hat Wiedenbeck die Rollen bewusst voneinander getrennt. Zudem ist er Kompromisse bei der digitalen Agenda eingegangen, um die wichtigeren Ziele der Transformation voranzutreiben. "Ich betrachte die beiden Rollen wirklich unterschiedlich", sagt der Ameritas-Manager. "Es geht nicht um eine Erweiterung des CIO-Jobs, sondern um eine separate Rolle. So wollen wir sicherzustellen, dass wir die Transformation umsetzen. Die gute Nachricht ist, dass ich mit mir selbst sprechen kann, um die Ziele neu festzulegen."
Volle Kraft oder Kompromisse?
Nicht jede Führungskraft ist willens oder in der Lage, komplexe Kompromissdiskussionen mit sich selbst zu führen. Aber eine wachsende Zahl von Unternehmen ist bereit, eine Position zu schaffen, die sich mit der Beaufsichtigung groß angelegter Transformationsvorhaben befasst - und manchmal wird diese Rolle vom CIO übernommen. Die Umgestaltung von Geschäftsprozessen, Erlösmodellen und Organisationsstrukturen ist zwar schon seit einiger Zeit im Gange, doch in den letzten Jahren hat sich der Wandel beschleunigt. Immerhin 61 Prozent der Befragten der Foundry-Studie "Digital Business 2022" bestätigten, dass die globale Pandemie ihr Unternehmen dazu gezwungen hat, eine Digital-First-Strategie zu formulieren und umzusetzen.
"Um den schnellen Wandel zu begleiten, wollen Unternehmen eine Rolle schaffen, die an der Spitze der Veränderungsaktivitäten steht", berichtet Angela Yochem, die als Chief Transformation Officer bei einem großen Gesundheitsdienstleister tätig gewesen ist. "Alles, was das Unternehmen wirklich umgestaltet und nicht nur modernisiert, rationalisiert oder optimiert, erfordert jemanden, der sich um diese kritischen Veränderungen kümmert."
Hauptaufgabe oder Nebenjob?
Ob die Aufgabe des Chief Transformation Officer formell zugewiesen wird oder in die Zuständigkeit einer anderen Führungskraft fällt, hängt vom Unternehmen sowie vom Umfang und der Dauer der Transformationsagenda ab. Da Technologie- und digitale Geschäftsinitiativen in den letzten Jahren im Mittelpunkt des Wandels standen, haben viele IT-Führungskräfte diese Rolle einfach übernommen - oft ohne den offiziellen Titel. So gaben 83 Prozent der befragten IT-Führungskräfte in der Studie "2023 State of the CIO" an, dass die Transformationsaspekte der CIO-Rolle weiterhin im Vordergrund stehen, und 84 Prozent sind im Vergleich zu anderen Geschäftsführern stärker in die Leitung der digitalen Transformation eingebunden.
Weit mehr als die Hälfte (61 Prozent) der Befragten bestätigte, dass sie jetzt Aufgaben als Business-Stratege haben, als Berater für das Unternehmen fungieren und ihre Rolle als "Changemaker" definieren. "Angesichts des großen Einflusses, den fortschrittliche Technologien auf die Entwicklung von Geschäftsmodellen haben, ist es sinnvoll, dass der CIO auch den Hut der Transformation aufsetzt", argumentiert Yochem. "Wenn es jedoch bei der Transformation eher darum geht, den adressierbaren Markt zu erweitern, sollte vielleicht jemand anderes die Aufgabe übernehmen."
Die Agenda des Transformationschefs
Yochem selbst war vor ihrer Ernennung zum Chief Transformation Officer als Chief Digital Officer für einen Gesundheitsdienstleister tätig, wo sie für die Bereiche Technologie, Cybersicherheit und Daten sowie für die Sparte Digital Health verantwortlich war. Dort lautete ihr Auftrag: unkonventionelle Umsatzmöglichkeiten erkunden. Mit der Übernahme des offiziellen CTO-Titels änderte sich nicht unbedingt Yochems Agenda oder ihr tägliches Aufgabengebiet. Vielmehr sei es bei der neuen Position eher darum gegangen, die Bedeutung der Transformationsagenda zu verdeutlichen und mögliche Einschränkungen zu beseitigen, die normalerweise mit technikspezifischen Rollen verbunden sind.
Der Grund: Einige CIOs würden vom Top-Management in die Schublade "IT" gesteckt, sagt Yochem. "Die Änderung des Titels macht es in der Unternehmenskultur leichter, Gespräche außerhalb der IT zu führen. Die Digitalisierung war der Schlüssel zur Transformation, und die CTO-Rolle war ein Statement dazu."
CTTO - alles in einer Hand
Richard Wiedenbeck übernahm die Leitung der Transformation im Jahr 2022, nachdem er mehr als zehn Jahre lang die IT-Organisation und Technologiestrategie von Ameritas geleitet hatte, unter anderem als CIO. Das Unternehmen befindet sich mitten in einer Umstrukturierung, um die betriebliche Effizienz zu steigern. Und dies nicht nur aus technologischer Sicht, sondern auch in Bezug auf die Geschäftsprozesse und die Organisationsstruktur. Wiedenbeck wurde zum Transformationsbeauftragten ernannt. Er plädierte dafür, beide Aufgabenbereiche in einer kombinierten Funktion beizubehalten, anstatt den CIO-Posten aufzugeben.
Business und IT ausbalancieren
In seiner Rolle als CTTO hat Wiedenbeck Einfluss auf alle Bereiche des Unternehmens und auf die Führungsebene. So soll sichergestellt werden, dass Prozessänderungen, die Mitarbeiterkultur und die digitale Reife aufeinander abgestimmt sind, um die Transformationsziele - in diesem Fall die Verbesserung der betrieblichen Effizienz - zu erreichen. Als CIO hingegen ist Wiedenbeck der Modernisierung und dem Abbau technischer Schulden verpflichtet - manchmal ein Widerspruch. "Die Automatisierung, die Ameritas benötigt, um die Optimierung voranzutreiben, mag nicht perfekt sein", gibt er zu. "Es kann nicht um absolute Werte gehen - man muss ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen des Unternehmens und den Anforderungen der IT herstellen."
Der CTTO braucht neue Kompetenzen
Die meisten modernen CIOs sind zwar im technischen Bereich versiert und haben ihren "Business-Sinn" verfeinert. Das Verständnis für Prozessverbesserungen, die Umgestaltung von Arbeitsabläufen und die menschliche Seite des Wandels heben die Transformationsaspekte der CTTO jedoch von den Anforderungen an den typischen IT-Leiter deutlich ab. "Es geht um Menschen, Prozesse und Technologie - als Transformationsbeauftragter muss man in allen drei Bereichen über genügend Kompetenz verfügen, um aus dieser Rolle einen Nutzen zu ziehen", sagt Wiedenbeck.
Die organische CIO-Rolle in der Transformation
Einige CIOs mit einer soliden Transformationsagenda haben wenig Interesse daran, in eine formelle CTO-Rolle überzuwechseln. Ein Beispiel dafür ist Katrina Agusti, die als CIO bei Carhartt eine aktive Rolle bei der Leitung von Transformationsinitiativen gespielt hat. Darunter fielen unter anderem die Ausweitung des Vertriebsnetzes, die Entwicklung von End-to-End-Kundenerfahrungen und die Umstellung auf nachhaltigere Produkte und Verpackungen.
Agusti geht davon aus, dass sie aufgrund ihrer langen Betriebszugehörigkeit (20 Jahre) und ihrer früheren Erfolge bei der Förderung der Geschäftsstrategie und der Zusammenarbeit mit funktionsübergreifenden Teams beim Veränderungsmanagement für die Transformationsrolle ausgewählt wurde. Als IT-Leiterin verfüge sie über viele der gleichen Kompetenzen und Eigenschaften wie Transformationsleiter. Dazu zählt sie die Fähigkeiten, die Geschäftsausrichtung zu verstehen, Kompromisse zu bewerten oder schwierige Diskussionen zwischen verschiedenen Funktionen zu vermitteln. "Wir in der IT haben schon so viele Projekte ohne das Label Transformation geleitet, dass wir uns das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit erarbeitet haben, um diese Aufgabe zu übernehmen."
Ganz oder gar nicht
Dennoch sagt Agusti, dass sie kein Interesse daran hat, langfristig als CTO zu fungieren, und dass sie dem Transformation-Office mit der Übernahme beider Rollen einen Bärendienst erweist. "Das kann kein Nebenjob sein - es muss ein Schwerpunkt sein, und das kann ich aufgrund anderer Prioritäten nicht durchgängig allein machen", fügt sie hinzu.
Auch wenn es sicherlich Überschneidungen zwischen den Funktionen gibt, sehen die meisten CIOs ihre Aufgaben und Karrierewege als Bereicherung der CTO-Agenda und nicht als Konfliktherd. "Die Rollen können sich gegenseitig ergänzen, wenn sie richtig eingerichtet sind", meint beispielsweise Nathan Rogers, Senior Vice President und CIO Infrastructure Enablement bei SAIC, einem IT-Dienstleister. "Egal, ob sie der gleichen Person unterstellt sind oder auf der gleichen Ebene arbeiten - wenn sie strategisch aufeinander abgestimmt sind, ist das eine starke Kombination."
Eine vorübergehende Rolle?
Hinzu kommt die zeitliche Dimension, wie Sri Adusumilli, CIO bei Truckpro, berichtet. Das Unternehmen hat keinen formellen CTO ernannt, und Adusumilli sieht die Rolle ohnehin als vorübergehend an. Schließlich gäbe es nur wenige groß angelegte Transformationsbemühungen, die eine Organisation im Laufe der Jahrzehnte durchläuft. "Der CTO ist eine zeitgebundene Rolle. Man ändert nicht alle paar Jahre seine Kultur oder sein Betriebsmodell." Ob IT-Führungskräfte den CTO-Titel anstreben, ist nach seiner Ansicht irrelevant, da CIOs die schwere Aufgabe haben, die Transformation zu orchestrieren. "CIOs sind bereits transformative Führungskräfte, wenn sie ihren Job richtig machen", sagt er. "Ich bin nicht auf der Suche nach einem Chief Transformation Officer, weil ich glaube, dass ich das ohnehin schon bin."