Ausblicke in die Zukunft

Der Browser im Jahr 2015

14.01.2011
Die nächste große Computerplattform wird nicht Apples Mac OS, Googles Android oder Microsofts Windows sein und sie wird auch nicht komplett neu entwickelt. Nein, die nächste dominierende Software-Plattform wird das Web sein.
Der Firefox Browser.
Foto: Mozilla Europe

Haben Sie sich schon mal gefragt, wie ihr Browser im Jahr 2015 aussehen wird?! Vier Jahre Entwicklung bringen bei einigen Technologien nicht unbedingt riesige Fortschritte mit sich: Ein aktueller Computer zum Beispiel unterscheidet sich nicht großartig von seinen Vorgängern von 2005, ein Browser hingegen wird ständig weiterentwickelt und die damit verbundenen Innovationen halten somit gleichzeitig Einzug in unseren Alltag.

Nicht nur, dass Browser zum Standard in unseren Autos werden, sie werden zukünftig auch Spracherkennung beherrschen, Text to speech und die berührungslose Bedienung von Anwendungen, bei denen Tasten, Touchpads oder auch Touchscreens unbequem (Smartphones) oder sogar gefährlich sind (zum Beispiel beim Autofahren). Über die Browser kann man dann auch Internet-Radios streamen lassen, vielleicht sogar über ein schickes, dünnes 3D Interface.

Laut Linus Upson, Vizepräsident der Google Entwicklungsabteilung, werden die Fortschritte, die im Browserbereich gemacht werden, enorm sein: „Wir wollen das Web so weiterentwickeln, dass Sie damit genauso arbeiten können wie unter Windows, dem Mac oder dem iPhone.“

Googles Vision der Zukunft ist ein Browser, der alle ihre Anwendungen ausführt, darin eingeschlossen atemberaubende 3D Spiele, Tools zum Übersetzen von Texten und sogar Grammatik-Korrekturprogramme. Manche dieser Dinge gibt es zwar schon in einfacher Form, die wirklich ausgereiften Anwendungen werden aber erst im Laufe der nächsten fünf Jahre erscheinen.

Durch die Tatsache, dass heute viel Labortechnologie den Sprung in den Alltag schafft, werden die Browser ein komplett neues „Look and Feel“ erhalten. AMDs Fusion Media Explorer, ein 3D-Browser, der die Multimedia-Fähigkeiten des hauseigenen Prozessors präsentieren soll, unterstützt Uploads bei Facebook oder anderen sozialen Netzen per Drag & Drop. Darüber hinaus ist er mit einem drehbaren 3D-Interface ausgestattet um bequem seine Medien Dateien durchstöbern zu können.

Ein anderes, in Israel ansässiges Start-Up-Unternehmen mit dem Namen EyeSight Mobile Technologies entwickelt eine berührungslose Gesten-Steuerung für Android-Smartphones: Bewegt man die Hand vor der Frontkamera, so kann man sich damit zum Beispiel durch die eigene Fotogallery navigieren. Mittlerweile entwickelt Google auch Spracherkennung und Text to speech Anwendungen für Browser. Und dann gibt es noch den freien Opera Browser von Opera Software, ein Pionier bei der Stimm- und Gesten-geführten Browsersteuerung. Somit verwundert es auch nicht, dass die führenden Autohersteller, darunter Audi, BMW, Ford, General Motors und Daimler versuchen Wege zu finden, um Browser in Autos oder LKWs anzusiedeln.

Das Web, wohin man auch blickt

Die Browser schwappen langsam von den PCs und Smartphones auf andere Gerätegattung über, darunter TV Set-Top-Boxen und Drucker. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Beispiele, die gerade noch in Entwicklung sind, sind unter anderem das gerade aufkommende Google TV, eine neue Plattform des Suchgiganten um Webinhalte auf den heimischen Fernseher zu bringen; der HP Photosmart Premium TouchSmart Web All-in-One-Printer, ein 4,33-Zoll Tintenstrahldrucker mit LCD Farbbildschirm und der Möglichkeit auf Webanwendungen zugreifen zu können und zu guter Letzt, die gerade aufkommenden Tablet Geräte die dem allseits bekannten Apple iPad nacheifern.

Die neu aufkommenden Datendienste der 4G-Generation mit LTE und WiMax als auch das mittlerweile allgegenwärtige Wi-Fi helfen zusätzlich, dass die Browser immer mehr Einzug in Business- und Alltagsprodukte halten. Wer weiß, vielleicht kehrt auch der internetfähige Kühlschrank von LG zurück, ein Produkt, das bei seiner Markteinführung 2003 nicht den Nerv der Zeit getroffen hat. Fakt ist, dass LG dieses Konzept nie aufgegeben hat. Die neuesten Geräte verfügen über einen LCD Bildschirm, einen Browser und einer On-Screen Tastatur.

Bei vielen dieser Geräte dient der Browser nicht einzig und allein der Darstellung von Webseiten: Er stellt die Plattform für Anwendungen und Unterhaltung bereit, darüber hinaus bietet er Zugriff auf die eigenen Daten, die sicher online gespeichert sind. Ein fast marktreifes Beispiel ist Chrome OS von Google, ein browserbasiertes Betriebssystem, das noch dieses Jahr für Netbooks und Tablet Geräte erscheinen soll. Mit Chrome OS führt dann der Weg ins Internet nicht ausschließlich über den Browser, dieser rückt eher ins Zentrum der kompletten Benutzer Aktivität um die meisten, webbasierten Anwendungen zu steuern. Chrome OS basiert auf Linux und man munkelt, dass es vielleicht sogar Zugriff auf normale Windows-Programme bieten könnte, umgesetzt mit einer gesicherten Verbindung, ähnlich denen von Remote-Desktops.

Wie werden wir also in ein paar Jahren mit diesen webfähigen Geräte umgehen? Die Webdesign Firma Adaptive Path, spezialisiert auf die Entwicklung von Benutzerschnittstellen, hat 2008 eine Konzeptstudie für das Mozilla/Firefox Interface herausgebracht. Das Aurora genannte Konzept legt den Fokus auf das Web als Mittelpunkt, bei dem alle Daten und Anwendungen innerhalb des Browser Frameworks bleiben. In einem Demo-Video sieht man einen Mann namens Tim, der über Gesten mit Aurora auf einem großen Wandbildschirm kommuniziert. Der Bildschirm besitzt eine Kamera, die die Hand- und Armbewegungen von Tim verfolgt und interpretiert. Der persönliche Arbeitsplatz, ähnlich einem Bookmark, erscheint als großes Thumbnail; Tim verwaltet seinen Desktop nur durch das „nehmen“ und an den richtigen Platz „schnippen“ von einzelnen Workspace-Objekten, ganz ohne Berührung versteht sich.

Und obwohl Aurora in dieser Art und Weise wohl nie erscheinen wird, so bekommt man doch einen interessanten Einblick in die browserbasierte Zukunft, an der unsere heutige Technikindustrie mittels Standardisierungsgremien wie dem W3C (World Wide Web Consortium) arbeiten.

Die Zukunft gehört den Browser Apps

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass bekannte und weit verbreitete Standardsoftware, vor allem aber Business-orientierte Anwendungen wie zum Beispiel Microsoft Office, bis 2015 komplett verschwinden werden. Durch das Aufkommen von webbasierten Anwendungen, darunter auch praktische Zusammenstellungen wie Google Docs und die neuen Microsoft Office Web Apps, könnte aber der Wechsel von relativ langsam startenden Desktop-Betriebssystemen wie Windows oder Mac OS zu kleinen, browserbasierten Systemen wie Google Chrome OS beschleunigt werden.

Zumindest hofft Google darauf
Um die Vision des Cloud-Computings Realität werden zu lassen, müssen sich die konkurrierenden Hersteller allerdings erst auf Standards einigen, die diese browserbasierte Welt ermöglichen. Wird Apple, die mit ihrem gut geschütztem App Store große Erfolge verbuchen konnten, bereit sein sich zu öffnen? Dieser App Store, der die alleinige Vermarktung von iPhone, iPad und iPod Touch Programmen erlaubt, ist nicht unerheblich an Erfolg von Apple beteiligt. Oder wie wird sich Microsoft verhalten, bekannt dafür Standards zu Gunsten von eigenen Technologien zu ignorieren. Werden sie sich dann auch mitziehen?

Man kann es zum aktuellen Zeitpunkt zwar noch nicht sagen, aber es scheint zumindest so, dass sich eine Lösung anbahnt. Microsoft hat angekündigt, sich an Webstandards wie HTML5 halten zu wollen. Durch dieses Zugeständnis können Programmierer dynamische Webanwendungen entwickeln, die gleichwertig auf einer Vielzahl von Browsern laufen, darunter auch die Pendants auf Handys und Tablet-Geräten, die keine leistungshungrigen Plugins wie Adobe Flash, Apple QuickTime oder Microsoft Silverlight unterstützen.

Steve Jobs, CEO bei Apple, dürfte wahrscheinlich der größte Befürworter von HTML5 sein: Jobs wirft Adobe vor, dass deren weit verbreitetes Browse-Plugin für Flash auf mobilen Geräten zu viel Strom verbraucht und auch so zu schwerfällig ist. Und obwohl Apples iPhone sowie einige andere Mediengeräte und Tablets kein Flash unterstützen, sind Geräte mit Googles neuem Android 2.2 durchaus dazu in der Lage.

Erste Programme, die in einem HTML5-kompatiblen Browser laufen, erlauben bereits erste Ausblicke in die Zukunft. Flickr Explorer ermöglicht zum Beispiel viel schneller in Fotos hinein oder heraus zu zoomen, genauso wie das einfache Durchblättern um einiges schneller geht als es mit heutigen Browsern möglich ist.

Auch komplexe Spiele in 3D werden zukünftig in Browsern laufen. Webstandards wie WebGL, der eine 3D-Programmierschnittstelle ohne Plugins im Browser bereitstellt, ermöglichen die Entwicklung von spielerfreundlichen Browsergames.

„Klicken Sie einfach auf einen Link und „Rumms“ - Sie sind in einem 3D-Spiel“ sagt Upson, der damit die Vorzüge der Einfachheit des webbasierten Spielens gegenüber einer Desktop-Installation hervorhebt: Man braucht keine Datenträger wie DVDs. Eine aktuelle Demo auf Youtube zeigt Split Second, ein Rennspiel im Arcade-Stil, das auf einem HTML5-fähigem Browser läuft. Die Performance und Grafik erreicht in etwa das Niveau, das man von einer Konsolen- oder PC-Version erwarten würde.

Eins ist aber klar: Die Browser im Jahr 2015 werden eine noch größere Rolle in unserem Leben spielen als sie es heute schon machen - und das heißt viel.

Upson: "Jeder sollte Zugang zum Internet haben, das Web hat mehr als eine Milliarde Benutzer" Und es werden sicher noch mehr.

Quelle: PC-Welt